Der Einsatz von V-Männern
Mehr Schaden als Nutzen?
Ein V-Mann unterstützt Strafverfolgungsbehörden ohne ihnen anzugehören
© Yevgeniya Ponomareva, fotolia
Können V-Männer den Staat bei der Aufklärung von rechtsextremen Straftaten und bei der Verhinderung künftiger Straftaten unterstützen? Diese Frage wird seit der Aufdeckung der Morde durch die rechtsextreme Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) im November 2011 viel diskutiert. Denn die drei Terroristen waren trotz des Einsatzes von V-Männern in der rechtsextremen Szene jahrelang unentdeckt geblieben. Auch bei dem Verfahren, ein Verbot der rechtsextremen NPD zu erwirken, spielten V-Männer im Jahr 2003 eine entscheidende Rolle. Sie waren am Ende einer der Gründe, warum das Verfahren eingestellt wurde. Die Tätigkeiten und der Einsatz von V-Männern in der rechtsextremen Szene wurden inzwischen „abgeschaltet“.
Was ist ein V-Mann?
Ein V-Mann ist eine Vertrauensperson, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten vertraulich zu unterstützen. Dazu gehören gelegentliche Informanten, die berufsbedingt, zum Beispiel als Taxifahrer oder Gastwirt, Erkenntnisse erlangen, die für die Polizei von Interesse sein können, aber auch Personen, die dem kriminellen Milieu angehören oder angehört haben. Ihre Identität wird grundsätzlich geheim gehalten. Die gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Leuten bilden die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum sich jemand als V-Mann anwerben lässt: Einigen geht es um Rache oder um die Aussicht, dass der Staat ihre begangenen Straftaten nicht verfolgt, weil sie mit ihren Aussagen helfen, etwa Rechtsextremismus zu bekämpfen. Ein Beweggrund kann aber auch finanzielles Interesse sein, denn die V-Männer erhalten in der Regel ein Honorar. Wie hoch das jeweils ist, bleibt aber meist geheim.
Wachsende Kritik
Der Einsatz von V-Männern in der rechtsextremen Szene war von Anfang an umstritten. Es war nie ganz klar, ob sie wirklich die Rolle erfüllen, die der Verfassungsschutz für sie vorgesehen hat, oder ob sie ein falsches Spiel spielen und ein hohes Ansehen in der rechtsextremen Szene genießen. Die beiden Duisburger Rechtsextremismus-Experten Martin Dietzsch und Alfred Schobert legten bereits im Jahr 2002 eine Studie zum Einsatz von V-Männern vor. Ihr Titel: „V-Leute bei der NPD. Geführte Führende oder Führende Geführte?“. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Spitzel der NPD keinen Schaden zugefügt, sondern ihr im Gegenteil sogar genutzt hätten. Sie hätten in ihrem politischen Handeln ganz klar den Kurs der NPD verfolgt. Gerade wegen ihrer antisemitischen und rassistischen Hetze hätten diese V-Männer viel Vertrauen in der NPD genossen. Nicht der Verfassungsschutz habe die NPD gesteuert, sondern man müsse sich umgekehrt fragen, ob nicht der Verfassungsschutz von NPD-Funktionären manipuliert worden sei.
NPD-Verbot an V-Männern gescheitert
Weil die NPD undemokratische und verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, gab es in der Vergangenheit mehrfach die Forderung, sie als Partei zu verbieten. Die Verfahren dazu fanden von 2001 bis 2003 sowie von 2013 bis 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht statt. Beim ersten Verfahren sorgte der Einsatz von V-Männern in der rechtsextremen Szene für viel Diskussionsbedarf. Während Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat betonten, die bezahlten Informanten des Staates würden nicht zur Radikalisierung der Partei beitragen und sich im Hintergrund halten, wurde genau dies von mehreren Richtern am Bundesverfassungsgericht anders eingeschätzt. Auch war herausgekommen, dass sich die Beweise gegen die NPD teilweise auf Aussagen von V-Leuten des Verfassungsschutzes stützten. Daher wurde der Antrag auf ein Verbot der NPD wegen Verfahrensfehlern eingestellt.
V-Männer „abgeschaltet“
Nach dem Bekanntwerden der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im Jahr 2011 wurden von Politik und Öffentlichkeit erneut Forderungen gestellt, die NPD zu verbieten. Auch die Rolle von V-Männern geriet dabei erneut in die Kritik, da die Taten der Terroristen trotz des Einsatzes von V-Männern in der rechtsextremen Szene unentdeckt blieben. Der Bundesrat nahm am 14. Dezember 2012 einen neuen Anlauf für ein Verbot der NPD. Diesmal sollte sichergestellt werden, dass das Verfahren nicht daran scheitert, dass sämtliche Beweise von V-Männern erbracht werden. Dafür forderte das Bundesverfassungsgericht den Bundesrat im März 2015 dazu auf, Beweise vorzulegen, dass alle Tätigkeiten von V-Personen in den Parteigremien der NPD „abgeschaltet“ wurden und auch kein Kontakt mehr zu ihnen besteht. Um die abgeschalteten V-Leute vor Racheakten seitens der NPD zu schützen, wurden ihre Namen in den Beweisprotokollen geschwärzt. Nach Vorlage der Beweise im Mai 2015 wurden die Verhandlungen im Dezember 2015 eröffnet. Im Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht das abschließende Urteil: Darin erklärt es die Ziele der NPD zwar für verfassungsfeindlich, lehnt aber den Verbotsantrag ab. Die Begründung: Für ein Parteiverbot sei die NPD einfach nicht erfolgreich genug. Auch wenn das NPD-Verbotsverfahren damit erneut gescheitert ist, hat der Prozess immerhin für Klarheit in Bezug auf V-Männer in der rechtsextremen Szene gesorgt. Ihr Einsatz wurde nachhaltig eingestellt.
FL (29.09.2017)
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