Jedes Jahr verunglücken auf deutschen Straßen Menschen, weil sie unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss stehen. Mit einem umfangreichen Maßnahmen-Katalog als Forderung an die Verkehrspolitik will die Gewerkschaft der Polizei (GdP) das Unfallrisiko mindern. Unter dem Motto „Verbotene Stoffe im Straßenverkehr“ erarbeiteten rund 100 Verkehrsexpertinnen und -experten aus dem gesamten Bundesgebiet im Frühjahr 2012 praxisorientierte Empfehlungen gegen den „Rausch am Steuer“.„Hinter jedes Lenkrad gehört ein klarer Kopf. Wer durch Alkohol, Drogen oder Medikamente seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, setzt das Leben anderer und das eigene aufs Spiel. Dieser Gefahr kann nur mit nachhaltiger Aufklärung und einem hohen Entdeckungsrisiko, verbunden mit empfindlichen Strafen, wirksam begegnet werden“, erklärte Frank Richter, stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender auf dem 3. Verkehrsforum der Gewerkschaft der Polizei. Ein wichtiges Thema auf der Veranstaltung waren die Alkoholgrenzwerte im Straßenverkehr. So fordert die GdP, die Promillegrenze für Kraftfahrer zu senken. Ordnungswidrig handele danach der, der im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er unter der Wirkung alkoholischer Getränke steht. Eine Ahndung solle ab 0,2 Promille erfolgen, denn eine strikte Einhaltung des 0,0-Promillewertes sei schwierig, da auch Speisen und manche Medikamente Alkohol enthielten. Des Weiteren soll der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit für Radfahrer von 1,6 auf 1,1 Promille gesenkt werden. Landespolizeidirektor Udo Weiss, Direktionsleiter Verkehr im Polizeipräsidium Münster zu den Gründen: „Das Fahrrad ist ein gleichwertiges Verkehrsmittel, mit allen Rechten, aber auch Pflichten. Europaweit sterben im Straßenverkehr genauso viele Radfahrer wie Motorradfahrer.“ Deshalb sei der Grenzwert von 1,6 Promille für Radler zu hoch. Denn bereits ab 1,3 Promille liege eine Leistungseinbuße von 82 Prozent vor, so der Experte. Zusätzlich fordert die GdP daher auch die Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes für alkoholisierte Fahrradfahrer ab 0,8 Promille. Des Weiteren seien mehr effiziente und effektive Alkoholkontrollen nötig. Durch den herrschenden Personalmangel bei der Polizei seien zusätzliche Kontrollen jedoch eher unrealistisch. Außerdem sei die Entnahme von Blutproben, um den Promillewert nachzuweisen, extrem zeitaufwändig. Daher fordert die GdP, dass die beweissichere Atemalkoholprobe auch im Strafrechtsbereich anerkannt wird. Dazu müssen entsprechende Grenzwerte für die Fahrbeeinträchtigung in Verbindung zur Atemalkoholkonzentration ermittelt und festgesetzt werden. Eine weitere Forderung: Die Polizei soll verdachtsfreie Alkohol- und Drogenkontrollen durchführen können und selbst bestimmen dürfen, wann dabei eine Blutprobe entnommen werden darf. Bislang ist dazu das Einverständnis eines Richters notwendig. Die GdP fordert, diesen so genannten „Richtervorbehalt“ im Bereich von Verkehrsstraftaten abzuschaffen.
Verstärkt gegen „Legal Highs“ im Straßenverkehr vorgehen
Legal Highs enthalten psychoaktive Substanzen und werden als vermeintlich legale Kräutermischungen, Badesalze oder Lufterfrischer angeboten. Ihre Zusammensetzung wird von den Herstellern laufend geändert, die Auswirkungen bei Einnahme sind für den Konsumenten nicht abzuschätzen. Die GdP fordert daher, Legal Highs durch die Unterstellung von Stoffgruppen und nicht als Einzelsubstanzen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufzunehmen. Dadurch lässt sich das Gesetz durch Änderungen in der Zusammensetzung nicht so leicht umgehen. Außerdem soll die Entwicklung von einfach handhabbaren Schnelltests vorangetrieben werden, um Legal Highs bei Kontrollen nachweisen zu können. Denn mit den üblichen Drogenvortests würden die Stoffe häufig nicht erfasst und könnten daher von den Polizisten vor Ort nicht erkannt werden. Aus diesem Grund soll auch die Aus- und Fortbildung der Beamtinnen und Beamten hinsichtlich der Erkennung von Fahrzeugführern, die unter der Wirkung von psychoaktiven Substanzen stehen, bundesweit einheitlich verstärkt werden. Abschließend fordert die GdP eine verpflichtende Präventionsarbeit in Bezug auf die Folgen des Konsums und die Auswirkung von psychoaktiven Substanzen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – insbesondere in Fahrschulen.
Die Polizei soll verdachtsunabhängige Alkoholkontrollen durchführen dürfen
© Gerhard Seybert, fotolia
Gefährdungsstufen auf Medikamentenpackungen
Rund die Hälfte aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirkt sich negativ auf die Fahrtüchtigkeit aus. Viele Menschen wissen dies jedoch nicht und setzen sich und andere einem hohen Risiko aus, wenn sie sich trotz Einnahme hinter das Steuer setzen. Die GdP fordert daher eine Klassifizierung von Medikamenten in vier verschiedene Gefährdungsstufen (1. unbedenklich, 2. Verkehrstüchtigkeit kann eingeschränkt sein, 3. Autofahren nur nach ärztlicher Rücksprache und 4. Autofahren ist nicht mit der Medikamenteneinnahme vereinbar). Dies soll auf der Packung, beispielsweise durch ein Ampelsystem, deutlich gekennzeichnet werden. Außerdem soll der Paragraph 24 a, Absatz 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) um die Anlage „Liste Verkehrstüchtigkeit einschränkender Wirkstoffe“ ergänzt werden. Derzeit ist in dem Paragraphen „die Überprüfung einer nicht bestimmungsgemäßen Einnahme“ nur auf den Drogenkonsum ausgelegt. Ein weiterer wichtiger Punkt: Für Polizeibeamte vor Ort soll ein Leitfaden erstellt werden, in dem Verdachtsparameter einer Medikamenteneinnahme definiert werden. Außerdem sollten generelle Medikamentenschnelltests für die Kontrollen vor Ort bereitgestellt werden. In der Gesellschaft soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit unter Medikamenteneinfluss die gleichen Gefährdungen und Konsequenzen mit sich bringt wie Trunkenheit am Steuer. So soll in der Fahrschulausbildung etwa neben dem Konsum von Alkohol und Drogen auch über die Wirkung von Medikamenten aufgeklärt werden. Die GdP fordert außerdem, dass Ärzte und Apotheker zur Aufklärung der Patienten verpflichtet werden und dies auch dokumentieren.