Kreativ gegen illegale Graffiti
Sprayer-Projekt der Stadtwerke Augsburg
Eines der Graffitis befindet sich in der Ilsungstraße in Augsburg
© swa/Thomas Hosemann
Immer wieder werden Technikhäuschen der Stadtwerke Augsburg mit Graffitis beschmiert. Dem begegnet das Unternehmen mit einem kreativen Präventions-Projekt: Graffiti-Workshops gemeinsam mit dem Graffiti-Verein „Die Bunten“.
Schaden durch Graffiti
Alles begann mit der Beschwerde von Anwohnern. Die hatten sich darüber aufgeregt, dass ein Technikhäuschen der Stadtwerke Augsburg mit Graffiti beschmiert wurde. „Das ist eine Thematik, mit der wir ständig konfrontiert werden – zwar nicht massiv, aber immer wiederkehrend“, erzählt Thomas Hosemann, auf dessen Tisch erst die Beschwerde, dann das Projekt „Graffiti“ landete. Der PR-Referent der Stadtwerke Augsburg erinnert sich: „Meine erste Überlegung war: Wie kommt es überhaupt dazu? Wer sind da die Verursacher?“ Schließlich lag der aufgedeckte Sachschaden durch die Schmierereien auf den Grasdruckregel- und Stromstationen bei circa 20.000 Euro. Pro Jahr, wohlgemerkt. Die Dunkelziffer ist höher. Im Stadtgebiet gibt es 500 solcher Häuschen, die potenziell von Schmierereien betroffen sind.
Die Idee
Thomas Hosemann recherchierte und fand heraus: 2009 gab es mal Auftragsarbeiten an ein paar Häuschen der Stadtwerke im Rahmen eines Jugendfestivals. Der positive Effekt dabei war: Diese Häuschen werden in Ruhe gelassen und nicht übersprüht oder wie es in der Szene heißt „gecrosst“. „Diese Erkenntnis war die Basis für das Projekt“, sagt Hosemann. Er machte sich auf die Suche nach möglichen Ansprech- und Kooperationspartnern und stieß auf die Arbeitsgruppe „Graffiti“ bei der Polizei Augsburg. Mit der tauschte er sich aus und startete schließlich 2013 in Zusammenarbeit mit dem Graffiti-Verein „Die Bunten“ das „Graffiti-Projekt“. Seitdem begegnen die Stadtwerke Augsburg wildem und illegalem Sprayen kreativ und vorbeugend mit Graffiti-Workshops und Auftragsarbeiten für Sprayer. Dabei dürfen die Technikgebäude mit Erlaubnis bemalt werden. Unautorisierte, illegale Schmierereien werden weiterhin zur Anzeige gebracht.
Die Täter
„Es ist wichtig sich zu fragen: Mit wem hat man´s denn zu tun? Denn das Projekt muss ja zu den Schmierern passen.“ Thomas Hosemann fand heraus, dass die Verursacher von Graffitis in Augsburg zwischen 14 und 25 Jahre alt sowie überwiegend männlich sind und sich aus drei Gruppen zusammensetzen:
- Sport-Ultras um den FC Augsburg und die Eishockeymannschaft Augsburger Panther
- verschiedene Gruppen, die Straßenkunst kreieren und die man unter dem Begriff „Kunstschaffende“ zusammenfassen kann
- Einzeltäter, die schwer zu fassen, weil sie nirgendswo organisiert sind
Hosemann fragte sich: Was will die Zielgruppe? Die Antwort: malen und den gewissen Kick, etwas Verbotenes zu tun. „Was wir nicht bieten können, ist natürlich der Nervenkitzel, bei etwas Illegalem erwischt zu werden. Dafür können wir etwas anderes bieten: Zeit! Die Zeit, etwas in Ruhe zu gestalten. Zudem stellen wir nicht nur die Fläche, sondern finanzieren auch das Material“, sagt Thomas Hosemann.
Der Ablauf
„Mittlerweile kommen Interessierte schon zu uns, etwa Jugendzentren. Dann suchen wir uns ein Häuschen aus und machen gemeinsam mit den Bunten zwei Workshops: Beim ersten Treffen wird mit den Teilnehmern aus allen Ideen eine Skizze herausgearbeitet, beim zweiten Treffen wird diese Skizze auf dem Häuschen umgesetzt“, erzählt Thomas Hosemann. Wichtig sei der präventive Ansatz, betont er. „Beim ersten Workshop erzählen wir auch ganz viel über illegales Sprühen.“ Das geschieht durch die Workshopleiter. Sie sind absolute Autoritäten in ihrem Fach und echte Größen der Graffiti-Szene – der ein oder andere mit illegaler Vergangenheit. Da kommen die Botschaften authentisch rüber und gut bei den Teilnehmern an. Etwa, wenn ein Workshopleiter erzählt: „Lasst das mal lieber mit dem illegalen Sprühen, denn 30.000 Euro Schulden zu haben, ist jetzt echt nicht so toll.“
Ist das Kunst?
Am Ende des Projekts sind die Teilnehmer unheimlich stolz auf ihr Kunstwerk. Das nimmt fast schon skurrile Züge an. „Wir haben mit den Ultras des Augsburger Eishockeyclubs eine Station gestaltet und ein Teilnehmer fragte, ob man nicht auf dieses Graffiti einen Graffitischutz machen kann, eine Art Versiegelung, damit kein anderes Graffiti draufgesprüht werden kann“, erinnert sich Hosemann. Für Wertschätzung sorgt auch die Pressearbeit der Stadtwerke: Wenn die selbst bemalten Häuschen in der Zeitung stehen, freut es die Schöpfer umso mehr. Da stellt sich die Frage: Sind bestellte Graffitis schöner als illegale? Natürlich liegt Schönheit im Auge des Betrachters, räumt Hosemann ein: „Aber es ist ein Unterschied, ob man auf eine Wand mit Schmierereien und Verunglimpfungen schaut oder auf eine schön gestaltete Fläche.“ Wo es sich umsetzen lässt, versuchen die Stadtwerke auch, Anwohner in das Projekt einzubinden. Generell ist die Gestaltung der Häuser frei, es muss aber im weitesten Sinne etwas mit dem Thema „Stadtwerke“ zu tun haben, also mit Energie, Wasser oder Verkehr.
Schöner Ausblick
Das Credo „Lieber machen`s wir gemeinsam, als dass jemand etwas Illegales macht“ hat sich bewährt. Gut sogar. „Ein Projekt auf Augenhöhe, nur so funktioniert´s“, sagt Thomas Hosemann. Es werden nicht nur renitente Jugendliche erreicht: Es gab auch schon ein Graffiti-Projekt mit Bewohnern eines Mehrgenerationenhauses. Dabei sprayten Jugendliche und Senioren zusammen. Sogar für die interne Kommunikation wird das Projekt genutzt: „Ein Häuschen wurde von unseren Azubis gemeinsam mit den Auszubildenden des Klinikums Augsburg gestaltet.“ Ein Projekt, das nicht nur vorbeugt, sondern auch verbindet. Zwar sind noch nicht alle 500 Häuschen der Stadtwerke bemalt, aber es dauert wohl nicht mehr lange. Dann will sich Hosemann mit den Bunten und den Workshop-Besuchern den 2.500 grauen Schaltkästen der Stadtwerke widmen. (ks) (18.12.2015)
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