Copycat-Effekt

Der Copycat-Effekt (engl. copycat = Nachahmer, Trittbrettfahrer) ist eine von mehreren Thesen zur Wirkung von Gewalt in den Medien. Er besagt, dass die Beobachtung von Gewalt in Medien beim Zuschauer zu einer Nachahmungstat führen kann.

Wirkung von Gewalt in den Medien

In der Forschung herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Auswirkungen der Darstellung von Gewalttaten in Medien beim Zuschauer von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden: durch den Medieninhalt, durch den Zuschauer selbst und durch sein soziales Umfeld. Diese drei Faktoren können einerseits die Wirkung des Gesehenen abschwächen, aber auch die Bereitschaft zur physischen und psychischen Gewalt beim Zuschauer verstärken. 

Beim Medieninhalt kommt es sehr darauf, in welchem Ausmaß Gewalt gezeigt wird: Wie hoch ist der Realitätsgehalt? Mit welchen Waffen wird Gewalt ausgeübt? Wie werden Opfer, wie Täter dargestellt? Das Umfeld, Familie, Schule und Gleichaltrige, beeinflussen sowohl den Medienkonsum einer Person als auch das Erleben von realer Gewalt. Das Internet und Massenmedien tragen dazu bei, dass Gewalttaten, zum Beispiel Amokläufe, veröffentlicht werden. Kleidet sich ein Nachahmungstäter aufgrund dieser Information genauso wie ein Vorgänger, nennt vielleicht sogar dieselben Beweggründe, liegt der „Copycat-Effekt“ vor. Dadurch, dass über eine Tat berichtet wird, vor allem wegen Fotos und Videos, die nicht so leicht aus dem Kopf zu bekommen sind, erhalten potenzielle Nachahmer eine Vorlage, an der sie sich orientieren können.

Verantwortung der Medien

Dem Copycat-Effekt kann entgegenwirkt werden, indem in den Medien zurückhaltend über Gewalttaten berichtet wird. Aus diesem Grunde gibt es in Deutschland in vielen Redaktionen von Massenmedien einen selbstauferlegten Ehrenkodex, der besagt, über Selbstmorde gar nicht zu berichten. Dies geschieht, um Nachahmungstaten vorzubeugen. In prominenten Fällen, wie etwa beim Suizid des Fußballspielers Robert Enke, funktionierte das allerdings nicht:

Phänomen der „Sozialen Ansteckung“

Das Phänomen der „sozialen Ansteckung“, also der Nachahmertaten, ist nicht neu. Als Johann Wolfgang von Goethe Ende des 18. Jahrhunderts seinen Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ veröffentlichte, löste der darin beschriebene Suizid eines jungen Mannes eine Reihe von Nachahmungstaten in ganz Europa aus. Es ist eine zweistellige Zahl von Selbsttötungen in verschiedenen Ländern belegt, die in direkter Verbindung mit Goethes Roman stehen. Indizien dafür waren, dass die Toten wie die Romanfigur kleideten oder das Buch bei sich trugen.

Der Soziologe David Phillips wies 1974 nach, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Berichterstattung über Suizide Nachahmertaten gibt: Betroffene bringen sich eher um, wenn sie von den Selbstmorden anderer hören oder lesen. Phillips entdeckte, dass die Selbstmordrate über Jahre (1947 bis 1968) in engem Zusammenhang mit der Suizid-Berichterstattung in der New York Times stand: Immer, wenn die Zeitung in irgendeiner Form „Suizid“ als Titelthema hatte, stieg auch die Zahl der Selbstmorde an.

„School-Shootings“

Bei den „School-Shootings“, also Amokläufen an Schulen, werden durch die Berichterstattung anderen Jugendliche darauf aufmerksam. Gibt es bei ihnen selbst ähnliche Grundvoraussetzungen, kann sie die Berichterstattung dazu anregen, die Tat nachzuahmen. Oft werden diese sogar angekündigt. Nach dem Amoklauf von Winnenden hat das dazu geführt, dass sämtliche Schulen in Baden-Württemberg tagelang geschlossen waren, weil es viele Amokdrohungen gab. Das Problematische bei der Berichterstattung über Amokläufe oder andere Gewalttaten ist immer, dass Trittbrettfahrer zu Folgetaten angeregt werden können.

Auf den Webseiten des Netzwerks gegen Amokläufe an Schulen NETWASS findet man viele Hintergrundinformationen und Verhaltenstipps.

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