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Auf dem Weg zu einem besseren Miteinander

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) ist ein Zusammenschluss von Fußballfanprojekten in Deutschland, die präventive sozialpädagogische Arbeit mit jugendlichen und heranwachsenden Fußballfans leisten. Einer ihrer Bundessprecher ist Thomas Beckmann vom Fanprojekt bei Mainz 05. In der BAG sind 50 dieser Projekte zusammengeschlossen.

Fanprojekte vermitteln zwischen Fans und Polizei

Ordner kontrollieren Fans

© Liedtke, VDP

 

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) ist ein Zusammenschluss von Fußballfanprojekten in Deutschland, die präventive sozialpädagogische Arbeit mit jugendlichen und heranwachsenden Fußballfans leisten. Einer ihrer Bundessprecher ist Thomas Beckmann vom Fanprojekt bei Mainz 05. In der BAG sind 50 dieser Projekte zusammengeschlossen.

Herr Beckmann, lassen Sie uns über einige „offene Baustellen“ reden, die Ihnen aus Sicht der Fanprojekte an den Fußballwochenenden auffallen. Das fängt mit der An- und Abreise an…

Die An- und Abreise ist eine wichtige Baustelle, um potentielle Konfliktsituationen zu entschärfen. Die Bahn und die Bundespolizei wissen meist, mit welchem Zug der harte Kern der Fans fahren wird. Die Bahn muss zum Beispiel gewährleisten, dass mehr als eine Toilette im Zug benutzbar ist. Das ist leider nicht immer der Fall und sorgt regelmäßig für Unmut. Kein Wunder, dass sich Fans auf langen Fahrten andere Wege überlegen, wenn sie nicht mehr anders können. Dabei geht es übrigens nicht nur um Bierkonsum, auch ich als Sozialarbeiter muss mal auf die Toilette, auch wenn ich nur Wasser trinke. Dann stehe ich vor demselben Problem.

Eine weitere Anregung: Damit es nicht so eng wird, sollten einige Wagons mehr angehängt werden. Außerdem gehören ein paar große blaue Müllsäcke in jeden Wagon, da die regulären Abfallbehälter viel zu klein sind und Müll somit in der Regel umherfliegt.

Ich bin ein großer Fan von Sonderzügen. Dort muss die Bundespolizei nicht mitfahren, da in diesen Zügen der Ordnungsdienst der Vereine zuständig ist. Vereine mit langer Sonderzugtradition (z.B. Bochum, Bielefeld) haben da, und das bestätigt dort auch die Bahn, langfristig gute Erfahrungen gemacht.

Allerdings stimmt auch: Einige Fans benehmen sich immer wieder daneben, wenn sie Bahn fahren. Respekt und Akzeptanz gegenüber Personen, aber auch Gegenständen nimmt leider generell ab – gerade bei Jugendlichen.

Es gibt noch einige andere Dinge, über die sich Fans beschweren – zum Beispiel den Umgang mit dem Thema Stadionverbot…

Stadionverbote werden teilweise für Verfehlungen gegeben, die eigentlich Lappalien sind. Dazu gehören das Urinieren am Zaun oder verbale Äußerungen. Das sind für mich keine Gewalttaten. Es geschehen nur wenige wirklich strafrechtlich relevante Dinge. Als Vertreter der Fanprojekte sind wir für ein Anhörungsrecht von Fans, denen ein Stadionverbot droht. Die Vereine sollen sich anhören, was die Fans zu den Verfehlungen zu sagen haben und dann erst eine Entscheidung treffen. Die Akzeptanz für Stadionverbote in der Fanszene würde erhöht und es wäre auch leichter zu vermitteln, wenn die Verbote nur bei wirklich schweren Delikten (schwerer Raub, Körperverletzung u.ä.), evtl. bei gleichzeitiger rechtskräftiger Verurteilung, wirksam würden, ansonsten sollten die bundesweiten Stadionverbote, wenn überhaupt, immer auf Bewährung ausgesprochen werden. Der DFB hat das maximale Stadionverbot von ehemals fünf Jahren jetzt deutlich reduziert. Das ist gut. Denn für einen 17-Jährigen ist ein fünf Jahre währender Ausschluss eine Katastrophe. 

  

Wie wichtig sind Treffen zwischen Fanvertretern und den Ordnungskräften im Vorfeld problematischer Spiele?

In vielen Städten finden neben den regulären Organisationsbesprechungen vor so genannten Problemspielen zusätzliche Sicherheitsbesprechungen statt. Mit allen Vertretern beider Vereine, die rund um ein Spiel involviert sind und wichtige Informationen geben können. Man tauscht sich aus und überlegt im Vorhinein, wie man Situationen entschärfen kann. Man lernt sich kennen, tauscht Telefonnummern aus und wenn Situationen aus dem Ruder zu laufen drohen, kann man sich anrufen und deeskalierende Möglichkeiten durchsprechen. Hier in Mainz gibt es diese Besprechungen regelmäßig. Und wir arbeiten daran, dass das auch an möglichst vielen anderen Standorten umgesetzt wird. 

Thomas Beckmann

© Fanprojekt Mainz e.V.

Wie steht es um das gegenseitige Verständnis von Fans und Polizei?

Das Verhältnis zwischen Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen und der Polizei ist sehr belastet. Da befinden wir uns in einer Art Spirale der gegenseitigen Ablehnung. Eine wichtige Funktion der Fanprojekte ist es, das aufzubrechen. Wir versuchen, in die Fanszene hereinzutragen, warum die Polizei so agiert, wie sie das tut. Denn in der überwiegenden Zahl der Fälle muss sie so reagieren, wie sie es tut. Auch der Polizei gegenüber stellen wir das Verhalten und Auftreten der Fußballfans dar und wollen für Verständnis werben. Jedoch ist nicht überall Gesprächsbereitschaft vorhanden. Hier in Mainz hat die Polizei aber ein offenes Ohr. Zum Beispiel wenn es um die Reduzierung der Masse der Einsatzkräfte geht. Weniger ist mehr. Selbst wenn viele Beamte im Einsatz sind, müssen die nicht unbedingt öffentlich zu sehen sein. Unsere Erfahrung zeigt: Wenn Polizei unbehelmt auftritt und die Hunde im Hintergrund gehalten werden, gibt es weniger Stress. Einsatzleiter haben da eine ganz schwierige Verantwortung. Unbehelmte Polizisten könnten natürlich leichter verletzt werden. Aber Fußballfans auswärts generell als potenzielle Gewalttäter zu empfangen, das kann auch nicht die Lösung sein.

Welches Verhalten von Polizisten regt die Fans zurzeit eigentlich am meisten auf?

Besonders auswärts gibt es eine Art Gängelung durch die Polizei, wo Fußballfans dann z. B. oftmals auch einfach geduzt werden. Wenn man in der Gruppe geht, wird man in die Seite gestoßen. Wenn man hinten läuft, was wir häufig als Fanprojektvertreter machen, bekommt man immer mal wieder einen Arm in den Rücken gedrückt. Nach dem Motto: „Geht doch schneller!“ Wenn man aber zurück duzt oder um Zurückhaltung bittet, kommt häufig die Androhung: „Sie haben mich nicht zu duzen, ansonsten nehmen wir Sie mal mit zur Personalienfeststellung.“ Das ist schade. Es gibt so viele gute Beispiele von guter Fanbegleitung durch die Polizei, wenn es denn eine Kommunikation gibt. Hannover wird da immer berechtigterweise als Vorbild gesehen. Dort gibt es die so genannten Konfliktmanager, die dann direkt das Gespräch suchen. Wenn Fangruppen von den Bussen nicht von großem Polizeiaufgebot in den Gästeblock begleitet werden, sondern von einzelnen gekennzeichneten Beamten, die ihnen sagen: Hier geht’s lang, da geht’s hoch, dann signalisiert das Lockerheit und vermittelt den Fans das Gefühl, als Gast willkommen zu sein. Das funktioniert und ist erfolgreich.

Oft ist es auch so, dass beim Umgang mit Gästefans jeder Einsatzleiter seine eigene Sicherheitsphilosophie umsetzt, was zu sehr ungleichen Szenarien je Standort führen kann. Das erzeugt bei den Fans keine Verhaltenssicherheit. Außerdem unterscheiden sich die Fanszenen in ihrem Verhalten. Positives Verhalten sollte demnach auch durch die Art der polizeilichen Einsatzmaßnahmen honoriert werden. Das funktioniert durchaus als positive Verstärkung und wird von den Fans auch so wahrgenommen. Demnach dürfen sich dann auch Fanszenen, die sich daneben benehmen, nicht über freiheitseinschränkende Maßnahmen wundern, natürlich immer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Den szenekundigen Beamten fällt hier sicherlich eine bedeutende Aufgabe zu, solche Dinge zu kommunizieren.

Es ist generell einfach wichtig, dass man zu einem besseren Miteinander kommt.

Dafür setzen sich die sozialpädagogischen Fanprojekte sowohl auf Fan- als auch auf Polizeiseite verstärkt ein.

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