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Ausgebrannt

Die Anzahl der durch Überbelastung und Stress erkrankten Lehrer nimmt seit Jahren stetig zu. In der Hauptstadt Berlin fallen nach Angaben der Lehrergewerkschaft GEW 1.500 Lehrer langfristig aus – die meisten wegen des Burn-out-Syndroms. Bundesweit gehen rund 5.000 bis 6.000 Lehrer jedes Jahr in Frühpensionierung, bei jedem zweiten von ihnen ist laut einer Studie der Universität Erlangen-Nürnberg eine psychische Erkrankung der Grund.

Lehrer an der Grenze der Belastbarkeit

Viele Lehrer fühlen sich in ihrem Beruf ausgebrannt

© CC-Verlag

 

Die Anzahl der durch Überbelastung und Stress erkrankten Lehrer nimmt seit Jahren stetig zu. In der Hauptstadt Berlin fallen nach Angaben der Lehrergewerkschaft GEW 1.500 Lehrer langfristig aus – die meisten wegen des Burn-out-Syndroms. Bundesweit gehen rund 5.000 bis 6.000 Lehrer jedes Jahr in Frühpensionierung, bei jedem zweiten von ihnen ist laut einer Studie der Universität Erlangen-Nürnberg eine psychische Erkrankung der Grund.

Charlotte H. ist frustriert. Trotz vieler nächtlicher Sonderschichten für die Unterrichtsvorbereitung hat es die Gesamtschullehrerin nicht geschafft, den im Englisch-Lehrplan vorgesehenen Stoff in den Unterrichtsstunden durchzubekommen. Aufgehalten von unruhigen oder unmotivierten Schülern ist der Unterricht längst nur noch ein Teilaspekt ihrer Arbeit. Genauso viel Zeit wie die Vermittlung von Shakespeare und Co. nimmt die Betreuung von auffällig gewordenen Kindern, die Elterngespräche, Diskussionen mit Polizei und Jugendämtern, Konferenzen sowie die Umsetzung neuer bürokratischer Vorgaben durch das Schulministerium ein. Der Stress der jungen Lehrerin ist so groß, dass sie unter Herzrhythmusstörungen, heftigen Kopfschmerzen und einem zeitweise auftretenden Tinnitus leidet. Der Hausarzt attestiert Charlotte H. den Beginn eines Burn-outs und rät zu mehr Auszeiten – und das mit erst 35 Jahren. In einer Fernsehdokumentation des ZDF spricht sich die Pädagogin den Frust von der Seele und bricht damit ein Tabu, denn noch immer bekennt sich kaum ein Lehrer zu den Folgen der psychischen Belastungen seines Jobs.

Frank Berndt, Spezialist und Experte für Burn-out und Burn-out-Prävention

© privat

Lehrer leiden öfter unter einem Burn-out

„Mitarbeiter in sozialen Berufen sind am häufigsten vom Burn-out-Syndrom betroffen“, sagt Frank Berndt. Er hat eine Fachberatung für Burn-out gegründet und ist der Autor des Buches „30 Minuten gegen Burn-out“. Unter dem „Ausgebranntsein“ versteht die Psychoanalytik den Zustand außerordentlicher emotionaler Erschöpfung. Im Verlauf eines Burn-outs komme es zu einem dramatischen Abbau der emotionalen, sozialen, intellektuellen und körperlichen Leistungsfähigkeit, so Berndt. Dass die Krankheit besonders häufig Lehrer trifft, hat vielfältige Gründe: Nicht nur der andauernde Lärm und der erhöhte Arbeitsaufwand sind wichtige Faktoren, sondern auch die veränderte Wahrnehmung und Wertschätzung der Berufsgruppe insgesamt. Die Zeiten, in denen Lehrer ein von allen Seiten geachteter Beruf war und die Pädagogen von Eltern und Schülern respektiert wurden, sind längst vorbei.

  

Die Symptome folgen einer Kette

Ein derart spannungsgeladenes Arbeitsumfeld fördert die Entstehung von psychischen Erkrankungen wie dem Burn-out-Syndrom. Dass unter den gleichen widrigen Bedingungen aber nicht alle Lehrer ausbrennen, ist ein Hinweis darauf, dass auch die Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen eine große Rolle spielt. „Das Burn-out-Syndrom betrifft zumeist sehr engagierte und motivierte Menschen. Menschen, die etwas erreichen wollen und dafür bereit sind, auch über ihre Ressourcen hinaus zu investieren“, sagt Frank Berndt. Die Frage „Wann ist genug, genug?“, stellt zahlreiche engagierte Lehrer vor große Probleme. Privat- und Arbeitsleben verschmelzen, Stress und Leistungsdruck nehmen überhand – so lange, bis der Mensch emotional kollabiert. Berndt: „Ein Burn-out entsteht nicht über Nacht, sondern über einen relativ langen Zeitraum. So mancher ist dabei, auszubrennen, und merkt es selbst noch gar nicht. Es gibt Studien unter Lehrern, die darauf hindeuten, dass sich in Deutschland fast bei jedem dritten Lehrer Symptome zeigen, die auf eine ernsthafte Burn-out-Erkrankung hinweisen.“ Der schleichende Zusammenbruch gleicht den Abläufen einer Kettenreaktion: Zunächst ändert sich die Gefühlslage des Betroffenen. Der Idealismus geht stückweise verloren, Desillusion und Frustration können die Folge sein. Typische Symptome sind aber auch eine zunehmende Reizbarkeit, depressive Reaktionen und ein Gefühl der Leere. Durch das emotionale Ungleichgewicht kommen auch soziale Beziehungsgeflechte ins Wanken. Private Kontakte werden zur Belastung und auch Ehe- und Familienprobleme sind im Rahmen der Erkrankung keine Seltenheit. Der Verlust emotionaler und sozialer Leistungsfähigkeit führt nicht selten zu einem Zustand permanenter Überforderung am Arbeitsplatz. Als Konsequenz wird es für den betroffenen Lehrer immer schwieriger, sich auf die Schüler und ihre Probleme einzulassen. Dazu kommen individuelle Krankheitsanzeichen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Entscheidungsschwäche oder Antriebslosigkeit. Aufgrund der psychischen Probleme erleiden die Betroffenen zudem körperliche Beschwerden: Beispielhaft sind Schlafstörungen, Albträume, Kopfschmerzen und ein geschwächtes Immunsystem.

Bei einer Burn-out-Erkrankung sollte sich der Betroffene ärztliche Hilfe suchen

© CC-Verlag

Durch Präventionsarbeit können Burn-outs verhindert werden

Frank Berndt bietet Präventions-Workshops für komplette Lehrerkollegien an und steht für einen möglichst individuellen Beratungsansatz: „Es geht darum, den inneren Antreiber zu entlarven, eigene Motive zu durchschauen und wirksame Strategien zu entwickeln und einzuüben, um trotz der widrigen Umstände in guter Balance leben zu können.“ Ist es für vorbeugende Maßnahmen schon zu spät und ein Lehrer bereits von schwerwiegenden Symptomen betroffen, ist eine psychologische Beratung und ein spezielles Coaching in enger Kooperation mit Ärzten und stationären Einrichtungen angeraten. So weiß auch Charlotte H. mittlerweile, dass sie beruflich kürzer treten muss, wenn sie ihre Gesundheit nicht gefährden will. Denn darauf bauen, dass das Schulsystem der Gesundheit des Lehrpersonals künftig höhere Priorität beimisst, kann sie nicht.

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