Lachgas ist als Party- bzw. Modedroge auf dem Vormarsch
Lachgas ist als Party- bzw. Modedroge auf dem Vormarsch

Legal, aber gefährlich

"Modedroge" Lachgas

Lachgas wird laut der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) bei jungen Menschen immer beliebter. Dass viele das frei verkäufliche Gas für einen kurzen Rausch inhalieren, kann jedoch gefährliche Folgen haben. Unter anderem besteht das Risiko von Lähmungen und einer psychischen Abhängigkeit. Die Niederlande haben bereits reagiert und die Substanz auf die Liste der verbotenen Rauschmittel gesetzt. In Deutschland sind der Erwerb, Besitz und Konsum von Lachgas hingegen absolut legal.

Konsum in Europa steigt

Lachgas ist der gängige Begriff für Distickstoffmonoxid (N2O). Das farblose Gas mit süßlichem Geruch eignet sich sowohl zu medizinischen als auch zu industriellen Zwecken. In der Medizin wurde Lachgas erstmals 1844 vom Zahnarzt H. Wells eingesetzt, denn Lachgas hat eine schmerzstillende, betäubende Wirkung. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) sieht Lachgas derzeit als Party- bzw. Modedroge auf dem Vormarsch. Die EU-Behörde blickt in einem aktuellen Bericht mit Sorge auf aktuelle Fallstudien, die auf einen steigenden Konsum in vielen EU-Ländern vor allem bei jungen Menschen hinweisen. „Die zunehmende Nutzung von Distickstoffmonoxid zur Aufheiterung in manchen Regionen Europas ist besorgniserregend“, sagte der Leiter der in Lissabon ansässigen EU-Behörde, Alexis Goosdeel. In ihrem Bericht spricht die Behörde von einer dritten großen Nutzungsperiode von Lachgas – nach seiner Entdeckung 1772, als das Gas als bürgerliche Droge verwendet wurde, und einer zweiten Konsumwelle ab den späten 1960er-Jahren. Konsumspitzenreiter sind offenbar die Niederlande, wo Lachgas bereits die am häufigsten verwendete Droge unter Schülern sein soll. Aber auch in Deutschland nehme der Konsum unter Jugendlichen deutlich zu: In Großstädten wie Frankfurt berichten die Entsorgungsbetriebe, dass sie von den Straßen häufig Ballons und Kartuschen wegräumen müssen, aus denen das Gas konsumiert wird. Der besondere Reiz liegt für Jugendliche vor allem in der leichten und kostengünstigen Verfügbarkeit. Denn Lachgas kann völlig legal erworben werden und wird zum Beispiel als Treibgas in Spraydosen und als Aufschäummittel in Sahnespenderkapseln angeboten. Schülerinnen und Schüler kaufen Lachgas im Supermarkt oder bei Internethändlern wie Amazon je nach Größe bereits ab 50 Cent. Mittlerweile gibt es außerdem eigene Online-Shops und Social-Media-Accounts, die das Gas in Geschmacksrichtungen wie Pfirsich, Erdbeere oder Mango verkaufen. Beim aktuellen Hype um Lachgas spielt möglicherweise auch die Internetplattform Tiktok eine Rolle. Im Moment posten viele Jugendliche Kurz-Videos von ihren Lachgas-Challenges, die dadurch eine schnelle und große Verbreitung finden.

Schnelle Wirkung, kurzer Rausch

In der Partyszene wird Lachgas meist aus Ballons oder direkt aus Sahnespenderkapseln inhaliert. Den Rausch erleben die meisten als mild und angenehm, etwa als Trance oder wohlige Entspannung. „Wird Lachgas als Schnüffelstoff eingeatmet, so tritt nach wenigen Sekunden ein Rausch ein, bei dem schwache Halluzinationen, Wärme- und Glücksgefühle empfunden werden“, erläutert eine Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Dieser Rauschzustand halte allerdings nur wenige Minuten an, da Lachgas zügig wieder abgeatmet wird. Aus diesem Grund sei Lachgas laut EU-Experte Goosdeel in erster Linie ein Zeitvertreib für Jugendliche, die sonst keine oder nur wenig Drogenerfahrung haben. Für erfahrene Drogenkonsumenten sei das Gas uninteressant.

Lachgas greift die Nerven an

In der Partyszene wird Lachgas meist aus Ballons oder direkt aus Sahnespenderkapseln inhaliert. Viele der Konsumenten glauben, dass das Inhalieren von Lachgas gefahrlos sei – gerade, weil die Droge legal erhältlich ist. Das ist jedoch ein gefährlicher Irrtum. „Der Konsum von Lachgas ist keineswegs ohne Risiko“, bestätigt die BZgA. „Ab einem Anteil von 90 Prozent in der Atemluft werden Konsumenten bewusstlos. Durch den Sauerstoffmangel kann das Gehirn geschädigt werden.“ Bei häufigem Einatmen könnten außerdem die inneren Organe und das Nervensystem Schaden nehmen. Das könne Koordinationsstörungen nach sich ziehen und die Merkfähigkeit einschränken. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Um die Intensität der Inhalation und damit die Wirkung zu steigern, ziehen sich manche Konsumenten eine Plastiktüte über den Kopf. Falls Bewusstlosigkeit
eintritt, droht Erstickungsgefahr. Wird das Lachgas direkt aus einer Kapsel konsumiert, kann die Lippe an der Gasquelle festfrieren. Weitere akute Risiken sind Taubheits- und Schwindelgefühle, wodurch Stürze mit
Verletzungen drohen.“ Chronischer Missbrauch erhöhe zudem die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit. Bei Mischkonsum mit anderen Drogen können unberechenbare und unangenehme Rauschzustände eintreten. In Verbindung mit Alkohol komme es verstärkt zu Übelkeit und Erbrechen.

Für den kurzen Kick atmen Jugendliche das Gas entweder aus Sahnekapseln oder Ballons ein

© lenscap50/stock.adobe.com

Beschleunigung des Klimawandels

Was viele nicht wissen: Auch für unser Klima, insbesondere die Ozonschicht, ist Lachgas extrem schädlich. Denn ebenso wie Kohlendioxid und Methan zählt es zu den Treibhausgasen. Weil Lachgas etwa hundert Jahre lang in der Atmosphäre verbleibt, hat jedes Molekül dem Weltklimabericht des Weltklimarates zufolge einen etwa 300-fach stärkeren Treibhauseffekt als CO2 und belegt in seiner Summe damit – nach Kohlendioxid und Methan – Platz Drei der klimaschädlichen Gase. In den vergangenen 150 Jahren hat die Menge von Lachgas in der Atmosphäre um zwanzig Prozent zugenommen. Verantwortlich für den Anstieg ist die zunehmende Düngung in der Landwirtschaft.

Verbot in den Niederlanden

Wie das Gesundheitsministerium in Den Haag mitteilte, ist der Besitz und Verkauf von Lachgas in den Niederlanden seit dem 1. Januar 2023 verboten. Ausnahmen gelten für medizinische und technische Zwecke sowie für Lebensmittel. So dürfen Ärzte das Gas weiterhin als leichtes Betäubungsmittel einsetzen. Hersteller und Großhändler müssen eine entsprechende Befreiung vorweisen. Ob Deutschland dem Beispiel seiner Nachbarn folgt und ebenfalls mit einem Verbot auf den Trend hierzulande reagiert, bleibt abzuwarten. KF (Stand 31.03.2023)

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