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Misshandelte Kinder – Spuren der Gewalt

Familie K. sitzt mit der acht Monate alten Tochter Lea im Wartezimmer des St.-Josefs-Krankenhauses in Freiburg. Das Kind bekommt schwer Luft und ist apathisch. „Sie ist vom Wickeltisch gefallen“, erzählt die Mutter dem behandelnden Arzt. Es folgt eine genaue Untersuchung.

Von Schütteltraumata, Bisswunden und Verbrennungen

Eltern, die ihre Kinder misshandeln, sind häufig überfordert

© jeecis, fotolia

 


Familie K. sitzt mit der acht Monate alten Tochter Lea im Wartezimmer des St.-Josefs-Krankenhauses in Freiburg. Das Kind bekommt schwer Luft und ist apathisch. „Sie ist vom Wickeltisch gefallen“, erzählt die Mutter dem behandelnden Arzt. Es folgt eine genaue Untersuchung.

Prof. Dr. Markus Uhl, Chefarzt der Kinderradiologie, erkennt am Röntgenbild sofort, dass an der Geschichte der Mutter etwas nicht stimmen kann. Leas Verletzungen sprechen eine deutliche Sprache. Ihre Rippen sind am Ansatz gebrochen. Genau dort, wo die Rippen an der Wirbelsäule anschließen. Und das lässt nur einen Schluss zu – das Mädchen wurde misshandelt. Dafür sprechen auch die Einblutungen in die Augennetzhaut, die Dr. Uhl bei dem Kind feststellt. Erst nach genauerem Nachfragen gibt Leas Mutter zu, dass sie ihre Tochter mehrfach geschüttelt hat – „damit sie endlich ruhig ist!“

Diese so genannten „posterioren Frakturen“ kommen bei Unfällen oder Stürzen nicht vor – sie sind ein klares Indiz für Misshandlung. Ein weiteres untrügliches Zeichen, dass ein Kind geschüttelt wurde, sind Blutungen unter der harten Hirnhaut. Sie entstehen, wenn das noch weiche Hirn des Kindes durch das Schütteln in Bewegung gerät. Die Nackenmuskulatur von Kleinkindern ist noch zu schwach, um den Kopf bei einer solchen Belastung ausreichend zu stabilisieren. Auch diese Art von Verletzung kann nicht durch einen Unfall oder Sturz verursacht werden. Weitere Anzeichen dafür, dass ein Kind geschüttelt wurde, können Benommenheit, Erbrechen, Krampfanfälle oder Bewusstlosigkeit sein.

„Shaken Baby Syndrom“ – Schütteltraumata können tödlich sein

Wie gefährlich das Schütteln von Kleinkindern sein kann, wissen viele Eltern nicht. So kann es nach einigen Wochen zu charakteristischen Veränderungen des Gehirns wie der Bildung von Waben kommen – das Gehirn des Kindes sieht dann aus wie ein Schwamm. Wenn das Kind überlebt, dann häufig schwer verletzt mit dem so genannten „Shaken Baby Syndrom“ („Geschütteltes Kind Syndrom“ oder „Schütteltrauma“). „Schon eine Minute Schütteln kann bedeuten, dass das Kind schwerste lebenslange Behinderungen davonträgt. Dass es zum Beispiel nie Lesen und Schreiben lernen wird oder Lähmungen hat“, erklärt Markus Uhl. Es ist davon auszugehen, dass Schütteltraumata in Westeuropa und auch den USA die häufigste Todesursache bei Kindern im ersten Lebensjahr sind. Das größte Risiko, misshandelt zu werden, haben dabei Kinder, die besonders viel schreien. „Irgendwann reißt den Eltern dann der Geduldsfaden“, weiß Uhl. Das Fatale: Viele Eltern merken zu spät, dass sie ihr Kind durch das Schütteln lebensgefährlich verletzt haben. Denn das Kind hört nach dem Schütteln in der Regel sofort auf zu schreien und wird ganz ruhig. Dass mit dem Kind etwas nicht stimmt, merken die Eltern häufig erst am nächsten Morgen – und dann ist es oft zu spät. 

Schreibabys

Als Schreibabys werden Säuglinge bezeichnet, die an dauerhaften Schrei- und Unruheattacken leiden. Das exzessive Schreien tritt in der Regel in den ersten vier Lebensmonaten der Kinder auf. Warum diese Babys mehr weinen und schreien als ihre Altersgenossen, weiß man nicht genau. So genannte »Schreiambulanzen« sind erste Anlaufstelle für Eltern mit Schreibabys. Diese sind häufig an Kliniken angegliedert. Eine Übersicht über alle Schreiambulanzen in Deutschland bietet GAIMH e. V. (Gesellschaft für seelische Gesundheit in der frühen Kindheit).

„Es gibt kaum etwas, das Eltern ihren Kindern nicht antun“

Schütteltraumata sind jedoch nicht die einzigen Verletzungen an Kinderkörpern, die Markus Uhl in seiner Tätigkeit als Klinikarzt zu Gesicht bekommen hat. „Es gibt Verletzungen, die durch Schlagen mit der Hand, mit Stöcken, Gürteln oder anderen Gegenständen entstehen. Auf der Haut hinterlässt dies dann Einblutungen, Hämatome (»blaue Flecken«), Striemen oder offene Wunden. Spiralförmige Frakturen entstehen durch brutal gedrehte Beine oder Arme. Dann gibt es Punktverbrennungen – durch das Ausdrücken von Zigaretten auf der Haut. Auch Bisswunden kommen vor. Werden Mädchen oder Jungen Opfer von sexuellem Missbrauch sind neben Verletzungen des Genitalbereichs auch Geschlechtskrankheiten festzustellen.“ 

In den meisten Fällen sind die Täter die eigenen Eltern. Und obwohl nach der Kriminalstatistik Gewalttaten in der Regel von Männern verübt werden, sind Kindesmisshandlungen diesbezüglich eine Ausnahme: Mütter misshandeln ihre Kinder genauso häufig wie Väter. Dass Kindermädchen ihre Schutzbefohlenen misshandeln, kommt eher selten vor. Häufiger als Täter infrage kommt jedoch der neue Partner der Mutter. „Es gibt kaum etwas, das Eltern ihren Kindern nicht antun“, berichtet Markus Uhl. Außerdem gingen die Misshandlungsfälle zum Teil durch alle sozialen Schichten. So letztes Jahr in Berlin, als der neue Partner einer Professorin das Kind aus ihrer ersten Ehe schwer misshandelt hat. 

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1631 Abs.2

„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

Warum Eltern zu Tätern werden

Wie gefährdet ein Kind ist, misshandelt zu werden, hängt von verschiedenen Risikofaktoren ab. Besonders gefährdet sind nach diesen Faktoren nicht nur Schreikinder, sondern auch Kinder mit Fehlbildungen oder Entwicklungsstörungen. Es gibt aber auch Risikofaktoren, die vom sozialen Umfeld des Kindes ausgehen. Sind Mutter oder Vater beispielsweise selbst in der Kindheit misshandelt worden, wird körperliche Züchtigung häufig als „normal“ angesehen – und oft am eigenen Kind ausgelebt. Auch Gewalt in der Ehe führt oft dazu, dass Aggressionen sich nicht nur gegen den Partner richten, sondern auch gegen das Kind. Suchtkrankheiten wie Drogenabhängigkeit oder Alkoholismus, psychische Erkrankungen sowie ein niedriger Bildungsstand der Eltern stellen ein weiteres Risikopotenzial für Kinder dar. Ein ganz wesentlicher Punkt ist auch die Überforderung der Mutter – wenn es beispielsweise eine kinderreiche Familie ist oder die Mutter allein erziehend. Typische Rahmenbedingungen für die Misshandlung von Kindern sind außerdem Arbeitslosigkeit, das Fehlen sozialer Unterstützung, zum Beispiel durch die Großeltern oder andere Verwandtschaft, wirtschaftliche Notlagen oder eine schlechte Wohnsituation. All diese Faktoren können Gründe dafür sein, dass Kinder misshandelt werden – müssen es aber nicht. „Die meisten Eltern misshandeln ihre Kinder nicht aus bloßem Sadismus. Es kommen häufig mehrere Faktoren zusammen, die dazu führen, dass Mutter oder Vater die Beherrschung verlieren“, so Markus Uhl.

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