Fahrer betrunken, Fahrzeug beschlagnahmt
Wie sinnvoll ist der Vorschlag des Deutschen Verkehrsgerichtstags?
Bei Unfällen sind nicht selten Alkohol oder Drogen im Spiel
© Luftbildfotograf / stock.adobe.com
Alkohol oder Drogen sollten im Straßenverkehr keinen Platz haben. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Unter dem Einfluss von Rauschmitteln ereignen sich viel zu viele Verkehrsunfälle. Soll man deshalb Menschen, die wiederholt dabei erwischt werden, wie sie alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss Auto fahren, das Fahrzeug nicht einfach wegnehmen? Auf diesen Vorschlag des Expertengremiums „Deutscher Verkehrsgerichtstag“ gibt es ganz unterschiedliche Reaktionen.
Verkehrsunfälle unter Alkohol- und Drogeneinfluss
Im Jahr 2022 kam es in Deutschland zu 38.771 Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss. In 16.800 Fällen kam es dabei zu Personenschäden, bei denen etwa 20.100 Menschen getötet oder verletzt wurden. Rund 167.000 Alkohol- und Drogenverstöße im Straßenverkehr sind für das Jahr 2022 dokumentiert. Alkohol am Steuer ist dabei vor allem ein Problem junger Männer. So ist die Altersgruppen der 25- bis 34-Jährigen am häufigsten an Alkoholunfällen mit Personenschäden beteiligt. Auf dem diesjährigen Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde deshalb eine Empfehlung verabschiedet, nach der bei schweren Unfällen unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss die Fahrzeuge eingezogen werden können. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag (VGT) ist eine jährlich stattfindende Konferenz für Straßenverkehrsrecht. Schwerpunkt ist die Rechtsprechung in Verkehrssachen. Die Empfehlungen der VGT werden häufig von der Politik bei der Ausgestaltung von Gesetzen und Vorschriften berücksichtigt. Die Juristinnen und Juristen des VGT schlagen vor, dass Fahrzeuge sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit nach einer strafbaren Fahrt unter Alkohol- oder Drogeneinfluss eingezogen werden können. Als Voraussetzung solle dabei gelten, dass der Fahrer in den letzten fünf Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Trunkenheitsfahrt rechtskräftig verurteilt worden wurde. Eine Straftat kann bereits bei einem Blutalkoholwert von 0,3 Promille vorliegen, wenn es zu einem Unfall kommt und die fahrende Person Ausfallerscheinungen zeigt. Der Einzug der Fahrzeuge soll nicht nur für Autos, sondern auch für Motorräder, Fahrräder oder Roller gelten. Er soll auch dann möglich sein, wenn das Fahrzeug gar nicht dem Unfallverursacher gehört, also zum Beispiel geleast wurde, oder wenn es sich um ein Firmenfahrzeug handelt. Bei manchen Delikten wie beispielsweise illegalen Straßenrennen kann schon heute das Fahrzeug eingezogen werden.
Präventive Wirkung wird bezweifelt
Der ADAC sieht den Vorschlag, das Fahrzeug bei strafbaren Trunkenheitsfahrten einzuziehen, eher skeptisch. Zwar müssten diese effektiv bekämpft werden, so der Automobilclub in einer Stellungnahme, doch dabei sollten der Aufwand und das Ergebnis eines Fahrzeugeinzugs sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Zum einen sei nicht klar, wie sich die Beschlagnahme und Einziehung des Fahrzeugs in die Gesamtstrafe aus Führerscheinmaßnahme (Entziehung der Fahrerlaubnis) und Geldstrafe einfügen soll. Wenn das Fahrzeug sich zudem nicht im Eigentum der Nutzer befindet, etwa weil es geleast oder fremdfinanziert ist, gebe es hohe rechtliche Hürden. Eine präventive Wirkung bezweifelt der ADAC ebenfalls. Bei den illegalen Straßenrennen oder dem Fahren ohne Fahrerlaubnis hätte die Möglichkeit der Einziehung von Fahrzeugen nicht dazu geführt, dass die Zahl der Straftaten zurückgegangen sei. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV), lehnt eine Erweiterung des bisherigen Sanktionssystems vehement ab. Nach Paragraph 316 des Strafgesetzbuches (StGB) kann ein Fahrer, der unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ein Fahrzeug führt, obwohl er dazu eigentlich nicht mehr in der Lage ist, mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. Das gilt auch, wenn er die Tat fahrlässig verübt. „Diese Sanktion ist so erheblich, dass es keiner weiteren Ausweitung auf der Rechtsfolgenseite bedarf“, meint Rechtsanwalt Thomas Noack von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Außerdem sprächen auch praktische Probleme gegen eine Einziehung von Täterfahrzeugen. „Soll der Fahrer, der ein Mietfahrzeug führt, gegenüber demjenigen, der sein eigenes benutzt, privilegiert werden? Wie sollen die Fälle gelöst werden, bei denen der Fahrer sich ohne Einverständnis des Halters z. B. ein Familienfahrzeug mit dem Zweitschlüssel genommen hat?“
Michael Mertens, Stellvertretender Bundesvorsitzender und Verkehrsexperte der GdP ist zugleich Landesvorsitzender des Bezirks NRW
© GdP NRW
GdP unterstützt den Vorschlag des Verkehrsgerichtstags
Positiv bewertet dagegen die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Forderung des Verkehrsgerichtstags, dass in Zukunft Fahrzeuge, die unter Alkoholeinfluss genutzt worden sind, eingezogen werden können. Vergleichbare Regelungen gebe es bereits in mehreren anderen europäischen Ländern. Michael Mertens, GdP-Verkehrsexperte, stellvertretender Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender der Gewerkschaft in NRW, hat am Verkehrsgerichtstag in Goslar teilgenommen. Er erklärt dazu: „Beispielsweise unsere Dänischen Kolleginnen und Kollegen berichten eindrucksvoll von der positiven Wirkung, die die dortigen Regelungen zur Einziehung und zum Auktionieren von Fahrzeugen haben. Übrigens auch in Fällen erheblicher Geschwindigkeitsverstöße. Und auch wenn es sich um geleaste Fahrzeuge handelt. Solche Sanktionen sind – neben der Erhöhung des Entdeckungsrisikos für Verstöße durch eine personelle Stärkung der Verkehrspolizeien hierzulande – ein wichtiger Baustein auf dem Weg der Erreichung der gesteckten Ziele zur Umsetzung der Vision Zero. Hier stellt sich mir schon die Frage, warum uns diese Möglichkeit in Deutschland nicht zur Verfügung stehen sollte. Als GdP setzen wir uns dafür ein, dass Verkehrsregeln und Sanktionen für Verstöße europaweit harmonisiert werden, um ein gleichmäßig hohes Niveau der Verkehrssicherheit in ganz Europa zu gewährleisten.“
TE (24.04.2024)
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