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Wenn plötzlich alles Sinn ergibt

Ob außerirdische Reptilien, die unsere Welt regieren oder eine inszenierte Mondlandung im Filmstudio: Kuriose Verschwörungstheorien existieren wie Sand am Meer und verbreiten sich vor allem über das Internet rasant. Dr. Michael Butter, Professor für Amerikanistik an der Universität Tübingen und Autor des Buches „Nicht ist, wie es scheint“ spricht im Interview mit PolizeiDeinPartner über den Reiz von Verschwörungstheorien, die potenziellen Gefahren und mögliche Präventionsansätze.

Wo und wie verbreiten Verschwörungstheoretiker ihre Überzeugungen?

Immer und überall dort, wo sie die Gelegenheit dazu haben – etwa bei Vorträgen oder auf der Straße. Jetzt im 21. Jahrhundert sind ihr Hauptkanal allerdings die sozialen Medien. Zwar hat das Internet nicht dazu geführt, dass es einen sprunghaften Anstieg an Verschwörungstheorien gab. Sie sind durch das Internet jedoch wieder sichtbarer und verfügbarer geworden. Die Anhänger haben dort leichtes Spiel, ihre Ideen an den Mann zu bringen.

Gibt es den typischen Anhänger von Verschwörungstheorien?

Es gibt statistische Häufungen. Studien bestätigen, dass Männer grundsätzlich empfänglicher sind als Frauen. Außerdem sinkt mit höherem Bildungsgrad tendenziell die Neigung zu Verschwörungstheorien. Auch das Alter scheint einen gewissen Einfluss zu haben: Vor allem Verschwörungstheorien im Internet werden von älteren Menschen häufiger geglaubt als von jüngeren. Das sind aber natürlich nur Tendenzen. Es gibt genauso gut hochgebildete Frauen, die an solche Theorien glauben.

Weshalb fühlen sich so viele Menschen zu Verschwörungstheorien hingezogen?

Verschwörungstheorien bieten Erklärungen und machen die Welt verständlich. Alles ergibt auf einmal Sinn. Sie sind besonders attraktiv für Menschen, die sich machtlos fühlen und schlecht mit Unsicherheit umgehen können. Die Theorien schaffen auch Sündenböcke, was es ihren Anhängern erlaubt, mit dem Finger auf bestimmte Gruppen zu zeigen und Aggressionen gegen sie zu schüren. Es befriedigt sie, jemanden verantwortlich machen zu können.

Inwiefern sind Verschwörungstheorien auch in extremistischen Kreisen verbreitet?

Klar erwiesen ist, dass Verschwörungstheorien an den extremen Rändern der Gesellschaft, sowohl links als auch rechts, häufiger vorkommen, als bei gemäßigten politischen Positionen in der Mitte. Wir wissen auch, dass Verschwörungstheorien ein Motor der Radikalisierung sein können. Das haben wir etwa in Halle gesehen. Es ist allerdings ganz schwierig bis unmöglich, unter den vielen Anhängern von rassistischen oder antisemitischen Verschwörungstheorien vorab genau diejenigen herauszufiltern, die sich für ihre Überzeugung radikalisieren und gewalttätig werden.

Wann können Verschwörungstheorien zur Gefahr werden?

Es kommt immer darauf an: Wer glaubt was in welcher Situation, und wozu führt das dann? Antisemitische und rassistische Verschwörungstheorien sind potenziell gefährlich, sobald Anhänger zur Waffe greifen und Menschen töten. Medizinische Verschwörungstheorien können gefährlich werden, wenn sie dazu führen, dass man sich und andere nicht mehr entsprechend schützt. Weil ich zum Beispiel denke, das Aidsvirus existiere nicht oder Corona sei ungefährlich. Und schließlich können Verschwörungstheorien problematisch für unsere Demokratie werden, wenn die Anhänger unserer Politik misstrauen. Dann gehen diese Menschen entweder gar nicht mehr zur Wahl oder stimmen für die Populisten.

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