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Legales Verhalten üben

Seit langem wird heftig diskutiert, wie man mit straffällig gewordenen Jugendlichen umgehen sollte. Viele sehen in längeren Haftstrafen und der Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf zwölf Jahre eine adäquate Lösung, um der Jugendgewalt in Deutschland entgegenzuwirken. Zahlen aus der Rückfallforschung zeigen jedoch, dass der geschlossene Vollzug nicht unbedingt eine nachhaltige Wirkung bietet: Jugendliche weisen nach verbüßter Haftstrafe eine Rückfallquote von etwa 65 Prozent auf. Auch der „Warnschussarrest“ – ein Kurzarrest, der seit 2012 zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe verhängt werden kann – trägt nach aktuellen Erkenntnissen nur unwesentlich dazu bei, Jugendliche von erneuten Delikten abzuhalten. Neben dem Verhängen einer Jugendstrafe haben die Gerichte jedoch auch die Möglichkeit, sozialpädagogische Maßnahmen anzuordnen.

Andreas Guido Spahn

Jugendrichter am Amtsgericht Rudolstadt, © privat

Individuelle Betreuung im Kampf gegen Rückfälle

Die so genannte „Betreuungsweisung“ ist eine pädagogisch intensive Einzelmaßnahme, die noch einen Schritt weiter geht: Ein Betreuungshelfer arbeitet mit dem Jugendlichen ganz gezielt an seinen Problemen, um Rückfälle zu vermeiden. Schwierigkeiten in der Familie, in der Schule oder der Ausbildung, mit dem Freundeskreis oder mit Alkohol und Drogen – all diese Dinge werden dann intensiv und lösungsorientiert bearbeitet. „Die Erfahrungen mit diesem Maßnahmenkatalog sind gut – auch die Untersuchungen über Rückfallquoten zeigen, dass sie mehr bringen als Haftstrafen“, erklärt Andreas Guido Spahn. Natürlich muss bei den Trainings mit qualifiziertem Personal gearbeitet werden, damit sie erfolgreich sind und eine Nachhaltigkeit gewährleistet ist. Außerdem sollten die Trainings mindestens über einen Zeitraum von sechs Monaten stattfinden. „Von Crash-Kursen, die nur wenige Wochen laufen, halte ich gar nichts – das ist einfach nicht effektiv“, so der Jugendrichter.

Strafmündigkeit von Heranwachsenden

Immer wieder fordern Politiker, dass Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nicht mehr nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden sollten. Einen solchen generellen Ausschluss hält Andreas Guido Spahn jedoch für die falsche Herangehensweise. Seiner Meinung nach muss berücksichtigt werden, dass die individuelle Persönlichkeitsentwicklung von Heranwachsenden von der juristischen Volljährigkeit abweichen kann. „Junge Menschen werden vor allem aufgrund verlängerter Schul- und Ausbildungszeiten immer später selbstständig“, erklärt der Jugendrichter. Daher seien die Gründe von Jugendlichen und Heranwachsenden, Straftaten zu begehen, häufig sehr ähnlich. „Im Zweifel sollte immer noch das Jugendstrafrecht angewendet werden können. Die jugendstrafrechtlichen Folgen erlauben es eher, auf individuelle Problemlagen der Angeklagten zu reagieren“, führt Spahn aus.

Möglichst schnell reagieren

Besonders wichtig bei der Arbeit mit straffällig gewordenen Jugendlichen ist die möglichst schnelle Reaktion auf die jeweilige Tat. Durch den Personalmangel bei Polizei und Gerichten ist es häufig jedoch schwierig, umgehend eine passende Maßnahme zu verordnen: „Jugendliche haben ein ganz anderes Zeitempfinden als Erwachsene“, so die Erfahrung von Spahn. „Wenn eine Tat ein Jahr zurückliegt, ist das für junge Menschen wie eine halbe Ewigkeit.“ Die Strafe werde dann gar nicht mehr mit der Tat in Verbindung gebracht. Wenn Jugendgerichte mehr Personal zur Verfügung hätten, könnte schneller reagiert werden. Dann könnte eingegriffen werden, bevor sich immer weitere Vorwürfe sammeln und Personen zu Intensivtätern werden. Der Rudolstädter Richter hält auch die Forderung vieler Politiker für problematisch, die Strafmündigkeit von Jugendlichen von derzeit 14 auf zwölf Jahre zu senken. Dies sei auf der einen Seite unnötig, da auch das für Kinder zuständige Familiengericht genügend Möglichkeiten hätte, auf straffällige Kinder Einfluss zu nehmen – bis hin zur Unterbringung in einem geschlossenen Jugendheim. Auf der anderen Seite hätte die Senkung zur Folge, dass die Jugendgerichte mit Bagatelldelikten überflutet würden. „Bei Kindern bis 13 Jahre handelt es sich bei den Vergehen in der Regel um kleinere Sachbeschädigungen oder Ladendiebstähle. Das Personal an den Jugendgerichten würde dadurch nur noch mehr belastet.“

MW (31.03.2017)

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