Vorsicht, Sekundenschlaf!
Gefahren und Konsequenzen von Müdigkeit am Steuer
Viele Autofahrer kämpfen hinterm Lenkrad mit dem Schlaf
© Photographee.eu, fotolia
Die Scheinwerfer blenden, die Augen brennen und das Fahrtziel rückt nur langsam näher. Während die Müdigkeit sich unaufhaltsam im Körper ausbreitet, halten sich viele Autofahrer krampfhaft am Lenkrad fest und kämpfen sich durch die letzten Kilometer, obwohl ihr körperlicher und geistiger Zustand schon lange nicht mehr straßenverkehrstauglich ist. Erst kürzlich ist ein 20-Jähriger auf der Autobahn 8 bei Rutesheim am Steuer seines Autos kurz eingeschlafen und dabei in einen anderen Wagen hineingefahren. Bei dem Unfall wurden vier Personen verletzt. Eine Umfrage des Emnid-Instituts, die vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Auftrag gegeben wurde, hat herausgefunden, dass jeder vierte Autofahrer schon einmal am Steuer eingeschlafen ist. 17 Prozent der Befragten gaben an, dass sie trotz Müdigkeit weiterfahren.
Eine nicht messbare Gefährdung
„Das Schwierige an dem Thema Müdigkeit ist, dass die Gefahr des Sekundenschlafs unterschätzt wird. Darüber hinaus gibt es – anders als beim Thema Alkohol – kaum die Möglichkeit, diese nachzuweisen“, merkt DVR-Geschäftsführerin Ute Hammer an. Viele Menschen seien davon überzeugt, dass sie den Zeitpunkt des Einschlafens sicher vorhersehen könnten. „Das ist ein Trugschluss. Der Sekundenschlaf übermannt einen, wenn man über den Punkt hinweg ist, in dem man alles im Griff hat“, warnt sie. Aus diesem Anlass hat der DVR kürzlich mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) die Kampagne „Vorsicht Sekundenschlaf!“ gestartet, die vor den Gefahren von Sekundenschlaf und Müdigkeit am Steuer warnen soll. Die Kampagne klärt über falsche Vermutungen auf, wie beispielsweise den Irrglauben, Müdigkeit könne man durch Erfahrung ausgleichen, und macht deutlich, dass Schlaf ein Grundbedürfnis darstellt, über das man sich, ähnlich wie bei Hunger, nur kurzzeitig hinweghelfen kann. „Einschlafen lässt sich durch reine Willenskraft nicht verhindern. Das ist einfach nicht möglich“, betont Hammer.
Ute Hammer, Geschäftsführerin des DVR, hat an der Kampagne „Vorsicht Sekundenschlaf!“ mitgewirkt
© DVR
Wenige Sekunden, weite Strecken
Ein großes Problem von Müdigkeit am Steuer besteht darin, dass viele Autofahrer das Thema nicht ernst genug nehmen. Hammer erklärt dazu: „Wenn man für drei Sekunden bei einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde einschläft, legt man eine Strecke von 83 Metern zurück, ohne dass man davon etwas bemerkt. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie lange Strecken in diesen kurzen Zeiträumen zurückgelegt werden.“ Oft würden Menschen sich einreden, die verbleibenden Stunden oder Kilometer am Steuer trotz Müdigkeit zu schaffen. Ein weiterer Aspekt ist, dass Müdigkeitsunfälle nicht zwangsläufig abends oder nachts passieren. Eine Gefahr bestehe zeitunabhängig, vor allem in monotonen Situationen oder bei Fahrten außerhalb des normalen Rhythmus. „Das kann auch tagsüber passieren, wenn man zu wenig geschlafen hat“, so Hammer. Über diesen Umstand wüssten Autofahrer zu wenig Bescheid. Grundsätzlich ist niemand gegen Müdigkeit am Steuer gefeit. Es gibt laut Ute Hammer jedoch Personengruppen, die ein höheres Risiko haben: „Dazu gehören Berufskraftfahrer, die lange, monotone Strecken fahren müssen oder auch junge Fahrer, die lange Wachzeiten, häufige Nachtfahrten und gleichzeitig einen hohen Schlafbedarf haben. Diese Gruppen sollten besonders sensibel für die Gefahren durch Müdigkeit am Steuer sein.“
Tricks und Technik gegen die Müdigkeit
Es gibt viele Tricks, durch die sich Autofahrer erhoffen, wieder wach zu werden. Laut der TNS-Emnid-Umfrage machen 60 Prozent der befragten Autofahrer bei Müdigkeit das Fenster auf, 30 Prozent drehen die Musik lauter und 38 Prozent setzen auf Kaffee oder Energydrinks. „Diese Mittel sind jedoch kein Schlafersatz“, warnt Ute Hammer. Spurassistenzsysteme, die das Lenkrad zum Ruckeln bringen, wenn das Auto die Spur verlässt oder ein System zur Müdigkeitserkennung, das den Fahrer beobachtet und daraus einen Müdigkeitsgrad berechnet, können im Notfall warnen. Hammer appelliert, nicht ausschließlich auf solche technischen Hilfsmittel zu zählen: „Das sind sicherlich hilfreiche Systeme, die den Fahrer unterstützen. Trotzdem sollte man sich nicht darauf verlassen.“ Wichtig sei vor allem, eine Konsequenz aus der Tatsache, dass man müde ist, zu ziehen und wirklich eine Pause einzulegen.
Was wirklich gegen Müdigkeit hilft
Mit seiner Kampagne möchte der DVR Kraftfahrer dazu motivieren, bei Müdigkeit rechtzeitig anzuhalten, die Rückenlehne zurückzustellen und eine kurze Schlafpause einzulegen. „Es reichen schon 10 bis 20 Minuten Schlaf. Alternativ hilft auch Bewegung an der frischen Luft, um den Kreislauf zu mobilisieren“, erklärt Hammer. Sie weiß, dass viele Autofahrer Hemmungen haben, am Rastplatz Bewegungsübungen zu machen oder bei einer Erholungspause im Auto ein Gefühl von Schutzlosigkeit haben, da andere Menschen durch das Fenster hineinschauen können. Dennoch zählen diese Methoden bei Müdigkeit zu den wirksamsten Mitteln, um eine Autofahrt mit weniger Gefährdung für sich selbst und für andere weiterzuführen. Hammer warnt vor folgenden Müdigkeitserscheinungen: „Häufiges Gähnen, brennende Augen, dichtes Auffahren und der Tunnelblick sind deutliche Anzeichen dafür, dass eine Pause gemacht werden sollte.“ Vor langen Fahrten empfiehlt Hammer eine genaue Planung: „Es ist wichtig, dass man nicht schon übermüdet losfährt, sondern dass man sich ausgeruht ans Steuer setzt. Man sollte ausreichend Zeit einplanen und regelmäßige Pausen einkalkulieren.“ Der DVR möchte mit der Kampagne vor allem erreichen, dass erschöpfte Autofahrer die Gefahr durch Müdigkeit nicht unterschätzen: „Das ist kein Eingeständnis von Schwäche. Es kann aber Leben retten.“ FL (27.01.2017)
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