< Geplündert, geschmuggelt, verscherbelt

Gefahren durch gefälschte Pflanzenschutzmittel

Das Geschäft mit illegalen Pflanzenschutzmitteln in Europa boomt. Das Europäische Polizeiamt (Europol) geht davon aus, dass rund zehn Prozent der Mittel auf dem weltweiten Pestizidmarkt gefälscht sind. Die billigen Kopien verursachen nicht nur enorme wirtschaftliche Schäden. Gefälschte oder nicht genehmigte Mittel können außerdem schlimme Folgen für die Gesundheit und die Umwelt haben. Auf der Suche nach Strategien zur Bekämpfung fordern Experten unter anderem eine stärkere Kontrolle des Internethandels.

Gefälschte Pflanzenschutzmittel

Handel mit illegalen Pestiziden – ein wachsendes Problem


Der kriminelle Handel mit Pflanzenschutzmitteln ist ein lukratives Geschäft

© henryn0580/stock.adobe.com

 

Das Geschäft mit illegalen Pflanzenschutzmitteln in Europa boomt. Das Europäische Polizeiamt (Europol) geht davon aus, dass rund zehn Prozent der Mittel auf dem weltweiten Pestizidmarkt gefälscht sind. Die billigen Kopien verursachen nicht nur enorme wirtschaftliche Schäden. Gefälschte oder nicht genehmigte Mittel können außerdem schlimme Folgen für die Gesundheit und die Umwelt haben. Auf der Suche nach Strategien zur Bekämpfung fordern Experten unter anderem eine stärkere Kontrolle des Internethandels.

 

Der Handel mit illegalen Pflanzenschutzmitteln ist nach Einschätzung von Europol einer der am schnellsten wachsenden Bereiche der organisierten Kriminalität innerhalb der Europäischen Union. Untersuchungen des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zufolge beträgt der jährliche wirtschaftliche Verlust durch gefälschte Pflanzenschutzmittel in der EU rund 1,3 Milliarden Euro. Allein in Deutschland gehen der Industrie durch gefälschte Pestizide jährlich Einnahmen von fast 300 Millionen Euro sowie rund 500 Arbeitsplätze verloren. Hierzulande gilt insbesondere der Hamburger Hafen als eine der Drehscheiben für den kriminellen Handel mit diesen Produkten. Die Lieferungen stammen zu einem überwiegenden Teil aus Asien und sollen über Hamburg weiter nach Osteuropa befördert werden. Über das Internet oder durch Schmuggel gelangen die Mittel dann von Osteuropa aus auf den gesamten EU-Markt, unter anderem auch wieder zurück nach Deutschland. Das Problem: Gerade im Internet ist einer Kontrolle der Mittel aufgrund mangelnder Proben massiv erschwert. Bei einer anderen Methode täuschen sogenannte Parallelhändler unter dem Deckmantel von Parallelimporten vor, zugelassene Pflanzenschutzmittel aus anderen EU-Staaten in Verkehr zu bringen, obwohl es sich in Wirklichkeit um nachgemachte Produkte aus dubiosen Quellen handelt. „Produkt- und Markenpiraterie sind keine Kavaliersdelikte.“, weiß Frank Buckenhofer, stellvertretender Vorsitzender des Bezirk Bundespolizei und Vorsitzender der GdP Zoll. „Mit ihnen werden große Summen illegal verdient, die den Markt empfindlich stören und zerstören können. Darüber hinaus schädigen sie die einzelnen redlichen Wirtschaftsbeteiligten und gefährden die Verbraucherinnen und Verbraucher.“

Illegale Pflanzenschutzmittel sind Produkte, die in Deutschland nicht verkehrsfähig sind, weil sie entweder keine Zulassung bzw. Genehmigung haben oder weil sie in der konkreten Zusammensetzung nicht der Zulassung oder Genehmigung entsprechen. (Definition nach BVL)

Risiken für Mensch und Umwelt

Neben dem hohen wirtschaftlichen Verlust gehen mit der Verwendung illegaler Pestizide enorme Risiken für Umwelt und Verbraucher einher. Die gefälschten Mittel bestehen sind in der Regel mit unzulässigen Stoffen kontaminiert oder bestehen aus unbekannten Chemikalienmixturen, die niemand geprüft hat. Da die Ware oft falsch gekennzeichnet ist, können sich Landwirte nicht sicher sein, was genau darin enthalten ist. Die Folge: Nicht nur Pflanzen und Umwelt können durch die Verwendung der Fälschungen geschädigt werden, sondern letztendlich auch der Verbraucher. Untersuchungen haben ergeben, dass die illegalen Mittel zum Teil sogar krebserregende oder erbgutschädigende Substanzen beinhalten. Häufig seien die Stoffe außerdem besonders schnell entflammbar und dadurch eine massive Gefährdung für den Transport.

Frank Buckenhofer, stellvertretender Vorsitzender des Bezirk Bundespolizei & Vorsitzender der GdP Zoll (Bundesfinanzpolizei)

© Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Sicherheit gibt nur das Original

Landwirten empfiehlt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Pflanzenschutzmittel nur bei bekannten und vertrauenswürdigen Händlern zu ordern, die ihre Produkte genau kennen und eine nachvollziehbare Firmenadresse haben. Darüber hinaus rät das BVL, die Verpackungen vor der Verwendung stets genau zu überprüfen und darauf zu achten, dass die gekauften Mittel ordnungsgemäß etikettiert sind. Bei unrealistischen Preisen und auffälligen Rabatten sollte man misstrauisch sein. Weitere nützliche Infos, unter anderem zur EU-Zulassungsverordnung und zum deutschen Pflanzenschutzrecht, sowie Tipps für den Händler-Check hat das BLV in einem kompakten Flyer zusammengestellt.

Operation „Silver Axe“ gelingt Rekordschlag

Bei Pflanzenschutzmitteln handelt es sich, ähnlich wie bei Arzneimittel, um streng regulierte Chemikalien, die einem aufwändigem Zulassungsverfahren unterliegen. Im Rahmen von Marktkontrollen suchen die Pflanzenschutzdienste der Bundesländer aktiv nach illegalen Pflanzenschutzmitteln und verhängen Ordnungsmaßnahmen, zum Beispiel Bußgelder. Zur Unterstützung der Bundesländer hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bereits im Jahr 2013 eine Task Force gegründet. Sie fungiert als Ansprechpartner für die zuständigen nationalen und internationalen Behörden und Institutionen. Außerdem werden Im BVL-Labor Analysemethoden entwickelt, um verdächtige Produkte umfassender untersuchen und somit illegale Pflanzenschutzmittel identifizieren zu können. Auf EU-Ebene wurde im Jahr 2012 von Europol die Operation „Silver Axe“ gegründet. Insgesamt 1.222 Tonnen illegaler und gefälschter Pflanzenschutzmittel konnten seitdem bereits sichergestellt werden. 2019 ist der Operation ein neuer Rekordschlag gelungen: 550 Tonnen gefälschte Pestizide – so viel wie noch nie zuvor – wurden von den beteiligten Behörden beschlagnahmt. Ein weiterer Lichtblick: Die neue EU-Kontrollverordnung 2017/625 sieht seit 2019 neben Kontrollmaßnahmen für Lebensmittel, Futtermittel und Bedarfsgegenständen erstmals klare Regelungen für die Kontrolle des Handels und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vor.

Stärkere Kontrollen, mehr Kooperation

Um den illegalen Handel mit gefälschten Pestiziden langfristig einzudämmen, sprechen sich Experten unter anderem für noch stärkere polizeiliche Kontrollen und mehr Kooperation aus. „Zu den gesetzlichen Aufgaben des Zolls gehört die erfolgreiche Schmuggelbekämpfung“, so Frank Buckenhofer. „Diese setzt allerdings verstärkt risikoorientierte Kontrollen sowie strategische Ermittlungen und Marktanalysen voraus. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) – Bezirksgruppe Zoll – kritisiert seit Jahren, dass diese wichtigen polizeilichen Aufgaben des Zolls mit viel zu wenig Personal, viel zu wenig intensiv und vor allem in untauglichen Strukturen ausgeführt werden.“ Bessere Strategien könnten laut GdP Zoll entwickelt und umgesetzt werden, wenn die Kontrolleinheiten und die Zollfahndung, die bisher getrennt als „Patchwork“ organisiert sind, miteinander verzahnt wären. Buckenhofer: „Aus diesem Grund fordern wir, die vollzugspolizeilichen Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungseinheiten zu einer schlagkräftigen Finanzpolizei zu bündeln, in der die Kontrollen, Fahndungen und Ermittlungen aus einer Hand gesteuert und durchgeführt werden.“ KF (28.02.2020)

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