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„Soziale Medien sind ein Marktplatz für Schleuser“

Schleuser nehmen Menschen oft alles, was sie noch haben und bringen sie in Lebensgefahr. Die Täter agieren hochprofessionell, passen sich veränderten Situationen schnell an und verlagern ihre Transportrouten. Um Schleuserkriminalität und irreguläre Migration dauerhaft einzudämmen, fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bereits seit längerem intelligente Kontrollen im Grenzraum und eine verbesserte technische Ausstattung. PolizeiDeinPartner sprach mit Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei.

GdP fordert moderne Grenzfahndung


Kriminelle Schleuserorganisationen bringen Migranten auf neuen Wegen in die EU

© benjaminnolte/stock.adobe.com

 

Schleuser nehmen Menschen oft alles, was sie noch haben und bringen sie in Lebensgefahr. Die Täter agieren hochprofessionell, passen sich veränderten Situationen schnell an und verlagern ihre Transportrouten. Um Schleuserkriminalität und irreguläre Migration dauerhaft einzudämmen, fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bereits seit längerem intelligente Kontrollen im Grenzraum und eine verbesserte technische Ausstattung. PolizeiDeinPartner sprach mit Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei.

Herr Roßkopf, wie arbeiten Schleuser heutzutage?

Seit der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 stellen wir fest, dass Schleuser zunehmend professioneller agieren. Bei der Kontaktaufnahme zwischen Menschenschmugglern und ihren Kunden spielen vor allem das Internet und Social Media eine immer größere Rolle. Auf Facebook verstecken sich die Schmuggler hinter Decknamen, machen gezielt Werbung für ihre Dienstleistungen und posten Videos und Fotos von Fluchtrouten und Transportmitteln. Dass Schleuser ihre Leistungen vor Ort an den Grenzen und Flüchtlingslagern anbieten, passiert heute kaum noch. Dieser Wandel macht es uns als Polizei sehr schwer, mit Tiefgang gegen die Täter ermitteln zu können. Die Schleuserbanden agieren im Internet wie professionelle Reiseunternehmen und versprechen ihren Kunden einen garantierten Schleusungserfolg. Die Flüchtlinge leisten in der Regel erstmal nur eine Anzahlung. Die Restzahlung wird auf ein sogenanntes Treuhandkonto überwiesen. Erst wenn die Schleusung erfolgreich abgeschlossen ist, wird diese Restsumme freigegeben und an die Schleuserorganisation gezahlt. Der gesamte Ablauf der Schleusung ist zudem landestypisch abgestimmt. Das heißt, die geschleusten Menschen werden immer in das jeweils nächste Land gebracht, dort wieder abgesetzt und von anderen Schleusern aufgenommen. Es handelt sich insgesamt um ein sehr breit gefächertes und gesplittetes Netzwerk. Das erschwert es den Ermittlern zusätzlich, an die Organisation selbst und ihre Hintermänner heranzukommen.

Aus welchen Regionen kommen die Migranten – und welche Routen werden von Schleusern derzeit am häufigsten genutzt?

Die Migranten stammen nach wie vor hauptsächlich aus Afghanistan, Syrien, Irak, Pakistan und Afrika. Hier zeigt sich also im Großen und Ganzen noch das gleiche Bild wie zur Zeit der Flüchtlingskrise 2015/16. Denn die Flüchtlingsströme gründen immer daher, in welchen Ländern die Situation sozial und menschlich am schlechtesten ist – und daran hat sich nicht viel geändert. Verändert haben sich jedoch zum Teil die Fluchtrouten. Das heißt, die Schleuser bringen vermehrt Migranten auf neuen Wegen in die EU. Die „traditionellen“ Balkanrouten sowohl über Bulgarien und die Türkei, als auch über Griechenland, existieren zwar noch. Seit einiger Zeit ist aber zu beobachten, dass die Schleuser ihre Kunden außerdem vom afrikanischen Kontinent über Italien, Malta und Spanien nach Deutschland transportieren. Grund dafür sind einerseits die extrem schlechten Bedingungen für Flüchtlinge in Griechenland. Außerdem sind die neuen Routen kürzer, wenn auch gefährlicher. Für die Polizei ist diese breitere Streuung eine zusätzliche Herausforderung, da immer mehr Einfallgebiete kontrolliert werden müssen.

Welchen Gefahren und Risiken sind die Menschen während des Transports ausgesetzt?

In den LKW werden die Geschleusten eng zusammengepfercht zwischen der Ladung transportiert, oft mehrere Wochen lang. Sie bekommen zu wenig Nahrung und Wasser, viele von ihnen ersticken oder verdursten. Etliche weitere ertrinken, weil ihre nicht seetüchtigen Boote kentern. Allein im letzten Jahr haben wir geschätzt wieder zwischen 1.600 und 2.000 Tote im Mittelmeer zu beklagen. Den Schleusern ist letztendlich der Mensch, den sie schleusen, völlig egal. Es geht ihnen rein um den Profit. Man kann jedoch sagen, dass die Gefahren insgesamt abnehmen. Weil die Schleuser ihre komplette Summe erst dann bekommen, wenn der Geflüchtete an seinem Ziel angekommen ist – und zum Beispiel eine SMS an seine Verwandten in der Heimat schickt – sind die Schmuggler sehr bemüht, die Risiken einzudämmen und die Schleusung erfolgreich abzuschließen.

Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei

© GdP

Was passiert mit den Geflüchteten, sobald sie in Deutschland ankommen?

Das Registrierungsverfahren ist im Vergleich zu 2015 strukturierter geworden. Das heißt: Sobald die Bundespolizei die Geflüchteten an der Grenze aufgegriffen und ihre Daten erfasst hat, werden sie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugeführt und an entsprechende Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt, wo sie während ihrer Behandlung des Asylantrags vorübergehend wohnen. Wir reden momentan von ca. 100.000 bis 110.000 registrierten Flüchtlingen pro Jahr. Bei diesen Zahlen sind wir durchaus in der Lage, diese so abzuarbeiten, wie es einerseits menschenwürdig und andererseits nach Asylrecht erforderlich ist. Ein zunehmendes Problem ist seit 2021 allerdings die illegale Sekundärmigration von Griechenland nach Deutschland. Dabei geht es um Geflüchtete und Migranten, die bereits von griechischen Behörden einen internationalen Schutzstatus erhalten haben und anschließend in Deutschland erneut Asyl beantragen. Ein solcher doppelter Asylantrag ist nach EU-Gesetzen eigentlich nicht erlaubt. Da sich die Situation für Flüchtlinge in Griechenland aber noch nicht gebessert hat, arbeitet das BAMF diese doppelten Anträge dennoch sukzessive ab – und erkennt derzeit rund 90 Prozent davon auch an. Hier muss dringend eine Lösung gefunden werden, damit es wieder ein einheitliches Verfahren im Sinne des Asylrechts gibt.

Wo sieht die GdP die aktuellen Herausforderungen für die Polizei im Kampf gegen Schleuser?

Seit inzwischen sieben Jahren finden an der Grenze von Bayern und Österreich Kontrollen statt. Diese starren Grenzkontrollen, die ja eigentlich nur in Ausnahmefällen stattfinden sollten, sind unserer Ansicht nach kein probates Mittel zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität und irregulärer Migration. Sie binden nicht nur überdurchschnittlich stark unsere personellen und materiellen Kapazitäten. Auch haben sich die Schleuserorganisationen längst darauf eingestellt, dass an diesen Grenzübergängen kontrolliert wird und fahren stattdessen einfach drei Kilometer weiter rechts oder links davon über die Grenze. Wir stellen uns stattdessen – und das publizieren wir als GdP bereits seit vielen Jahren – eine intelligente Grenzfahndung, das heißt, schnelle, mobile und unvorhersehbare Kontrollstellen, vor. Dazu bedarf es modernste Bearbeitungsfahrzeuge, sodass die Polizei die Sachbearbeitung größtenteils direkt vor Ort übernehmen kann. Außerdem brauchen wir gut ausgebildetes Personal und eine verbesserte technische Ausstattung, wozu wir auch Drohnen und Hubschrauberüberwachung zählen. Ziel muss es sein, dass wir für Schleuserbanden nicht länger kalkulierbar sind. Die bayerische Grenzpolizei macht es und bereits vor. Da muss die Bundespolizei auch hinkommen.

KF (Stand 26.08.2022)

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