Das gesellschaftliche Klima in den Städten wird vielerorts rauer. Es gibt Rempeleien und verbale Attacken im Straßenverkehr, Übergriffe auf Ordnungskräfte an den Wochenenden durch junge alkoholisierte Menschen, Schlägereien unter verfeindeten Gruppen oder Großfamilien. Um alle diese Phänomene in den Griff zu bekommen, arbeiten die Ordnungsämter in vielen Kommunen eng mit der Polizei zusammen, denn Kriminalprävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zum Beispiel in der Stadt Offenbach.
„Sicher sichern“ gegen Fahrraddiebstahl
In Offenbach verfolgt man schon seit vielen Jahren eine nachhaltig wirkende Strategie der Kriminalprävention. Das Ziel: Kriminalität verhüten oder mindern und in ihren Folgen geringhalten. Um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, trifft sich unter dem Vorsitz des Ordnungsdezernenten regelmäßig die Lenkungsgruppe Prävention. Regelmäßige Teilnehmer sind unter anderem der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Südosthessen, der Leiter des Offenbacher Ordnungsamts, der Vorsitzende der Ausländerbeirates, die Vertreterin des Jugendamtes sowie der Vorsitzende des Vereins „Sicheres Offenbach“. Seitens der Polizei nehmen auch die Leitungen von E 4 (Kriminalprävention) und der Polizeidirektion teil: „Einmal im Jahr stellt die Polizei in diesem Kreis die Kriminalstatistik vor und wir überlegen gemeinsam, wo besonderer Handlungsbedarf besteht“, erläutert Frank Weber, Abteilungsleiter im Ordnungsamt und Leiter der „Geschäftsstelle Kommunale Prävention“. „Ein Beispiel für die daraus resultierende gute, und konstruktive Zusammenarbeit von Stadt und Polizei ergab sich, nachdem die Fallzahlen bei Fahrraddiebstählen gestiegen waren.“ Wie diese aussah, erläutert Daniel Krüger, zuständiger Sachgebietsleiter im Ordnungsamt: „Ich war mit einem Kollegen von der Polizei in den Schulen. Wir haben den Schülerinnen und Schülern gezeigt, wie schnell so ein Fahrradschloss aufgebrochen werden kann. Wir haben für die Fahrradpass-App der Polizei geworben und ihnen Tipps für sichere Schlösser und Abstellmöglichkeiten gegeben. Zudem hatten wir gemeinsam mit der Polizei einen Flyer entwickelt, den wir vor Ort verteilten.“ Die Aktion hieß „Sicher sichern“ und sie hat zu einem nachhaltigen Lernerfolg geführt. Die Fälle von Fahrraddiebstählen in Offenbach sanken in der Folge deutlich.
Zivilcourage-Aktion „Gewalt sehen – helfen“
In vielen hessischen Städten werden unter dem Motto „Gewalt sehen – helfen“ Workshops mit Bürgerinnen und Bürger zum Thema Zivilcourage angeboten, so auch in Offenbach. Die Teilnehmenden lernen, wie sie sich in gewaltträchtigen Situationen richtig verhalten sollen. Sie finden in der Volkshochschule statt, aber auch in Betrieben. Coronabedingt mussten diese stark nachgefragten Kurse pausieren, da sie mit Rollenspielen verbunden sind. Doch im November 2021 soll es wieder mit solchen Kursen weitergehen, hoffen Weber und Krüger. Während Corona hat sich der Schwerpunkt der Gewaltpräventionsarbeit in Offenbach generell verändert: „Wir mussten viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Nichtbeachten der Corona-Schutzmaßnahmen einleiten,“ so Daniel Krüger. Die Stadt hat die Bürgerinnen und Bürger mit einer Info-Kampagne, unter anderem mit großen Plakaten, auf die geltenden Coronaregeln aufmerksam gemacht. „Auch das ist Präventionsarbeit“, meint Krüger, in dessen Sachgebiet die Corona-Bußgeldverfahren federführend bearbeitet werden. Eine klare Kommunikation führt zu weniger Verunsicherung in Bezug auf das zu erwartetende Verhalten und somit auch zu weniger Stresssituationen für die Bürgerinnen und Bürger bei Begegnungen mit dem Ordnungsamt oder der Polizei.
Der Offenbacher Methodenkoffer
Die Schulen erhalten durch den bereits 2005 erarbeiteten „Offenbacher Methodenkoffer zur Gewaltprävention“ Beratung und Unterstützung bei der Analyse des Bedarfs an der jeweiligen Schule und bei der Auswahl und Finanzierung der passenden Präventionsmaßnahmen. Kernmodule sind neben den Schul-AGs zur Gewaltprävention auch überregionale Präventionskonzepte wie „Faustlos“, „Eigenständig werden“, „Cool sein, Cool bleiben“ oder „PIT – Prävention im Team“. Sie befähigen die Schülerinnen und Schüler, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Es gibt auch täterorientierte Konzepte mit Fallgesprächen und konfrontativen Ansätzen, um Grenzen aufzuzeigen, über Sanktionen zu reden und klare Erwartungen zu formulieren. Sie werden in enger Zusammenarbeit mit der Polizei umgesetzt, erläutert Weber: „Die Polizei unterstützt die Schulen und die Stadt bei vielen Projekten und Maßnahmen zur Gewaltprävention tatkräftig. Bei Info-Veranstaltungen haben wir meist unsere Stände nebeneinander.“
Über das „Gewaltbarometer“ ins Gespräch kommen
Ein immer wiederkehrendes Datum der gemeinsamen kommunalen Präventionsarbeit von Polizei und Ordnungsamt ist der jährliche Präventionstag, der im Einkaufzentrum „Ring-Center“ in Offenbach durchgeführt wird. Dort stellen sich viele Behörden, Vereine und Verbände, die sich in Offenbach mit Präventionsarbeit befassen, dem Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. 2019 stand der zwölfte und bislang letzte Präventionstag unter dem Motto „Wir sind Offenbach“. Neben der Landespolizei und dem Ordnungsamt ist häufig auch die Bundespolizei vertreten. Der Präventionstag wendet sich zwar in erster Linie an Schülerinnen und Schüler, aber am Stand des Ordnungsamts im Einkaufszentrum können alle Passanten beim Gewaltbarometer ihre Stimme abgeben. Sie werden zum Beispiel gefragt: Ist es für Sie bereits Gewalt, wenn sich ein Fahrgast beim Einsteigen in den Bus vordrängelt oder wenn ein Autofahrer mir die Vorfahrt nimmt? Es gibt vier Antwortmöglichkeiten: „Ja“, „Eher ja“, „Eher nein“ und „Nein“. Die Menschen können über rote Punkte, die sie auf die Wertungsfelder kleben, ihre Meinung dokumentieren. „Das dient vor allem dazu, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“ erläutert Frank Weber: „Oft interessieren sich die Menschen dann im Gesprächsverlauf dafür, an einem Zivilcourage-Workshop teilzunehmen.“ Weber hofft, dass es im kommenden Jahr wieder einen Offenbacher Präventionstag geben wird.
Ausführliche Informationen zur kommunalen Präventionsarbeit in Offenbach finden Sie auf der Website der Stadt.
Etablierte Formate nach Corona wieder beleben
Das Präventionsprogramm der Stadt Offenbach wird wieder Fahrt aufnehmen, ob dies nun die Workshops für Zivilcourage betrifft, die Gewaltprävention an Schulen oder auch die Suchtprävention: „Wir konzentrieren uns dabei auf die Weiterführung der etablierten Formate“, berichtet Weber, „aber wir planen auch immer wieder neue Aktionen.“ So soll es mit der Fachstelle für Suchtprävention beim Suchthilfezentrum Wildhof e.V. Angebote demnächst geben zur Prävention von Glückspielsucht. Zudem will das Ordnungsamt im Bereich Verkehrsprävention gemeinsam mit Polizei und Verkehrswacht eine Aktion zu E-Bikes erarbeiten, denn viele Menschen sind ohne Helm mit ihren E-Bikes unterwegs, die 25 Stundenkilometer Geschwindigkeit erreichen. Denn obwohl hessenweit die Verkehrsunfälle 2020 insgesamt zurückgingen, stieg die Anzahl von beteiligten E-Bikes. Krüger: „Da wollen wir für etwas mehr Vorsicht werben.“
WL (24.09.2021)