„Das habe ich nicht bestellt!“
Identitätsmissbrauch bei Bestellbetrug
Einige Bestellbetrüger fangen Pakete schon während der Zustellung ab
© Narong Jongsirikul/stock.adobe.com
Annette Blüm stockt der Atem, als sie den Briefkasten öffnet und schon wieder eine Rechnung für eine Internetbestellung erhält. Das ist schon die dritte Rechnung in zwei Monaten, obwohl sie keine Bestellung aufgegeben und keine Warenlieferung mit der Post erhalten hat! Sie ist kein Einzelfall. In den vergangenen Monaten sind den Verbraucherzentralen wieder viele Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei Warenbestellungen gemeldet worden. Durch den zunehmenden Online-Handel haben es Betrüger vermehrt darauf abgesehen, Nutzer- und Bankdaten abzufangen und sich auf Kosten anderer teure Produkte zu bestellen. Was sind die aktuellen Maschen von Bestellbetrügern? Wie sollte man sich verhalten, wenn man eine Rechnung erhält, obwohl man nichts bestellt hat? Wie können Nachbarn helfen, um Bestellbetrüger zu entlarven?
Betrüger lauern dem Paketboten auf
Auch die Verbraucherzentrale Brandenburg hat schon viele Beschwerden dazu erhalten. Michèle Scherer, die dort als Referentin für das Thema „Digitale Welt“ zuständig ist, erinnert sich zum Beispiel an einen Fall, bei dem jemand mit der Adresse und dem Namen eines Verbrauchers eine Bestellung aufgegeben hat und vermutlich dem Paketboten bei der Auslieferung aufgelauert hat, um das Paket abzufangen. „Dabei handelt es sich um einen Identitätsmissbrauch. Dritte gelangen zum Beispiel über Phishing-Mails oder Schadsoftware an die Zugangs- und Bankdaten von Verbrauchern und können dann in ihrem Namen im Internet einkaufen“, erklärt sie. Die Warenlieferung wird entweder vor Ort beim Paketboten oder mit der Abholkarte beim Nachbarn abgefangen. Die Abholkarte wird dafür aus dem Briefkasten gefischt. Um unentdeckt zu bleiben, geben Betrüger auch unterschiedliche Rechnungs- und Lieferadressen an, damit sie das Paket in Ruhe abfangen können. Der Verbraucher erhält danach nur noch die Rechnung und hat keinen Anhaltspunkt mehr, wo die angebliche Bestellung abgeblieben ist oder wer sie in seinem Namen aufgegeben und angenommen hat.
Was tun bei einer Rechnung ohne Bestellung?
Opfern von Bestellbetrug fällt oftmals erst beim Erhalt der Rechnung auf, dass jemand ihre Identität genutzt hat. Michèle Scherer empfiehlt Betroffenen, möglichst schnell zu handeln, um weiteren Schaden zu verhindern: „Zuerst sollte eine Anzeige bei der Polizei aufgegeben werden. Danach sollte man sich umgehend mit allen Beteiligten in Verbindung setzen.“ Dazu gehört, der Rechnung zu widersprechen. Wurde zum Beispiel bereits Geld vom Konto abgebucht, müssen Banken informiert und betroffene Konten und Karten gesperrt werden. Häufig fordern Banken dabei die Vorlage der aufgegebenen Strafanzeige.
In vielen Fällen kann man nur mutmaßen
Bei Bestellbetrug stellt sich bei vielen Verbrauchern auch die Frage, welche Daten missbraucht wurden. „Haben die Betrüger ein bestimmtes Konto oder einen bestimmten Account gehackt, sollte man umgehend alle Passwörter ändern oder den Account sperren“, empfiehlt Scherer. Wenn Daten abgefangen wurden, weil womöglich Schadsoftware auf dem Rechner installiert wurde, sollte man den betroffenen Computer mit einer Sicherheitssoftware überprüfen oder einen Experten damit beauftragen. Michèle Scherer weist auch darauf hin, dass nicht hinter all diesen Rechnungen Bestellungen von Identitätsdieben stecken: „Es gibt auch Abzocker, die Rechnungen für Leistungen verschicken, die es nie gab.“
Die Verbraucherzentrale Brandenburg bietet auf ihrer Webseite weitere Informationen zum sicheren Surfen im Netz, wie etwa Tipps für sicheres digitales Bezahlen, Merkmale einer Phishing-Mail und die sichere Gestaltung von Passwörtern.
Tipps für Nachbarn
Bestellbetrüger nutzen auch zunehmend die Bereitschaft von Nachbarn aus, die Pakete für andere Bewohner anzunehmen. Michèle Scherer ist der Meinung, dass ein anfängliches Misstrauen nachvollziehbar ist, wenn man die Person, die das Paket abholt, nicht kennt. „In dem Fall sollte man sich nochmal vergewissern, indem man die Person dazu auffordert, die Abholkarte und im Zweifel auch ihren Personalausweis zu zeigen“, so die Expertin. Weil viele Menschen in Mehrfamilienhäusern in Großstädten leben, sei es natürlich schwierig, alle seine Nachbarn zu kennen und zuzuordnen. „Bei einer Paketabholung zum Beispiel in einer Post oder DHL-Filiale ist das Vorzeigen der Abholkarte und eines Ausweises beziehungsweise zusätzlich gegebenenfalls einer Vollmacht selbstverständlich. Dass Nachbarn bei einer Paketabholung auch Identitätsnachweise anfordern, ist daher eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme“, ergänzt sie.
Bestellbetrug verhindern
Um zu vermeiden, dass die eigenen Daten in die Hände von Dritten gelangen, rät die Verbraucherzentrale, möglichst wenige sensible Daten von sich im Internet preiszugeben und sichere Passwörter zu erstellen. Weil Abzocker auch per Phishing-Mails an die Daten ihrer Opfer gelangen, sollte man E-Mails genau überprüfen und äußerst kritisch sein, wenn persönliche Daten angegeben oder Links angeklickt werden sollen. „Am besten speichert man in seinen Online-Accounts keine direkten Zahlungsinformationen ab und kauft, wenn möglich, auf Rechnung ein. Viele Online-Shops bieten auch die Bestellung über einen Gast-Account an, sodass möglichst wenig persönliche Daten gespeichert werden“, ergänzt die Referentin der Verbraucherzentrale Brandenburg. FL (27.07.2018)
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