Kundenbewertungen im Netz
Hilfestellung oder Irreführung?
Falsche Bewertungen sind nicht immer leicht erkennbar
© magele-picture, fotolia
Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist der Einkauf im Internet zur einfachen und zeitsparenden Shopping-Alternative geworden. Dadurch haben Online-Kundenbewertungen in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Von der Schmerztablette bis zur Digitalkamera kann man zu fast allem eine persönliche Beurteilung abgeben. Doch wie aussagekräftig sind Kundenbewertungen? Und wie kann man manipulierte Beiträge erkennen?
Schlechte Bewertung? Schlecht fürs Geschäft!
Rund zwei Drittel der Deutschen schaut sich vor einer Kaufentscheidung Bewertungen im Internet an. Das ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK. Die Einschätzung von Fremden hat demnach einen erheblichen Einfluss darauf, ob ein Produkt gekauft wird. Das Problem: Solche Kundenbewertungen können gefälscht oder manipuliert sein. „Es gibt immer jemanden, der sein Produkt oder Unternehmen hochjubelt oder der Konkurrenz durch negative Kommentare schaden will“, erklärt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dafür kann man sogar Agenturen engagieren, die auf das Fälschen von Bewertungen spezialisiert sind. „Es kommt immer wieder ans Tageslicht, dass so etwas gemacht wird. Rechtlich ist das nicht in Ordnung. Dennoch scheint das die Leute nicht dazu zu bringen, das Bewertungssystem infrage zu stellen“, so Tryba. Ein weiteres Phänomen: Hersteller und Händler versuchen häufig, ihre Kunden durch Zuwendungen zu beeinflussen. Mithilfe von Gutscheinen und anderen Belohnungen sollen sie dazu animiert werden, positive Bewertungen abzugeben. Hinzukommt, dass negative Kommentare oft bewusst nicht veröffentlich werden, erklärt der Experte: „Es melden sich immer wieder Verbraucherinnen und Verbraucher bei uns, die sagen, dass ihre kritischen Kommentare gar nicht online auftauchen. Es ist vollkommen undurchsichtig, welche Strukturen hinter diesem System stecken.“
Vorsicht bei „professionellen“ Testern
Kritisch sollte man auch bei Bewertungen durch Produkttester sein. Denn diese Personen bekommen im Monat kostenfrei Waren zugeschickt, die sie ausprobieren und anschließend bewerten sollen – zum Teil im Wert von bis zu tausend Euro. Ein Beispiel ist der „Vine Club“ des Online-Händlers Amazon. Die Verbraucherzentrale NRW hat sich die Bewertungen der Club-Mitglieder genau angesehen und kam zu einem negativen Urteil. „Natürlich passiert das, was zu erwarten ist: Die Bewertungen sind überwiegend sehr positiv“, erklärt Tryba. Ein weiterer Aspekt, den die Verbraucherzentrale an dem Tester-Konzept bemängelt: Es ist schwer nachzuvollziehen, warum eine Person in den Club eingeladen wird beziehungsweise was sie dazu qualifiziert, Produkte bewerten zu können.
Manipulationen erkennen
Häufig ist nicht ersichtlich, ob eine Bewertung gefälscht oder manipuliert ist. Dennoch gibt es konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprechen können:
- Sprache klingt sehr werblich
- Auffällig viele Grammatik- oder Rechtschreibfehler
- Hinweis, dass Freunde und Familie das Produkt ebenfalls gut finden
- Produkt hat ausschließlich positive Bewertungen
- Bewertungen, die etwa zur selben Zeit verfasst wurden, verwenden dieselben oder ähnliche Formulierungen
- Sehr viele gute Bewertungen an nur einem Tag, während an den Tagen zuvor oder danach nur wenig passiert ist
- Viele Bewertungen für ein Produkt wurden von Personen mit einem konstruiert klingenden Namen verfasst
Bewertungen nicht blind vertrauen
Unabhängig davon, ob Bewertungen gefälscht sind oder nicht, sollte man sich nie auf diese verlassen. „Ein Kunde kann ein Produkt nicht bewerten, weil ihm die Kompetenz fehlt. Er kennt die Konkurrenzprodukte nicht, um einen Vergleich anstellen zu können. Es ist immer nur eine persönliche Meinung“, weiß der Experte. Hinzukommt, dass viele Bewertungen gar nichts mit dem Produkt an sich zu tun haben. Häufig sind eine lange Lieferzeit oder ein schlechter Service des Händlers der Grund für eine negative Rezension. „Schlechte Bewertungen sind in manchen Fällen auch einfach nur ein Racheakt – zum Beispiel, wenn jemand im Hotel etwas reklamiert hat und damit nicht durchgekommen ist“, so Tryba. Ein weiteres Problem bei den Kundenbewertungen: Wer ein Produkt aufgrund positiver Bewertungen kauft, hat nach dem Gebrauch kein Recht mehr auf Rückgabe, wenn sich die Bewertungen als falsch herausstellen. Denn der Verkäufer ist nur für die Angaben verantwortlich, die er selbst online einstellt. Für die Meinungsäußerung eines Dritten muss er keine Haftung übernehmen.
Unabhängige Testergebnisse lesen
Anstatt auf Kundenbewertungen zu vertrauen, empfiehlt die Verbraucherzentrale, nach Testergebnissen unabhängiger Institute wie der Stiftung Warentest zu suchen. Die Produktbewertung erfolgt hier nach wissenschaftlichen Kriterien und ist für jeden nachvollziehbar. Vorsicht ist hingegen bei unbekannten Testsiegeln geboten. „Mittlerweile gibt es eine ganze Industrie, die so genannte Testsieger produziert. Das ist einfach reine Werbung“, so Georg Tryba. Zudem empfiehlt der Experte, vor dem Kauf mehrere kostenlose Preissuchmaschinen zu nutzen, um den gängigen Marktpreis besser einschätzen zu können. Erst im Anschluss sollte man auf Kundenbewertungen schauen. „Das ist zum Beispiel sinnvoll, wenn dem Kunden ein bestimmter Aspekt wichtig ist. Aber das muss wirklich der allerletzte Schritt sein – auch wenn es schwerfällt.“
MW (27.10.2017)
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