< Projekttag „Soziale Netzwerke“

Religiös begründetem Extremismus vorbeugen

Wie kann man Jugendliche früh genug gegen salafistische Prediger schützen? An wen kann man sich wenden, wenn man den Verdacht hat, dass das eigene Kind oder ein Freund in die extremistische islamistische Szene abrutscht? Welchen Einfluss haben die Sozialen Medien? Die Beratungsstelle Hessen von „Violence Prevention Networks“ bietet Hilfe im Umgang mit religiös begründetem Extremismus an. Sie richtet sich dabei sowohl an Jugendliche und Eltern, aber auch an Multiplikatoren wie Lehrer oder Polizisten. Hakan Çelik ist Projektleiter von Violence Prevention Networks in Hessen – er erklärt, wie die Beratungsstelle und seine Beschäftigten arbeiten.

Beratungsstelle Hessen unterstützt durch Prävention und Ausstiegsbegleitung


Das Violence Prevention Network bietet Unterstützung für Jugendliche, Angehörige und Multiplikatoren

© hkama/stock.adobe.com

 

Wie kann man Jugendliche früh genug gegen salafistische Prediger schützen? An wen kann man sich wenden, wenn man den Verdacht hat, dass das eigene Kind oder ein Freund in die extremistische islamistische Szene abrutscht? Welchen Einfluss haben die Sozialen Medien? Die Beratungsstelle Hessen von „Violence Prevention Networks“ bietet Hilfe im Umgang mit religiös begründetem Extremismus an. Sie richtet sich dabei sowohl an Jugendliche und Eltern, aber auch an Multiplikatoren wie Lehrer oder Polizisten. Hakan Çelik ist Projektleiter von Violence Prevention Networks in Hessen – er erklärt, wie die Beratungsstelle und seine Beschäftigten arbeiten.

Wichtig ist, einen Zugang zu finden

Das VPN Hessen ist Bestandteil des hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus und wird durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport finanziert. Per Hotline oder E-Mail finden hier sämtliche Interessengruppen Unterstützung, die Beratung zu religiös begründetem Extremismus suchen oder einen Interessenkonflikt haben. Dazu zählen unter anderem Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder Sicherheitsbehörden – und natürlich Jugendliche selbst. „Wir nehmen grundsätzlich jede Anfrage und jeden Sachverhalt sehr ernst“, erklärt Hakan Çelik. „Gemeinsam im Team schauen wir, ob wirklich eine Radikalisierungsthematik dahintersteckt. Typische Fragen und Probleme bewegen sich meistens im Spannungsfeld zwischen Religion, Ideologie und Extremismus. „Nicht immer ist auf Anhieb festzustellen, ob sich beispielsweise ein Jugendlicher abkapselt, weil er Probleme in seiner Familie hat, oder weil er bereits einen Hass auf die Gesellschaft entwickelt hat und droht, in eine Radikalisierung abzurutschen.“ Deshalb sei es sehr wichtig, einen Zugang zu den jungen Menschen zu bekommen. „Wenn wir früh genug einsteigen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich die- oder derjenige langsam wieder von seinen bzw. ihren ideologischen Gedanken distanziert.“ An die Beratungsstelle wenden sich auch besorgte Eltern, die vermuten, dass ihr Kind auf dem Weg ist, sich etwa dem extremistischen Salafismus anzuschließen. Das können nicht nur Jugendliche aus muslimischen Elternhäusern sein. Oftmals ist es ein Auflehnen gegen die Eltern, eine Rebellion, um die eigene Identität zu finden. Hier wird dann versucht, mit dem Betreffenden wieder in Kontakt zu kommen und herauszufinden, wie es dazu kommen konnte. Man müsse in Gesprächen versuchen, die Lücken zu füllen, die vorher Hassprediger gefüllt hätten. Ziel ist es, die Betreffenden zum Nachdenken anzuregen.

In Schulworkshops lernen Jugendliche viel über andere Religionen

© Violence Prevention Network

Propaganda in Sozialen Netzwerken

Mit dualistischen Weltbildern, apokalyptischen Narrativen und Verschwörungserzählungen versuchen Extremisten aus der islamistischen Szene vor allem auf beliebten Social-Media-Plattformen wie YouTube oder TikTok, ihre jungen Followerinnen und Follower zu lenken. „Die Akteure in sozialen Medien haben heutzutage einen großen Einfluss auf Jugendliche und versuchen dort gezielt, sie für ihre Zwecke zu gewinnen“, bestätigt der Projektleiter. Manche neuartigen Gruppen haben Zehntausende Follower auf verschiedenen Social-Media-Seiten und sehr hohe Klickzahlen. Mit expliziten Verweisen in Videos oder Posts auf den „Jüngsten Tag“ oder die „Hölle“ bedienen sie sich der sogenannten Angstpädagogik, um Jugendliche von einer ideologischen Weltsicht zu überzeugen. „Junge Menschen in der Pubertät sind neugierig und häufig auf Orientierungssuche. Es muss deshalb nicht unbedingt etwas heißen, wenn sie sich solche Videos anschauen oder entsprechenden Akteuren folgen“, weiß Çelik. Dennoch sei es wichtig, mit den Jugendlichen über die Thematik zu sprechen. Auch Angehörige und Fachkräfte sollten die Gefahr kennen.“

Workshops zur Sensibilisierung

Damit Kinder und Jugendliche möglichst gut gegen die Anwerbungsversuche extremistischer Hassprediger geschützt sind, bietet die Beratungsstelle neben ihrer Hotline auch verschiedene Workshops – unter anderem für Schulklassen – an. Darin geht es um die interkulturelle Auseinandersetzung mit der eigenen und mit anderen Religionen. Ziel der Workshops ist es, Denkprozesse anzustoßen und zu verstehen, dass keine Religion „überlegen“ ist. „Im Zentrum stehen neben interkulturellen Themen auch die Themen Identität, Diskriminierung, Extremismus und Radikalisierung“, so Çelik. „Wir versuchen, die Jugendlichen zu sensibilisieren, religiös motivierte Argumentationen – sei es im Netz oder in der ,realen Welt‘ – nicht auf Anhieb ernst zu nehmen, sondern immer zuerst kritisch zu hinterfragen. Hier spielt auch das Thema Medienkompetenz eine wichtige Rolle.“ Andere Workshops finden statt, indem Lehrkräfte gezielt auf die Beratungsstelle zukommen – etwa, weil eine Schülerin oder ein Schüler auffällige Äußerungen getätigt hat. „In diesen Fällen bemühen wir uns, im Workshop gezielt einen Zugang zu diesem jungen Menschen zu finden und das Gespräch zu suchen. Dabei legen wir Wert darauf, nicht zu stigmatisieren, sondern erst einmal zu schauen, ob wirklich ein Risiko oder eine Gefahr dahintersteckt.“ Darüber hinaus bietet die Beratungsstelle auch Workshops für Multiplikatoren wie Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Lehrer oder aber auch die Polizei an. Diese werden im Umgang mit Jugendlichen, die sich bereits auf dem Weg zu einer Radikalisierung befinden, geschult. In den Workshops wird vermittelt, wie man in kritischen Situationen deeskalierend reagieren kann. Die Teilnehmenden erfahren in den Fortbildungen Grundlegendes zum Thema Islam, bauen dabei aber auch eigene Vorurteile ab.

Kontakt zur Beratungsstelle Hessen Leipziger Straße 67 60487 Frankfurt am Main

Tel.: 069 27 29 99 97

Fax: 069 269 18 729

Hotline für Angehörige: 069 269 18 597

Mail: hessen@violence-prevention-network.de

www.beratungsstelle-hessen.de

Erfolgserlebnisse spornen an

In vielen Fällen hat sich in den letzten acht Jahren gezeigt, dass die Arbeit der Beratungsstelle fruchtet. „Einmal ist uns gemeinsam mit der Polizei gelungen, einen bereits geplanten Anschlag eines jungen Mannes noch rechtzeitig zu verhindern“, berichtet Hakan Çelik. „Ein anderes Mal haben wir fast drei Jahre lang mit einem verurteilten IS-Rückkehrer zusammengearbeitet, bis dieser sich nach und nach von seiner Ideologie distanziert hat und heute ein ganz normales Leben führt.“ Ein „Happy End“ gab es auch für ein junges Mädchen, das zu einer Freundin in ein Kriegsgebiet ausreisen wollte: „Sie war der festen Überzeugung, dass der Krieg eine Lüge war. Glücklicherweise haben wir einen Zugang zu ihr gefunden und konnten sie durch intensive Gespräche dazu bewegen, in ihrer Heimat zu bleiben“, freut sich der Projektleiter. „Natürlich gibt es auch Fälle, bei denen wir gescheitert sind und Klienten den Kontakt zu uns abgebrochen haben. Dennoch finden wir es wichtig, dass es überhaupt eine Anlaufstelle für Fragen und Probleme bezüglich religiös motiviertem Extremismus gibt. Wir hoffen, in Zukunft noch viele junge Menschen und ihre Angehörigen unterstützen zu können.“ KF (Stand: 24.06.2022)

Weitere Präventionsprojekte in Hessen

Ein Siegel für mehr Sicherheit

Sich im eigenen Zuhause sicher zu fühlen ist ein Grundbedürfnis der...[mehr erfahren]

Schüler für Facebook, Whatsapp und Co. sensibilisieren

Soziale Netzwerke sind ein fester Bestandteil des alltäglichen...[mehr erfahren]

Polizei setzt sich für mehr Sicherheit auf Schulwegen ein

Tausende Kinder legen tagtäglich in Mittelhessen ihren Weg zur Schule...[mehr erfahren]

Das Schulprojekt „Prävention im Team“

Eine Schlägerei an der Bushaltestelle oder eine aggressive Jugendgang...[mehr erfahren]

Projekt „Prävention in Kindergarten und Schule – PiKS“

Der Deutsche Förderpreis Kriminalprävention wird seit dem Jahr 2003...[mehr erfahren]