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Alkoholkonsum am Arbeitsplatz

Der auszubildende Handwerker, der schon in der Mittagspause das erste Bier öffnet, die Lehrerin, die ihre Probleme nach Feierabend im Rotwein ertränkt oder der Abteilungsleiter, der nach jedem Meeting den Schnaps aus der Schublade holt: In jeder Bevölkerungsschicht gibt es Menschen mit einem problematischen Alkoholkonsum. Das führt nicht nur zu gesundheitlichen Schäden, sondern hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. Welche Risiken treten auf, wenn Personen während der Arbeitszeit unter Alkoholeinfluss stehen? Wo verläuft die Grenze zwischen gelegentlichem Trinken und problematischem Konsum? Und was sollten Vorgesetzte tun, wenn Angestellte betrunken zur Arbeit erscheinen?

Gesundheitsgefahr und Sicherheitsrisiko


Stress ist eine häufige Ursache für übermäßigen Alkoholkonsum

© Elnur/stock.adobe.com

 

Der auszubildende Handwerker, der schon in der Mittagspause das erste Bier öffnet, die Lehrerin, die ihre Probleme nach Feierabend im Rotwein ertränkt oder der Abteilungsleiter, der nach jedem Meeting den Schnaps aus der Schublade holt: In jeder Bevölkerungsschicht gibt es Menschen mit einem problematischen Alkoholkonsum. Das führt nicht nur zu gesundheitlichen Schäden, sondern hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. Welche Risiken treten auf, wenn Personen während der Arbeitszeit unter Alkoholeinfluss stehen? Wo verläuft die Grenze zwischen gelegentlichem Trinken und problematischem Konsum? Und was sollten Vorgesetzte tun, wenn Angestellte betrunken zur Arbeit erscheinen?

Die Übergänge sind fließend

„Jeder Mensch reagiert anders auf Alkohol. Deshalb ist es schwer zu sagen, wann der Konsum problematisch ist und somit den Arbeitsalltag nachhaltig beeinflusst“, erklärt Dr. Sabine Schreiber-Costa von der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI). Als Leiterin des Referats Bildungsmanagement beschäftigt sie sich intensiv mit dem Thema betriebliche Suchtprävention. „Während sich der eine nach einem Glas Sekt schon betrunken fühlt und sich auch so verhält, sind bei dem anderen nach mehreren Flaschen Bier noch keine Auswirkungen erkennbar.“ Einer Klassifizierung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zufolge, liegt bei Männern grundsätzlich ein risikoarmer Konsum vor, wenn sie maximal 24 Gramm Reinalkohol pro Tag zu sich nehmen, was etwa 0,6 Litern Bier entspricht. Bei Frauen ist es die Hälfte, also 12 Gramm. An mindestens zwei Tagen in der Woche sollte gar kein Alkohol konsumiert werden. „Wenn man sich daran hält, geht man zumindest aus ärztlicher Sicht davon aus, dass keine gesundheitlichen Schäden auftreten“, weiß die Expertin. Trinkt man täglich und mehr als die angegebene Menge, spricht man von einem riskanten Konsum. Ab welcher Menge eine Alkoholabhängigkeit im Sinne einer Suchterkrankung vorliegt, wird anhand diagnostischer Kriterien überprüft. „Das ist etwa das starke Verlangen nach Alkohol, eine verminderte Kontrollfähigkeit durch den Konsum und körperliche Entzugssymptome“, erklärt Sabine Schreiber-Costa. Experten gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus medizinischer Sicht alkoholabhängig sind und ihren Alltag und somit auch die berufliche Tätigkeit nicht ohne Alkohol bewältigen können.

Weitreichende Auswirkungen

Doch was kann passieren, wenn man vor oder während der Arbeitszeit trinkt oder mit den Nachwirkungen zu kämpfen hat, beispielsweise Kopfschmerzen oder Übelkeit? Die DHS benennt verschiedene mögliche Auswirkungen: Zunächst sind die Leistungs- und die Konzentrationsfähigkeit sowie die Aufmerksamkeit vermindert, was zum einen die Produktivität beeinträchtigt. Es passieren auch deutlich häufiger Fehler und Qualitätsstandards können nicht eingehalten werden. Zum anderen besteht eine erhöhte Gefahr für Arbeitsunfälle, bei denen in vielen Fällen auch Dritte in Mitleidenschaft gezogen werden. In Tätigkeitsfeldern, die naturgemäß eine erhöhte Unfallgefahr mit sich bringen, etwa dem Handwerk, der Landwirtschaft oder dem Transportwesen, können die Folgen besonders verheerend sein. Was außerdem hinzu kommt, sind die Auswirkungen auf das Betriebsklima. Denn ein erhöhter Konsum führt oft zu Krankschreibungen und somit zu langen Fehlzeiten, was das Arbeitsverhältnis nachhaltig belasten kann.

Dr. Sabine Schreiber-Costa

Leiterin des Referats Bildungsmanagement, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), © BG RCI / Anke Wunschik

Vorgesetzte sind in der Pflicht

Ist eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aufgrund von Alkoholeinfluss nicht mehr in der Lage, sicher und sorgfältig zu arbeiten oder stellt sogar eine Gefahr für sich und andere dar, sind Vorgesetzte zum Eingreifen verpflichtet. Bei einer wahrgenommenen geringfügigen Beeinträchtigung sollten Vorgesetzte die auffällige Person vorerst von der Tätigkeit entbinden und vor Ort beobachten, bis sich der Zustand normalisiert hat. Ist die Person allerdings stark alkoholisiert und deutlich beeinträchtigt, darf ein Vorgesetzter sie nicht unbeaufsichtigt lassen. „In dem Fall muss man denjenigen oder diejenige nach Hause bringen oder von einem Angehörigen abholen lassen. Man muss sicherstellen, dass er oder sie unversehrt dort ankommt und im besten Fall in Empfang genommen wird“, erklärt Sabine Schreiber-Costa. „Es ist nicht einfach, einzuschätzen, in welchem Zustand die Person wirklich ist. Daher rate ich, lieber auf Nummer sicher zu gehen und sie nicht einfach alleine nach Hause zu schicken.“ Wirkt die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sehr desorientiert, sollte notfallmedizinische Hilfe angefordert werden.

Konstruktiven Leidensdruck aufbauen

Muss eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aufgrund von Alkoholkonsum nach Hause geschickt werden, sollte der Arbeitgeber das offene Gespräch suchen. „Im besten Fall war das eine einmalige Sache. Kommt das hingegen häufiger vor, sollte der Arbeitgeber aktiv werden und konstruktiven Leidensdruck aufbauen“, sagt Sabine Schreiber-Costa. Viele Unternehmen haben eine Betriebsvereinbarung zum Thema Suchtprävention, die eine mehrstufige Intervention vorsieht. „Oft ist es so, dass nach jedem Vorfall ein Gespräch geführt wird. Nach einer gewissen Anzahl an Gesprächen folgen arbeitsrechtliche Konsequenzen“, führt die Expertin aus. Dadurch wird klar, dass der Arbeitsplatz in Gefahr ist, wenn sich nichts ändert. „Der konstruktive Teil ist jedoch sehr wichtig. Ein Arbeitgeber darf nicht nur Konsequenz in Aussicht stellen, sondern muss auch Hilfe anbieten. Es muss klar sein: Wenn die Person etwas ändern will, es aber aus eigener Kraft nicht schafft, können interne und externe Angebote in Anspruch genommen werden – auch eingeleitet und begleitet vom Arbeitgeber.“ In vielen größeren Unternehmen gibt es etwa Suchtbeauftragte, an die man sich wenden kann. Darüber hinaus bieten externe Beratungsstellen Unterstützung an. „Ich halte es für wichtig, dass Unternehmen Kontakte zu Fachkliniken oder Entgiftungseinrichtungen haben. Wenn jemand bereit ist, etwas zu tun, muss er schnelle Hilfe bekommen und nicht erst auf einen Therapieplatz warten müssen.“

Wenn der Chef ein Alkoholproblem hat

Nicht nur Vorgesetzte stehen immer wieder vor der Herausforderung, dass Angestellte ihren Konsum nicht im Griff haben. Auch sie selber können betroffen sein. Wie Untersuchungen des Stanford Forschungsinstituts zeigen, liegt bei Führungskräften im Durchschnitt sogar doppelt so häufig eine diagnostizierte Alkoholabhängigkeit vor wie bei Personen ohne Führungsverantwortung. Das hängt nicht selten mit dem Leistungsdruck und dem erhöhten Arbeitsumfang zusammen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es eine sehr schwierige Situation, wenn der Chef oder die Chefin ein Alkoholproblem hat. Sabine Schreiber-Costa rät, in so einem Fall das Problem offen anzusprechen, damit die Person im besten Fall selber Konsequenzen ziehen kann. „Aber das funktioniert natürlich nicht immer“, führt sie aus. „Viele haben Angst, dass sie dadurch Probleme bekommen. Denn suchtmittelabhängige Vorgesetzte gehen zum Teil sehr gnadenlos mit Mitarbeitern um, die sie darauf hinweisen.“ In solch einem Fall rät die Expertin, sich mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuschließen. „Gemeinsam kann man dann eine Stufe höher in der Hierarchieebene gehen, um den Fall dort zu melden. Das ist in so einer Situation eher von Erfolg gekrönt.“ MW (25.10.2019)

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