Stationäre Grenzkontrollen ohne Ende?
Die Bundespolizei am Rande ihrer Kapazitäten
Bundespolizistinnen und -polizisten arbeiten an den Landesgrenzen personell am Limit
© Ines / stock.adobe.com
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat in Rostock den Jahresbericht 2023 der Bundespolizei veröffentlicht: Um die Schleuserkriminalität und die illegale Migration nach Deutschland einzudämmen, werden die als vorübergehend geplanten stationären Grenzkontrollen an den Außengrenzen zu Polen, Tschechien, der Schweiz und Österreich bis auf Weiteres verlängert. Seit dem 16. September 2024 kontrolliert die Bundespolizei außerdem die Grenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich. PolizeiDeinPartner.de hat mit Andreas Roßkopf, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei, darüber gesprochen, wie sinnvoll die Kontrollen sind und welche Herausforderungen sie für die Polizeikräfte darstellen.
Seit Mitte September kontrolliert die Bundespolizei erstmals alle deutschen Landesgrenzen. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Zu welchen Zwecken dienen die Grenzkontrollen genau?
Das Ziel der Kontrollen ist, die unerlaubte Migration in die Bundesrepublik einzudämmen und zu reduzieren. An der Ost- und Südgrenze gibt es sie ja bereits seit Längerem. Durch das Hinzukommen der Westgrenze haben wir jetzt insgesamt eine Länge von über 3.800 Kilometern, die wir als Bundespolizei sichern und schützen sollen. Um diese Aufgabe stemmen zu können, arbeiten wir derzeit nur an der Ostgrenze mit stationären Kontrollen. Auf der restlichen Strecke finden überwiegend flexible Kontrollen im Rahmen unserer Streifentätigkeit statt. Wir sprechen hier auch von sogenannten smarten Grenzkontrollen. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen bestreifen den Grenzraum und richten lageangepasst und stichprobenartig kleine Kontrollstellen ein, beispielsweise an Parkbuchten oder Ausfahrten von Bundesstraßen.
Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei
© GdP-Bezirk Bundespolizei / Zoll
Welche Erfolge gibt es aus Sicht der Bundespolizei?
Wir können feststellen, dass wir gut ein Drittel an unerlaubten Einreisenden zurückweisen können. Das ist eine hohe Quote, wenn man bedenkt, dass wir nur Menschen zurückweisen dürfen, die mit einer Einreisesperre belegt sind oder kein Asyl beantragt haben. Darüber hinaus greifen wir bei den Grenzkontrollen auch regelmäßig Schleuser und Fluchthelfer auf. Außerdem haben wir eine hohe Anzahl an sogenanntem „Beifang“, also an Fahndungstreffern zu gesuchten Straftätern aus anderen Deliktsbereichen. So gesehen zeigen die Grenzkontrollen also Wirkung. Ob man damit aber Migration tatsächlich reduzieren oder gar dauerhaft eindämmen kann, ist eine andere Frage.
Was können Grenzkontrollen wiederum nicht leisten?
Schutzsuchende, die einen Asylantrag stellen, müssen wir grundsätzlich erst einmal ins Landesinnere lassen. Hier ist das EU-Recht ziemlich eindeutig. Ein solcher Antrag kann nicht nur auf deutschem Hoheitsgebiet gestellt werden, sondern bereits an der Grenze. Wenn wir also jemanden an der Grenze kontrollieren und der- oder diejenige beantragt Schutz, muss die Sache an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weitergeleitet werden. Der Antrag auf Asyl muss also immer geprüft werden.
Die Belastungen für die Bundespolizei nehmen dadurch immer weiter zu. Wie ressourcenintensiv sind die Grenzeinsätze für Ihre Kolleginnen und Kollegen?
Auch wenn wir mit starken Kräften arbeiten, sind die wachsenden Herausforderungen für uns eine sehr schwierige Aufgabe. Denn die Bundespolizei ist sowohl personell, ausstattungsmäßig, aber auch strukturell nicht dafür ausgelegt, flächendeckende Grenzkontrollen durchzuführen. Zum einen sind die Bundespolizeiinspektionen an den Grenzen voll eingebunden. Diese reichen aber bei Weitem nicht aus, Kontrollen in dem genannten Umfang zu vollziehen. Aus diesem Grund werden wir unter anderem von der Bundesbereitschaftspolizei unterstützt, die in besonderen Notlagen quasi unsere „Feuerwehr“ ist. Diese Kolleginnen und Kollegen fehlen dann wiederum an anderen wichtigen Stellen, insbesondere bei den Bundesligaspielen. Ähnliches gilt für Kolleginnen und Kollegen aus den Inlandsdienststellen, die eigentlich an den Bahnhöfen und Flughäfen gebraucht werden. Aktuell ist die Problematik sogar so groß, dass wir punktuell auch Auszubildende zur Unterstützung einsetzen. Hier riskieren wir das Defizit, dass die Ausbildungsinhalte nicht mehr vollumfänglich vermittelt werden können, weil durch die Einsätze an der Grenze Fehlzeiten entstehen.
Um weiterhin konsequent gegen illegale Migration vorzugehen, werden die Kontrollen bis mindestens Dezember fortgesetzt – laut Nancy Faeser bleiben sie „so lange wie nötig“. Wie schätzen Sie das Handeln der Bundesinnenministerin ein?
Die Anordnung der zusätzlichen Kontrollen an der Westgrenze kam für uns absolut überraschend. Wir hatten keinerlei Zeit, uns darauf vorzubereiten, was uns ziemlich gefordert hat. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Grenzkontrollen für weitere sechs Monate laufen, möglicherweise sogar bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025. Unser Eindruck ist, dass das Thema Grenzkontrollen gerade viel Raum für politischen Aktionismus und Populismus bietet: Die Parteien versuchen sich gegenseitig zu überbieten, was man noch alles gegen illegale Migration und Schleuserkriminalität unternehmen kann. Uns fehlt die intensive sachliche Diskussion unter den Parteien, bevor Entscheidungen getroffen werden. Unsere große Sorge ist, dass dieser voreilige Aktionismus letztendlich auf dem Rücken der Bundespolizei ausgetragen wird.
Regierung und Opposition haben sich beim letzten Migrationsgipfel nicht zum Thema Zurückweisungen geeinigt. Wie bewerten Sie die laufende Debatte?
Die Union möchte von europäischem Recht auf nationales Recht wechseln. Ihre Begründung ist, dass wir durch die irreguläre Migration eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in Deutschland haben. Wenn wir auf nationales Recht wechseln würden, könnten wir nach der sogenannten sicheren Drittstaatenregelung arbeiten und nahezu alle Menschen, die einen Asylantrag stellen, in sichere Drittstaaten zurückweisen. Diese Möglichkeit wird derzeit sehr kontrovers diskutiert, wurde aber von der Regierung relativ schnell abgelehnt. Wir hätten uns gewünscht, dass dieses Thema erst einmal ernsthaft ausdiskutiert und geprüft wird. Stattdessen arbeitet die Bundespolizei an den Binnengrenzen nun ein stückweit mit einem stumpfen Schwert. Denn die große Masse derer, die einen Asylantrag stellen, müssen wir wie gesagt auch ins Land lassen.
Welche Forderungen hat die GdP, damit die Grenzkontrollen effektiver ablaufen?
Wir fordern, dass die Bundespolizei endlich zu einer modernen und flexiblen Grenz- und Fahndungspolizei aufgebaut wird. Wie moderne Grenzfahndung funktionieren kann, haben wir bereits im Jahr 2018 mit der Einführung der bayerischen Grenzpolizei festgestellt. Der Bundespolizei hingegen fehlt es sowohl an modernen und schnellen Fahndungsfahrzeugen als auch an modernen Bearbeitungsfahrzeugen und zuverlässiger Drohnentechnik. Außerdem haben wir kein ausreichendes Beleuchtungsgerät und keine ausreichenden Geschwindigkeitstrichter, um flexible Kontrollen zu betreiben. All das monieren wir seit vielen Jahren massiv. Leider hat die Politik unsere Wünsche und Forderungen bislang nicht berücksichtigt, was uns jetzt einmal mehr auf die Füße fällt. Denn mit einer besseren technischen Ausstattung könnten wir sowohl an stationären als auch an smarten Grenzkontrollen definitiv personalschonender, effektiver und schneller arbeiten.
Und wie kann man Migration auf Dauer kontrollierbar machen?
Durch unsere Binnengrenzkontrollen allein werden wir irreguläre Migration niemals gänzlich verhindern können. Zusätzlich bedarf es europäisch einheitlicher Konzepte. Es ist zwingend erforderlich, einen europäischen Außengrenzschutz einzurichten, um viel mehr Menschen zurückweisen zu können. Wir brauchen Verträge mit Herkunfts- und Drittstaaten und wir brauchen einen klaren und einheitlichen Verteilungsschlüssel in der Europäischen Union. Nur alles zusammen würde die Migration ein stückweit kontrollierbar und steuerbar machen.
KF (27.09.2024)
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