Mehr als nur ein Busfahrkurs
Bochumer und Gelsenkirchener Senioren lernen, den ÖPNV sicher zu nutzen
Die praktische Schulung erfolgt im Bus
© BOGESTRA
In Bochum und Gelsenkirchen werden pro Jahr rund 500 Senioren fit für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gemacht. Das örtliche Verkehrsunternehmen, die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (Bogestra), führt in beiden Städten jeweils zehn Fortbildungen durch: Praktisch orientiert und auf den jeweiligen Ortsteil zugeschnitten. Eine beispielhafte Zusammenarbeit des Verkehrsunternehmens, der Polizei, der Städte und der Verkehrswacht.
Die Initialzündung für die ersten Kurse unter dem Titel „Älter werden – sicher unterwegs in Bus und Bahn“ bildeten die hohen Unfallzahlen des Jahres 2007: Damals waren in Bochum und Umgebung 110 Senioren als Fußgänger oder Pkw-Fahrer in Unfälle verwickelt. Das sollte sich ändern. „Außerdem werden die Menschen generell immer älter und sie sind dabei mobiler“, meint Gunnar Cronberger, Fachreferent für strategische Sicherheit bei der Bogestra: „Darauf müssen wir uns einstellen.“ Dass diese Kurse sinnvoll und notwendig sind, zeigt sich an der großen Nachfrage in Bochum und Gelsenkirchen. Der Kurs besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Die Gruppe wird jeweils mit dem Bus in ihrem Stadtviertel abgeholt. In Räumen des Verkehrsunternehmens steht erst einmal ein Gespräch auf der Tagesordnung. Mit dabei: Ein Verkehrspolizist und auch ein Busfahrer. „Der besitzt als Mann der Praxis bei den Senioren eine hohe Glaubwürdigkeit. Viele Fragen richten sich an ihn“, weiß Gunnar Cronberger.
Sehen und Gesehenwerden
Die Trainer machen den Teilnehmenden erst einmal klar, dass man trotz Fitness im Alter auch akzeptieren muss, dass es gewisse Einschränkungen gibt. „Wir demonstrieren ihnen beispielweise, wie sich der Sehwinkel im Alter verkürzt“, erläutert Cronberger. Deswegen kann man Sachen aus den Augenwinkeln nicht mehr gut wahrnehmen und muss anders schauen. Aber auch das Gesehenwerden ist wichtig: Das kann man beispielsweise mit heller Kleidung oder mit retroreflektierenden Materialien an der Kleidung erreichen. Anhand von Fotos wird vorgeführt, was ein Autofahrer sieht, wenn eine unauffällig gekleidete Person vor ihm auftaucht. „Die Fotos, die wir verwenden, hat die Polizei nach Möglichkeit genau in dem Stadtteil aufgenommen, aus dem die Senioren kommen. Sie sehen dann: Das ist die Straße, wo auf der einen Seite das Ärztehaus und auf der anderen Seite die Fleischerei liegt.“ Dadurch können sich die Teilnehmenden direkt in die Situation hineinversetzen.
Beobachtungen der Senioren werden aufgegriffen
Immer bleibt auch genug Zeit für Fragen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Denn aus dem Kreis der Senioren kommt so manche Anregung. Wenn sich in ihrem Stadtteil beispielweise aufgrund einer Baustelle eine Überquerungssituation komplett geändert hat, haben Senioren dadurch möglicherweise Schwierigkeiten: „Da die Trainer die Informationen und Erkenntnisse schnell und einfach an die Städte weitergeben, konnte schon häufiger eine solche Anregung kurzfristig umgesetzt und so die Sicherheit für die Senioren im Stadtteil erhöht werden“, berichtet der Präventionsexperte.
Kriminalprävention wird ebenfalls gemacht: Vor allem wird vor Taschendiebstählen gewarnt. Gunnar Cronberger will jedoch keine unberechtigten Ängste wecken: „Ich habe es noch nie erlebt, dass ein älterer Mensch in einer unserer Straßenbahnen oder im Bus wirklich Opfer einer schweren Straftat geworden wäre. In dieser Hinsicht sind die Senioren mit Bussen und Bahnen sehr sicher unterwegs.“
Nach der Theorie und der Beantwortung aller Fragen der Senioren geht es schließlich zum praktischen Teil: Dafür steht dann der Bus der Verkehrsbetriebe samt Fahrer zur Verfügung. Dann wird in aller Ruhe und unter Anleitung beispielsweise das Einsteigen mit dem Rollator in den Bus geübt. Gunnar Cronberger: „Dabei ist es egal, ob man vorwärts oder rückwärts in den Bus hereinfährt. Wichtig ist, dass man es sicher macht.“ Gerade der praktische Teil hat schon zu so manchem Aha-Erlebnis bei den Teilnehmenden geführt.
Häufige Fehler von Senioren im ÖPNV
- Sie suchen im fahrenden Fahrzeug lange nach dem besten Sitzplatz.
- Sie halten sich nicht fest.
- In den Stadtbahnstationen nutzen sie mit ihren Rollatoren die Fahrtreppen.
- Sie überladen ihren Rollator als Gepäckträger. Dadurch haben sie ihn beim Ein- und vor allem beim Aussteigen in den Bus oder die Bahn nicht mehr im Griff.
- Sie nutzen den Rollator als Sitzplatz im Bus oder in der Bahn. Bei überraschenden Bremsmanövern ist das jedoch extrem unsicher.
- Sie machen die Feststellbremse des Rollators nicht fest. Muss das Fahrzeug bremsen, wird der Rollator zu einem gefährlichen Geschoss.
- Sie zeigen allen Mitfahrenden ungewollt beim Fahrscheinkauf am Automaten, im Bus oder in der Bahn, wie viel Geld sie bei sich tragen.
Tipps für Senioren im ÖPNV
- Nutzer von Rollatoren sollten an den Haltestellen mit den Aufzügen fahren und nicht auf der Rolltreppe.
- Der erste freie Sitzplatz ist der beste, auch wenn man einmal gegen die Fahrtrichtung sitzen muss.
- Sagen Sie dem Fahrer beim Einsteigen Bescheid, wenn Sie unsicher zu Fuß sind.
- Stellen Sie den Rollator auf den dafür vorgesehenen Flächen im Bus ab, ziehen Sie die Feststellbremse an und suchen Sie den nächstgelegenen Sitzplatz.
- Wenn Sie am Automaten im Bus eine Fahrkarte kaufen, hantieren Sie nicht offen mit Ihrer Geldbörse.
- Setzen Sie sich am besten auf einen Platz am Gang. Sollte Ihr Sitznachbar unangenehm werden, können Sie einfach aufstehen und den Platz wechseln.
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