Vorbildliche Zivilcourage
Hinsehen, Handeln und Helfen
Bundesinnenministerin Faeser übergibt den XY-Preis für Zivilcourage an Klara Cujé
© Jule Roehr/ZDF
Böblingen, im Oktober 2023: Drei Bauarbeiter hören die Hilferufe eines Jungen, dessen mutmaßlicher Entführer ihn in einem Auto eingesperrt hatte und befreien ihn. Dafür wurden sie mit einem Sonderpreis der Stadt Böblingen für Zivilcourage geehrt. Nicht immer sind die Fälle so spektakulär. Aber überall in Deutschland gibt es Menschen, die Fremden zur Hilfe eilen, wenn ihnen Gefahr droht.
Während der Corona-Pandemie mussten alle Institutionen auf öffentliche Preisverleihungen verzichten. Doch es gibt offensichtlich ein starkes Bedürfnis, Menschen zu danken, die sich uneigennützig in Gefahrensituationen für Mitmenschen einsetzen und so gab es 2023 und 2024 wieder zahlreiche Preisverleihungen. Es kommt dabei gar nicht so sehr auf die Preisgelder an, die zwischen 300 Euro und 10.000 Euro liegen, sondern auf die Botschaft, die von den öffentlichen Veranstaltungen und der Berichterstattung darüber ausgeht: Das Hinsehen, Handeln und Helfen im eigenen Lebensumfeld stärkt den Zusammenhalt in den Städten und Gemeinden und damit das friedliche Zusammenleben aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft. Um dies zu betonen, werden derzeit besonders oft Menschen mit Migrationsgeschichte ausgezeichnet. Der wichtigste deutsche Zivilcouragepreis wird alljährlich im Herbst von der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ des ZDF vergeben. Jochen Kopelke, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist dort Mitglied in der Jury.
Aber auch die Innenministerien einzelner Bundesländer, Kommunen wie Böblingen sowie verschiedene Vereine und Stiftungen vergeben Zivilcourage-Preise. Manche wurden zur Erinnerung an eine verstorbene Person gestiftet, die sich zu Lebzeiten vorbildlich verhalten hat. So gibt es in Köln einen Preis, der an den Büttenredner Karl Küpper erinnert, der in den 1930er Jahren in seinen Büttenreden couragiert gegen den Nationalsozialismus Stellung bezog.
Starke XY-Preisträger des Jahres 2023
Bundesinnenministerin Nancy Faeser übergab die Preise der ZDF-Sendung zur Aufklärung von Verbrechen. „Mir ist es als Schirmherrin sehr wichtig: Wenn Sie Verbrechen mitbekommen, bitte mischen Sie sich ein – für Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger“, sagte sie: „Retten Sie damit Leben, schauen Sie hin und helfen Sie dabei, Verbrechen aufzuklären.“ Die Preise gingen an Klara Cujé (62) aus Aachen, Mohamad Al Hasan (40) aus Mülheim und Yelyzaveta Kryshtal (26) und Lothar Christen (72) aus Bochum. Klara Cujé beobachtete frühmorgens von ihrem Arbeitsplatz aus auf einem öffentlichen Platz ein Paar beim Sex. Sie hatte den Verdacht, dass dieser nicht einvernehmlich erfolge und alarmierte die Polizei. Dadurch konnte ein Serienvergewaltiger gefasst werden. Mohamad Al Hasan erlebte den Angriff eines psychisch kranken Mannes mit einem Messer auf eine Seniorin mit, die er kannte. Er verständigte sowohl die Angehörigen als auch die Polizei und er konnte sogar den flüchtigen Täter aufspüren. Die beiden anderen Preisträger aus Bochum sahen am Silvesterabend 2022 auf einer U-Bahnstation, wie eine hilflose Person zusammengeschlagen wurde. Beide riefen unabhängig voneinander die Polizei an. Als sie am Tatort eintraf, konnte sie das Opfer gerade noch retten. Fünfzig weitere Passanten, die ebenfalls Zeugen desselben Verbrechens wurden, griffen hingegen nicht ein.
Kampagne der Polizei in Rheinland-Pfalz
Mit der Kampagne „Wer nichts tut, macht mit“ wirbt die rheinland-pfälzische Polizei seit vielen Jahren für mehr Zivilcourage in der Bevölkerung. Sowohl das Landesinnenministerium als auch einzelne Polizeipräsidien wie zum Beispiel in Trier zeichnen Menschen aus, die sich den Zielen der Kampagne entsprechend engagierten. Im Februar 2024 konnten 18 Personen in Trier von Polizeipräsidentin Anja Rakowski eine Urkunde als Dank entgegennehmen. Sie hatten Menschen in letzter Sekunde vom Selbstmord abgehalten, hilflose Personen bei Wohnungsbränden gerettet oder zur Festnahme einer Call-Center-Betrügerin beitragen, die mit einem Schockanruf an Geld kommen wollte. Michael Ebling, Innenminister von Rheinland-Pfalz, hob bei der Ehrung von Preisträgern auf Landesebene für das Jahr 2023 in Mainz hervor: „Zivilcourage bedeutet, in entscheidenden Momenten für das Richtige einzustehen. Sie haben durch ihren Einsatz und ihr beherztes Eingreifen bewiesen, dass auch in Zeiten von Krieg und Hass auf der Welt eine einzelne Person mit ihrem Handeln den Unterschied machen kann.” Zwei Männer und eine Frau aus Koblenz zum Beispiel hatten einer Mutter geholfen, deren kleiner Sohn von einem Mann mit einem Messer schwer verletzt worden war. Einer der Männer hielt den Täter fest, bis die Polizei kam. Eine Preisträgerin aus Mainz hatte beobachtet, wie die Polizei einen Mann festnehmen wollte, der sich heftig wehrte. Kurzerhand setzte sie sich gemeinsam mit einem weiteren Helfer auf die Beine des aggressiven Mannes und half so, ihn zu überwältigen.
Hilfe am Bahnhof in letzter Sekunde
Die Bürgerstiftung in Göttingen verlieh bei ihrer Ehrung von Menschen mit Zivilcourage im März 2024 den ersten Preis an den 19jährigen Hajimula Malangyar, der als unbegleiteter Jugendlicher aus Afghanistan nach Deutschland gekommen war. Kurz vor Weihnachten befand er sich auf Gleis 9 des Göttinger Bahnhofs und bemerkte dort eine im Gleis liegende hilflose Person. Er überlegte nicht lange, sprang vom Bahnsteig in das Gleisbett und zog den Mann auf den Bahnsteig hoch. Sekunden später kam der Zug. Ein weiterer Preisträger beobachtete einen Raub in der Göttinger Karstadt-Filiale. Der Räuber hatte tief in die Kasse gegriffen und einen vierstelligen Betrag erbeutet. Der Helfer hörte Hilferufe und erkannte die Situation. Er hielt den flüchtenden Täter fest und fixierte ihn, bis die alarmierte Polizei kam und den Täter festnahm.
Tipps zum richtigen Verhalten
Wer selbst in eine Situation gerät, in der Hilfe gefragt ist, sollte folgende Hinweise beachten:
- Kümmern Sie sich um das Opfer, ohne den Helden zu spielen
- Beobachten Sie die Situation genau, prägen Sie sich Tätermerkmale gut ein und handeln Sie eventuell aus der Distanz, wenn Ihnen eine direkte Intervention zu gefährlich erscheint
- Aktivieren Sie andere Personen und bitte Sie diese direkt um Mithilfe
- Verständigen Sie die Polizei unter 110
- Sagen Sie als Zeugin oder Zeuge aus, damit die Straftat umfassend aufgeklärt werden kann
WL (31.05.2024)
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