< Zeit, Schluss zu machen

Raus aus der rechten Szene

Gabriel L. bewegte sich 13 Jahre in rechtsextremen Kreisen und war sechs Jahre lang Mitglied der organisierten Neonazi-Szene. Er war Mitbegründer der mittlerweile verbotenen „Berliner Alternative Süd-Ost“ und des „Märkischen Heimatschutzes“ in Berlin, der in Brandenburg zu den größten Neonazi-Verbänden zählte. Im Jahr 2005 entscheidet sich L. für den Ausstieg aus der Szene.

Aussteigerprogramm „Exit“ hilft Ex-Rechtsradikalen beim Neuanfang


Der rechten Gewalt den Rücken kehren

© muehlberg, fotolia

 

Gabriel L. bewegte sich 13 Jahre in rechtsextremen Kreisen und war sechs Jahre lang Mitglied der organisierten Neonazi-Szene. Er war Mitbegründer der mittlerweile verbotenen „Berliner Alternative Süd-Ost“ und des „Märkischen Heimatschutzes“ in Berlin, der in Brandenburg zu den größten Neonazi-Verbänden zählte. Im Jahr 2005 entscheidet sich L. für den Ausstieg aus der Szene. 

Sein Entschluss, den Nazis den Rücken zu kehren, kommt nicht plötzlich, sondern reift über mehrere Monate. Zweifel kommen auf, er entdeckt Widersprüche, die er nicht mehr verdrängen kann: Der nationale Stammtisch beim Kroaten oder Chinesen, bei dem kräftig über Asylmissbrauch diskutiert wird oder der Kameradschaftsführer, der am Abend nach Polen ins Bordell fährt. Floskeln über Treue und Familie von Männern, die zu ihren Kindern weder Kontakt haben noch Unterhalt bezahlen. 

Der Tropfen, der das Fass letztendlich zum Überlaufen bringt, ist ein Vorfall im Jahr 2005. Zwei junge Männer aus der alternativen Szene Potsdams werden fast totgeschlagen – unter den Tätern sind mehrere Personen, die Gabriel L. gut kennt. Die Polizei bittet ihn im Namen eines Inhaftierten, Kleidung in die Haftanstalt zu bringen, woraufhin er zu der Mutter des Täters fährt, um ein paar persönliche Sachen abzuholen. Ihn erwartet eine völlig aufgelöste Frau, die ihn unter Tränen mit seiner Mitschuld konfrontiert: „Sie haben meinem Sohn das Leben kaputt gemacht!“, sagt sie. L. bekommt diesen Satz nicht mehr aus dem Kopf. Ihm wird bewusst, dass er so nicht weitermachen will. Er wendet sich an das Berliner Aussteiger-Programm „Exit“, das Neonazis beim Ausstieg aus der rechten Szene unterstützt.

Gründer und Leiter von Exit ist der ehemalige Polizeibeamte Bernd Wagner. Er beschreibt die Situation, in der sich Aussteiger befinden so: „Wenn sich jemand entscheidet, aus der Szene auszusteigen, ist er erst einmal in einer schwierigen Lage, die sämtliche Lebensbereiche betrifft. Da ist die Gefahr, die von ehemaligen Kameraden ausgeht, der soziale Druck sowie die Verarbeitung der Vergangenheit – gerade dann, wenn schwere Straftaten wie Körperverletzung oder gar Mord begangen wurden. Wir versuchen dann, ganz konkrete Hilfestellung zu geben.“ Ganz wichtig sei dabei, den Ausstieg genau zu planen, um die Loslösung aus der Gruppe so schonend wie möglich zu gestalten. Dies funktioniere nur, wenn man die Strukturen der betreffenden Nazi-Organisation genau kenne und wisse, wie sie agiere, so der Ex-Polizist. 

Mit dem Aussteiger werden dann ganz konkrete Maßnahmen und detaillierte Handlungsanweisungen erarbeitet, die sich von einer Meldesperre bei Ämtern, einem Umzug, bis hin zu einer Namensänderung erstrecken können. „Es kommt aber natürlich auf den Gefährdungstyp an, also auf die individuelle Stellung, die die Person innerhalb der Gruppe hatte. Ein Mitglied, das nur ein paar Mal auf einer Veranstaltung war, nicht weiter aufgefallen ist und von dem niemand weiß, wo es wohnt, hat nicht unbedingt ein Problem. Aber bei Personen, die in der Mitte einer Organisation gestanden haben – vielleicht sogar auf Führungsebene – sieht die Sache anders aus. Die müssen sofort aus dem Umfeld raus und es sind umgehend grundsätzliche Sicherheitsfragen zu klären. Hier kann man nicht herumprobieren und „mal versuchen, ob das klappt“, erklärt Wagner. Exit hilft in diesem Zusammenhang auch im Umgang mit den Ämtern. Denn wenn man als Aussteiger bedroht werde, müsse man dort erst einmal klar machen, dass man auch wirklich in Gefahr ist – und das sei oft nicht einfach.  

Das Exit-Logo

© Exit Deutschland

Auseinandersetzung mit Ex-Kameraden und der eigenen Vergangenheit

Aussteiger aus der rechtsextremen Szene werden von ihren ehemaligen Kameraden als Verräter angesehen. Bestrafungsaktionen sind daher üblich. „Wenn man diese Gefahr der Selbstjustiz nicht ernst nimmt, hat man schneller einen Schwerverletzten, als man gucken kann“, weiß der Exit-Gründer. „Wir haben es schon erlebt, dass Aussteiger überfallen und misshandelt wurden – sowohl im Gefängnis als auch draußen. Zum Teil fahnden die rechtsextremen Gruppen richtiggehend nach den Aussteigern und setzen alle Hebel ihres Netzwerks in Bewegung, um an den Betroffenen heranzukommen. Sie scheuen sich auch nicht, bei der Rentenversicherung oder der Krankenkasse anzurufen, um an den Aufenthaltsort des Ex-Kameraden zu kommen.“

Aber auch bei der Aufarbeitung von begangenen Taten versucht Exit zu helfen, beispielsweise in Gestalt eines Täter-Opfer-Ausgleichs. Denn die psychische Belastung ist zum Teil groß, die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten unerlässlich. Während der Zeit als Rechtsextremist seien Gewaltdelikte wie jegliche Form der Körperverletzung, Raub, Drogen- und Propagandadelikte oder auch rund um das Thema Bombenbau bis hin zu Mord nichts Ungewöhnliches, erklärt Wagner. „Ein Ausstieg kann immer nur ganz erfolgen – oder gar nicht. Dazu gehört aber eben auch, dass man zu seinen Taten steht und sich mit den Konsequenzen auseinandersetzt. Daran führt kein Weg vorbei. Und auch wenn gewisse Taten einen nie mehr verlassen, weil sie einfach zu schlimm waren, geht es den Aussteigern danach besser. Weil sie irgendwann mit diesem Leben abschließen können.“

Aussteiger müssen sich mit ihrer Vergangenheit auseinadersetzen.

© Olga Lyubkin, fotolia

Hilfe für Angehörige

Exit bietet aber nicht nur Aussteigern Hilfe an, sondern kümmert sich auch um Angehörige, die befürchten, dass jemand aus der Familie ins rechtsextreme Milieu abrutscht. Hier gibt es oft massive Konflikte, weil man an die betreffende Person kaum noch herankommt. Es gilt, einen Ansatzpunkt zu finden, um wieder einen Zugang zu bekommen, ein Szenarium zu bilden, in dem man wieder miteinander reden kann. Konkret kann dies sehr unterschiedlich aussehen, da die Vorgehensweise ganz individuell abgestimmt wird. „Wir hatten einmal den Fall, dass eine Mutter Probleme mit ihrem 14-jährigen Sohn hatte, weil er seit einiger Zeit der rechtsextremen Szene angehörte. Wir haben dann gefragt, wovon der Junge denn vorher so geträumt hat. Sie berichtete uns, dass er immer schon gerne mal eine Kreuzfahrt machen wollte. Wir konnten es dann so arrangieren, dass seine Oma ihn zu einer solchen Fahrt eingeladen hat. Bedingung dazu: Er muss sich angemessen kleiden und benehmen. Es hat tatsächlich funktioniert. Er war von der Gruppe erst einmal isoliert, hat sich die Haare wachsen lassen und hat gemerkt, das so auch die Mädchen an ihm Interesse haben und mit ihm flirten. Das hat ihm natürlich gut gefallen und er hatte plötzlich gar kein Interesse mehr an seinen rechtsextremen Aktivitäten“, erzählt Wagner.

Ex-Nazis klären auf

Nicht selten wenden sich auch öffentliche Stellen wie Polizei, Schule oder Jugendeinrichtungen an die Organisation. Anfragen kommen zum Teil schon von Lehrern aus sechsten Schulklassen – etwa weil Schüler anfangen, spezifische Kleidung zu tragen, rechtsradikale Musik zu hören oder fremdenfeindliche Kommentare im Unterricht abzugeben. Hier arbeitet Exit mit Aussteigern aus der rechtsradikalen Szene zusammen. Diese gehen in die Klassen und berichten, wie sie in die Szene gelangt sind und warum sie letztendlich ausgestiegen sind. „Ehemalige Nazis können das natürlich ganz anders darstellen und werden von den Schülern eher akzeptiert. Die Schüler fragen nach und es entstehen intensive Diskussionen. Auch die rechtsorientierten Schüler nehmen daran teil und werden häufig zum Nachdenken angeregt, wenn nicht sogar zur Einsicht gebracht“, weiß der Ex-Polizist.

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