< Wege aus der rechtsextremen Isolation

„Was man nicht kennt, macht einem Angst“

Kontaktbeamte und -beamtinnen für muslimische Institutionen (KMI) werden bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen als Ansprechpartner für interkulturelle Angelegenheiten eingesetzt. Sie halten engen Kontakt zu muslimischen Einrichtungen wie Moscheen oder Vereinen und leisten dort wichtige Netzwerkarbeit. Ciler Durmus ist seit 2010 Kontaktbeamtin bei der Kreispolizeibehörde Unna und berichtet über ihre Erfahrungen.

Kontaktbeamte für muslimische Institutionen leisten Netzwerkarbeit 

Wer offen aufeinander zugeht, kann viel Neues lernen

© Creativa, fotolia

 

Kontaktbeamte und -beamtinnen für muslimische Institutionen (KMI) werden bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen als Ansprechpartner für interkulturelle Angelegenheiten eingesetzt. Sie halten engen Kontakt zu muslimischen Einrichtungen wie Moscheen oder Vereinen und leisten dort wichtige Netzwerkarbeit. Ciler Durmus ist seit 2010 Kontaktbeamtin bei der Kreispolizeibehörde Unna und berichtet über ihre Erfahrungen. [/Vorspann] 

Frau Durmus, wie sieht denn Ihre tägliche Arbeit aus? 

Ich pflege den Kontakt zu allen muslimischen Institutionen hier im Kreis – das ist ganz viel Netzwerkarbeit. Ich halte Vorträge oder nehme an Veranstaltungen teil, bei denen ich die Möglichkeit habe, zum Beispiel eine Moschee-Gemeinde kennenzulernen. Ich bilde sozusagen eine Brücke zwischen der Polizei und den Muslimen und versuche, auf beiden Seiten Vertrauen und Verständnis aufzubauen. Ich versuche Türen zu öffnen, die ansonsten vielleicht verschlossen bleiben würden. Auf beiden Seiten gibt es gewisse Berührungsängste, die häufig dadurch entstehen, dass man Vieles einfach nicht kennt. Durch meine Vermittlertätigkeit sollen die Migranten und Migrantinnen sich einerseits trauen, sich an die Polizei zu wenden, wenn sie ein Problem haben. Gerade die Älteren haben in ihrem Heimatland häufig schlechte Erfahrungen mit der dortigen Polizei gemacht und sind misstrauisch. Durch meine Arbeit signalisiere ich: Die deutsche Polizei ist für alle da. Aber auch auf der Seite der Polizei gibt es manchmal Unsicherheiten, denn eine Moschee-Gemeinde hat ihr ganz eigenes soziales Miteinander und Kulturverständnis. Manche haben Bedenken, da etwas falsch zu machen. 

Was ist das genaue Ziel Ihrer Arbeit als Kontaktbeamtin? 

Über vertrauensbildende Maßnahmen sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Straftaten einerseits verhindert und andererseits besser aufgeklärt werden können. Durch den engen Kontakt erfährt man Dinge, die man sonst nicht in Erfahrung bringen würde – weil das Vertrauen einfach fehlt oder die Menschen nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Durch mich haben sie einen konkreten Ansprechpartner, der sich mit der Kultur auskennt und die gleiche Sprache spricht. Und wenn ich mal selbst nicht helfen kann, dann weiß ich zumindest, an welchen Kollegen ich sie weitervermitteln kann.

Werden Sie denn in Ihrer Rolle als Polizistin von der muslimischen Gemeinde akzeptiert? 

Ich bin in meiner ganzen Zeit als Polizeibeamtin gerade von muslimischen Männern immer respektvoll behandelt worden, es hat nie Probleme gegeben. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob es jüngere oder ältere bzw. modern oder traditionell eingestellte Männer waren. Auch Männer, die als Straftäter mit Migrationshintergrund mit der Polizei in Konflikt gekommen sind, haben mir immer Respekt entgegengebracht. Das hängt damit zusammen, dass die Männer in mir nicht in erster Linie die Frau sehen, sondern die Kommissarin. Und zwar die Kommissarin mit Migrationshintergrund. Da sind sie stolz drauf – und das sagen sie mir auch. Sie denken: „Das ist eine von uns. Die hat es geschafft, in Deutschland so eine Position zu bekommen. Und das auch noch als Frau.“ Aufgrund dieser positiven Erfahrungen habe ich mir auch zugetraut, die Stelle als Kontaktbeamtin anzunehmen – auch wenn ich vorher nicht wusste, wie die Imame in den Moscheen auf mich reagieren würden. Aber auch hier habe ich bislang nur gute Erfahrungen machen können. Eigentlich dauert es erfahrungsgemäß recht lange, um Vertrauen zur Polizei aufzubauen. Ich habe dieses Problem aber überhaupt nicht, mir ist der Zugang sehr leicht gefallen – nicht zuletzt, weil ich die Kultur kenne und die gleiche Sprache spreche. 

 

Ciler Durmus

Kreispolizeibehörde Unna, © Kreispolizeibehörde Unna

Wie genau wirkt Ihre Arbeit denn innerhalb der Polizei? 

Wenn die Bezirksbeamten in ihren Bereichen Fragen zu bestimmten Institutionen haben, dann können sie sich an mich wenden. Wir gehen auch gemeinsam zu Veranstaltungen oder ich organisiere eine Führung durch eine Moschee – um bei den Kollegen Verständnis für die muslimischen Gepflogenheiten zu wecken. Bei dieser Gelegenheit stelle ich sie auch den Vorständen und den Imamen der Moscheen vor. Wenn man sich persönlich kennt, ist das Verhältnis zueinander gleich viel vertrauter und die Atmosphäre viel entspannter. 

Mit welchen Problemen wenden sich die Migranten und Migrantinnen an Sie? 

Das ist unterschiedlich. Manche Frauen wenden sich an mich in Fällen von häuslicher Gewalt. Oder weil ihre Kinder Probleme haben – zum Beispiel, weil sie Straftaten begangen haben. Sie möchten nicht, dass ihre Kinder weitere Schwierigkeiten bekommen und bitten um Hilfe. Ein Imam hatte sich auch einmal bei mir gemeldet, weil ihm eine vermeintliche Koranschule in der Nähe auffällig vorkam. Dort fuhren am Wochenende immer Männer in Autos mit fremden Kennzeichen vor und unterrichteten Kinder. Er war sich nicht sicher, ob dort wirklich nur die Religion vermittelt wurde oder das Ganze extremistische Hintergründe hatte, und bat mich, dies zu überprüfen. Solche Hinweise werden von mir dann an die Staatsschutzstellen weitergeleitet. Viele Muslime leiden darunter, dass Extremisten den Islam dazu nutzen, um Angst und Terror zu verbreiten. Sie möchten nicht mit den Terroristen in einen Topf geworfen werden, sondern einfach nur friedlich ihrer Religion nachgehen. Sie haben selbst ein großes Interesse daran, dass islamistischer Terror bekämpft wird. 

Was könnte Ihrer Meinung nach in der Zusammenarbeit noch verbessert werden? 

Momentan ist es noch so, dass die Vorsitzenden der Moscheen zwar Deutsch sprechen, die Imame meist aber nicht. Dabei ist es sehr wichtig, dass auch sie gut Deutsch können. Dann können sie zum Beispiel Jugendliche, die hier in Deutschland aufwachsen, ganz anders ansprechen. Da wird aber bereits dran gearbeitet, viele besuchen schon Deutschkurse. Weiter würde ich mir wünschen, dass man noch mehr aufeinander zugeht und noch weiter Ängste und Vorbehalte abbaut. Denn je besser man sich kennt, desto größer ist das Vertrauen.

KL (26.05.2017)

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