Für manche Menschen sind sie eine Alternative zum Auto, für andere sogar Inbegriff der Verkehrswende: Lastenräder, auch Cargobikes genannt, boomen, vor allem in den Großstädten. Zuletzt haben sich Lastenräder mit Unterstützung von Motoren immer mehr durchgesetzt. Doch einige Rückrufe werfen auch Fragen zur Sicherheit dieser Räder auf. Hat das Lastenrad dennoch eine Zukunft? Und worauf sollte man beim Kauf und bei der Nutzung achten?
In diesem Text erfahren Sie:
- welche Vorteile Lastenräder für das Klima, Unternehmen und Privatpersonen haben
- was man beachten sollte, wenn man sich ein Lastenrad anschaffen möchte
- welche Risiken und Gefahren beim Transport von Kindern entstehen können
- was über Sicherheitsmängel von Lastenrädern bekannt ist
- wie der Markt in Deutschland reguliert ist und welches Fazit man zur Sicherheit von Lastenrädern ziehen kann
Entlastung für Städte, Unternehmen und Familien
Lastenräder können im Vergleich zu klassischen Lieferfahrzeugen eine erhebliche Menge an CO2-Emissionen einsparen. Ein weiterer Vorteil: Sie helfen dabei, den Verkehr effizienter zu gestalten. Dank ihrer kompakten Größe und Wendigkeit können sie in engen Straßen und überfüllten Zonen problemlos manövrieren, was den Verkehr flüssiger macht und für andere Verkehrsteilnehmer weniger belastend ist. Davon profitieren vor allem Städte, in denen der Platz ohnehin begrenzt ist. Auch für Unternehmen bieten Lastenfahrrädern einige Vorteile. Besonders für Lieferdienste, Handwerksbetriebe und Einzelhändler kann der Umstieg auf Lastenfahrräder die Betriebskosten deutlich senken. Ein weiterer Vorteil ist die höhere Flexibilität im Lieferverkehr. Lastenfahrräder sind schneller in der Lage, enge Straßen und belebte Stadtzentren zu durchqueren, wo sperrige Lkw und Transporter häufig feststecken. Lieferungen können daher effizienter und pünktlicher erfolgen. Für Pendler ist ein elektrisch betriebenes Lastenrad eine kostengünstige und flexiblere Alternative zum Auto, um schnell von A nach B zu kommen. Im Jahr 2024 wurden rund 80 Prozent aller Lastenräder mit Elektromotor gekauft. Ein weiteres großes Plus ist die Möglichkeit, größere Einkäufe oder schwere Güter zu transportieren. Besonders für Familien oder Personen ohne eigenes Auto kann das Lastenrad den Alltag ein gutes Stück erleichtern. Bei entsprechender Ausstattung werden Lastenräder auch zur Beförderung von einem oder mehreren Kindern genutzt.
Viele Einstiegsmodelle bieten Kindern bei einem Unfall keinen Schutz für Kopf und Oberkörper
Unfallforschung der Versicherer
Auf Wertigkeit achten
Wer über die Anschaffung eines Lastenrads nachdenkt, sollte sich vor allem eine entscheidende Frage stellen: Was will ich mit dem Rad transportieren und wohin? Auf jeden Fall sollten Fahrstabilität, Bremsverhalten und die Wertigkeit des Rades beim Kauf eine Rolle spielen. Für schwere Ladungen sind einspurige Lastenräder, also solche mit zwei Rädern, weniger gut geeignet. Denn darunter könne die Fahrstabilität leiden und die Fahrt unruhiger werden, heißt es vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Ein Pluspunkt: Man kommt damit gut durch enge Stellen, denn die Ladefläche ist nur so breit wie der Lenker. Für den teils gedrängten Stadtverkehr kommen demnach einspurige Räder eher infrage. Im Gegensatz dazu stehen die zweispurigen Lastenräder, die laut ADFC deutlich stabiler stehen und fahren. Dadurch können die Fahrer größere Lasten befördern, ohne dass das Rad kippt. Durch die großen und breiten Transportkisten können theoretisch sogar zwei Kinder nebeneinander transportiert werden. Die Preise von Lastenrädern variieren stark. Dabei sind die günstigsten Modelle ab knapp 1.000 Euro erhältlich. Bei hochwertigen Rädern, die schwere Lasten tragen oder sogar einen E-Motor besitzen, steigen die Preise. Je nach Modell kostet ein Lastenrad dann zwischen 2.000 und 10.000 Euro. Für ein Lastenrad mit vernünftiger Technik ist es daher ein guter Kompromiss, zwischen 4.500 und 5.000 Euro ausgeben.
Risiken beim Kindertransport
Was insbesondere viele Familien schockieren dürfte: Die meisten Lastenfahrräder sind für den Transport von Kindern nicht ausreichend geeignet. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen wissenschaftlichen Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV). „Eltern nutzen zur Mitnahme ihrer Kinder in Lastenfahrrädern überwiegend dreirädrige Einstiegsmodelle. Diese sind schwer zu fahren und hochgradig kippanfällig. Den Kindern bieten sie bei einem Unfall keinerlei Schutz für Kopf und Oberkörper“, sagt UDV-Leiterin Kirstin Zeidler. Weder Sitzbänke noch Rückenlehnen seien für die sichere Beförderung von Kindern ausreichend. Dazu komme, dass jedes zweite Kind im Lastenfahrrad keinen Helm trage und ein Drittel gar nicht oder nicht korrekt angegurtet sei. „Der häufigste Unfall bei Lastenfahrrädern ist der Alleinunfall, also ohne Beteiligung Dritter. Sicherer könnten Lastenfahrräder sein, wenn sie über Neigetechnik verfügten sowie Sitze mit Kopfschutz, wirksame Gurte und eine Sicherheitszelle als Aufprallschutz hätten“, so Zeidler.
Wer dennoch Kinder im Lastenfahrrad transportieren möchte, sollte laut ADFC auf jeden Fall darauf achten, dass das jeweilige Modell dafür zugelassen ist und das zulässige Gesamtgewicht dabei nicht überschritten wird. Für jedes beförderte Kind muss ein Sitzplatz und ein Gurtsystem vorhanden sein. Gleichzeitig sollten die Sitze so angeordnet sein, dass die Kinder nicht in die Speichen greifen können oder durch herumfliegende Gegenstände gefährdet sind. Der ADFC empfiehlt, erste Testfahrten zunächst ohne Kinder und mit ähnlich schweren Zuladungen auszuprobieren.
Sicherheitsmängel führen immer wieder zu Rückrufen
Im Frühjahr 2024 hatte der niederländische Lastenräder-Hersteller „Babboe“ für Aufsehen gesorgt: Die Firma startete einen internationalen Rückruf und gab den Verkaufsstopp für seine Cargobikes bekannt. Hintergrund der Aktion war, dass bei einigen Rädern in den Niederlanden die Rahmen gebrochen seien. Das daraus folgende Sicherheitsrisiko bedeutete für alle Kunden, die Lastenräder aus Vorsicht nicht mehr zu benutzen. Auch der niederländische Fahrradhersteller „Carqon“ ruft seit November 2024 verschiedene Modelle seiner Lastenfahrräder zurück. Die Europe Cycle Company (ECC), Hersteller und Vertreiber von E-Lastenrädern, hat im September 2024 über den Rückruf der elektrischen Lastenräder „Troy“ und „Vogue Journey“ informiert. Derzeit überprüfen Verbraucherschützer weitere bekannte Hersteller.
Markt in Deutschland sicherer
Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche äußerte sich Dirk Zedler, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Zukunft Fahrrad, im August 2024, dass der Eindruck entstanden sei, Lastenfahrräder seien grundsätzlich unsicher. Das sei aber nicht der Fall. Bei manchen Lastenrad-Marken sollte man dennoch vorsichtig sein. Er betont, dass es in der Branche hochwertige Hersteller gebe und solche, bei denen Preis statt Sicherheit im Vordergrund steht. Im Vergleich zu anderen Ländern wie den Niederlanden wird der Markt in Deutschland strenger reguliert. Hierzulande üblich sind etwa Prüfsiegel zur Sicherheit von Lastenrädern, die freiwillig und auf Kosten der Unternehmen beantragt werden können. Rahmen von günstigen Modellen bestünden häufig aus einem einzigen Rohr. Das macht sie anfälliger für Unfälle. Stehen die Lastenräder vor allem draußen und sind der Witterung ausgesetzt, können sie leichter rosten. Das kann Brüche begünstigen. Das sei auch dann der Fall, wenn die Kisten dauerhaft mit mehr Gewicht belastet werden, als empfohlen. Zedler rät daher, den Rahmen regelmäßig zu reinigen und dabei nach feinen Rissen Ausschau zu halten. Die Sicherheit beim Kindertransport wurde zuletzt Ende 2023 von der Prüfgesellschaft Dekra getestet. Hierzu kollidierte ein PKW mit 50 km/h mit einem stehenden Lastenrad – darin saß ein Test-Dummy. Das Ergebnis zeigte: Der Dummy wurde meterweit vom Rad geschleudert. „Zur Einordnung muss man sagen, dass der gleiche Test mit einem Rollstuhl, einem Kinderwagen oder einem Rollator die gleichen schockierenden Bilder erzeugt hätte“, gab der ADFC bekannt. Zudem ist die Sicherheit, beispielsweise der mitfahrenden Kinder, auch von entsprechenden Vorkehrungen der Eltern abhängig. Ein weiterer wichtiger Punkt: Um die Sicherheit über einen möglichst langen Zeitraum aufrechtzuerhalten, müssen auch Lastenräder – ähnlich wie Pkw – regelmäßig geprüft und gegebenenfalls repariert werden.
KF (28.03.2025)