Mobilität gehört zu den zentralen Bedürfnissen unserer Gesellschaft. Dabei sollten auch für Menschen mit Behinderungen keine Hürden bestehen. Wenn Rollstuhlfahrgäste befördert werden, sollten Fahrer und Begleiter jedoch unbedingt einige Sicherheitsvorkehrungen beachten. Denn mit den richtigen Maßnahmen können auch Rollstuhlnutzer ohne größere Sicherheitsbedenken mobil sein.
Sicher ans Ziel gebracht
Entscheidend für die sichere Beförderung sind zunächst die technischen Anforderungen an das Fahrzeug. Es bedarf zum Beispiel einer Einfahrhilfe für den Rollstuhl (Hebebühne oder Rampe) sowie geeigneter Rückhaltesysteme. Die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fordert seit September 2016 für neu zugelassene Fahrzeuge die Ausrüstung mit entsprechenden Rückhaltesystemen, wenn Rollstuhlnutzer im Rollstuhl sitzend befördert werden sollen. „Im besten Fall kann sich der Fahrgast auf einen Fahrzeugsitz umsetzen oder umgesetzt werden. Wenn ein Umsetzen praktisch nicht möglich ist, sollte die Rollstuhlbeförderung möglichst sicher gestaltet werden“, erklärt Susanne Stabel von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Dient der Rollstuhl auch als Fahrgastsitz, muss er bestimmten Anforderungen genügen, wie etwa auf Crashsicherheit geprüft sein. Bei der Rollstuhlversorgung sollte deshalb darauf geachtet werden, dass ein für die Nutzung als Sitz im Fahrzeug zugelassener Rollstuhl beschafft wird. Achten Sie dafür auf eine entsprechende Kennzeichnung am Rollstuhl.
Rollstuhl und Fahrgäste richtig sichern
Während der Fahrt müssen Fahrgast und Rollstuhl gesichert sein. Mit einem Rückhaltesystem nach DIN 75078 Teil 2, einem sogenannten Kraftknotensystem, lässt sich für viele Rollstühle eine besonders wirksame Rollstuhl- und Fahrgastsicherung gewährleisten. Der Rollstuhl sollte dafür im Idealfall an vier Punkten gesichert sein, zweimal vorne und zweimal hinten, und idealerweise am sogenannten Kraftknoten: einem vom Hersteller definierten stabilen Punkt am Rollstuhl, an dem auch der Beckengurt für die Personensicherung angebracht ist. Der Schulterschräggurt des Fahrzeugs wird in den Beckengurt am Kraftknoten eingeklickt und von dort gehen die vier Abspannungsgurte für den Rollstuhl ab zu den im Fahrzeugboden verankerten Befestigungsschienen.
Bedienfehler können fatale Folgen für die Sicherheit haben
Oft sind Bedienfehler ein Problem. Wenn Fahrgast und Rollstuhl schlecht oder im schlimmsten Fall gar nicht gesichert sind, kann das fatale Folgen für die Sicherheit haben. Deshalb ist eine gute Einweisung und Unterweisung des Fahrpersonals sehr wichtig. „Der gröbste Fehler wäre, wenn sowohl der Rollstuhl als auch der Fahrgast gar nicht gesichert sind. Dann ist der Fahrgast überhaupt nicht geschützt. Falsch ist es auch, den Rollstuhl nur hinten zu sichern, vorne aber nicht. Im Extremfall kippt der Rollstuhl dann beim Anfahren nach hinten und der Fahrgast fällt auf den Hinterkopf“, warnt die BGW-Expertin. Vor Fahrtantritt sollte der Fahrer darauf achten, dass alle Gurte straff angezogen sind. Schon ein loser Gurt kann bei einem Unfall zum Versagen des Gesamtsystems und damit zu schwersten Verletzungen beim Fahrgast führen, weil die auftretenden Kräfte nicht mehr richtig abgeleitet werden können. Prüfen Sie daher vor der Fahrt alle Gurte nochmal auf straffen Sitz.
Die Verantwortung liegt beim Fahrer
Im Zusammenhang mit der Änderung verkehrsrechtlicher Vorschriften ist im September 2016 auch §21a der Straßenverkehrsordnung um den Geltungsbereich für Rollstuhlnutzer erweitert worden. Für diese gilt jetzt ebenfalls die Anschnallpflicht. Der Fahrer des Fahrzeuges ist dafür verantwortlich, dass die vorhandenen Rückhaltesysteme für Rollstuhl und Rollstuhlinsassen angelegt werden. Seit Februar 2017 ist §21a auch bußgeldbewährt. Susanne Stabel empfiehlt, dass sich Fahrdienste bei seriösen Umbaufirmen über Möglichkeiten zur Nachrüstung von älteren Fahrzeugen und über die richtige Benutzung der Rückhaltesysteme informieren: „Die Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung sieht zwar keine Nachrüstpflicht vor. Natürlich kann man sich aber bei Fachfirmen erkundigen, ob es möglich und technisch machbar wäre, etwa einen Schulterschräggurt nachzurüsten, damit die Oberkörpersicherung gewährleistet ist.“ Damit bei der Nutzung der Rückhaltesysteme später keine Fehler passieren, sollte sich das Fahrpersonal über die korrekte Anwendung umfassend informieren. „Sprechen Sie die Umbaufirmen am besten gezielt darauf an, dass sie Ihnen eine ausführliche Einweisung geben.“
Auf den Seiten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) finden Interessierte viele Informationen und Beratungsangebote zur Beförderung von Menschen mit Behinderungen.
Sicheres Ein- und Aussteigen
Fahrdienste fahren täglich von Haltepunkt zu Haltepunkt, um dort Fahrgäste aufzunehmen und sicher zum Ziel zu bringen. Diese Haltepunkte müssen entsprechend früh erkennbar sein. Achten Sie bei vielbefahrenen Straßen auf den laufenden Verkehr und auf Radfahrer. Auf einem für alle Verkehrsteilnehmer gut einsehbaren Parkstreifen ist ein sicheres Ein- und Aussteigen der Fahrgäste möglich. Zudem bieten solche Haltepunkte genügend Platz, um eine Rampe oder Hebebühne auszubreiten. Allerdings sollte die Stellfläche dafür möglichst eben sein. Bei der Nutzung von Linearliften bzw. Hebebühnen besteht die Gefahr, dass Rollstühle nach hinten rollen und abstürzen könnten. Deshalb ist darauf zu achten, dass der Lift immer erst in Position gebracht wird, bevor die Rollstuhlsicherung im Fahrzeug gelöst wird. Die BGW unterstützt übrigens Inhouse-Trainingsangebote für Menschen mit Behinderungen, wie beispielsweise „sicher mobil“ im Rollstuhl. „Für die Fahrdienstverantwortlichen unserer Mitgliedsbetriebe bieten wir zudem auch Seminare für Fuhrpark- und Fahrdienstleiter an“, so Stabel. AL (30.06.2017)