Der Einsatz von KI in der digitalen Forensik
KI-Programme richtig trainieren, Beweismittel sichern
Künstliche Intelligenz kann beim Aufklären von Straftaten helfen
© Gasi, stock.adobe.com
Ermittler der Kriminalpolizei stehen oft vor kniffligen Herausforderungen: Sie stoßen etwa auf stark verrauschte Telefonate in einer unbekannten Sprache, unscharfe oder schwer zuzuordnende Fotos oder andere nicht eindeutige digitale Spuren. Experten für digitale Forensik trainieren KI-Programme, um solche Indizien besser auswerten zu können und um Täter zu überführen.
KI-gesteuerte Programme bieten Kriminellen eine breite Palette von Möglichkeiten, um bekannte Betrugsmaschen mit neuen technischen Mitteln zu perfektionieren. „Das bringt nochmal einen richtigen Schub für Kriminelle“, sagt Prof. Dr. Dirk Labudde. Er leitet seit 2014 an der Fachhochschule in Mittweida den bundesweit ersten Studiengang für Allgemeine und Digitale Forensik. Er betont: „Ob Enkeltrick oder Social Engineering: Solche Delikte gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Die Kriminellen setzen nur immer wieder neue Technologien ein.“ Da mit Künstlicher Intelligenz Fotos, Stimmen und Videos täuschend echt manipuliert werden können, sieht Labudde die Wahrnehmung des Menschen vor ganz neuen Herausforderungen: „Welchem meiner Sinne kann ich noch trauen? Ist mein Gegenüber in einer Videokonferenz ein echter Mensch oder ein digitaler Doppelgänger dieses Menschen?“ Beim Thema Cybergrooming hat er selbst getestet, wie leicht man die KI für kriminelle Zwecke nutzen kann: Labudde gab sich bei ChatGPT als Sozialarbeiter aus und wollte von der KI wissen, mit welchen Worten und welcher Taktik man sich einem Kind nähern sollte, damit es vertrauen fasst. Von dem Ergebnis war Labudde überrascht: Die KI schlug ihm konkrete Schritte vor, die auch sogenannte Groomer unternehmen, also Erwachsene, die mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht Kontakt aufnehmen. „ChatGPT ist wie ein Übungsplatz für Groomer. Das war eigentlich das Erschreckende.“ Das funktioniert auch mit Bildern. Künstlerisch völlig unbegabte Kriminelle könnten sich mit sogenannten Multi-Prompting-Programmen Bilder generieren lassen, die Kinder im Netz optimal ansprechen und können sich so ihr Vertrauen erschleichen. „Aus Sicht der Kriminellen muss man sagen: Besser geht es nicht, wenn künstliche auf kriminelle Intelligenz trifft.“ Ein weiteres Beispiel: Um den Enkeltrick zu perfektionieren, benötigt man nur eine kurze Aufzeichnung der Stimme des echten Enkels, um damit – Dank KI – völlig authentisch wirkende Sprachnachrichten zu generieren, mit denen die Großeltern dann zu Zahlungen an unbekannte Dritte gedrängt werden.
Die KI kann überall Muster erkennen
In der Fachgruppe Forensik an der Fakultät für Angewandte Computer- und Biowissenschaften der Hochschule Mittweida trainieren die Fachleute KI-Programme, um sie als Waffe im Kampf gegen die Kriminalität zu nutzen. Im Podcastgespräch auf dieser Website berichtet Dirk Labudde von aktuellen Ansätzen: „KI, maschinelles Lernen und Deep Learning liefern uns einen Werkzeugkasten, der in vielen Bereichen der Ermittlung sinnvoll genutzt werden kann.“ Schon seit langem helfen IT-Programme zum Beispiel dabei, große Mengen von Daten zu vergleichen, zu klassifizieren und sehr schnell aufzubereiten, so dass man daraus Schlüsse für die Ermittlungen ziehen kann. Die KI-Programme ermöglichen jetzt neue Möglichkeiten bei der Suche nach Mustern. Sie vergleichen zum Beispiel Dinge, die auf Fotos zu sehen sind. Diese Eigenschaft wird bereits bei der Analyse des riesigen Datenmaterials eingesetzt, das bei der Verhaftung von Tätern im Bereich der Kinderpornographie beschlagnahmt wird. Die KI kann einmal gelernte Gegenstände in einer Bildersammlung ganz gezielt suchen und erkennen. „Wir verwenden KI auch für die Bildverbesserung“, erklärt Labudde. Dafür werden etwa Bilder übereinandergelegt. Mit KI kann man dann Bewegungsunschärfen wesentlich besser als früher aus Bildern herausrechnen. Und das ist noch nicht alles: „Für die Identifizierung von Personen nutzen wir nicht nur das Gesicht, sondern ein individuelles digitales Skelett, das wir „Rig“ nennen.“ Dieses Skelett wird von einer KI in Videobildern erstellt: „So entsteht ein dreidimensionales Gebilde, das wir dann mit dem Körperbau und dem Bewegungsablauf eines Riks aus einem anderen Video vergleichen können.“
Die KI muss richtig trainiert werden
Von ganz allein machen die KI-Programme die Arbeit jedoch nicht, betont Dirk Labudde: „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die KI gut trainieren. Dann können wir sie anwenden. Damit das Ergebnis vor Gericht Bestand hat, müssen wir jederzeit sagen können, aufgrund welcher Eigenschaften sich das KI-System so entschieden hat.“ Die Auswertung muss transparent und nachvollziehbar sein. Hinter den Ergebnissen der KI liegen Wahrscheinlichkeitsmodelle. Es muss klar sein, wie diese funktionieren. „Vor Gericht müssen wir sagen: Die KI hat dieses Tier oder diese Person an diesem oder jenem Merkmal erkannt. Wir müssen es nachvollziehbar gestalten.“
Expertise aus Mittweida ist gefragt
Den Audiopodcast mit Prof. Labudde können Sie hier nachhören.
Die Analysen, die Dirk Labudde und sein Team erstellen, sind keine akademischen Trockenübungen, sondern er ist auch als Gutachter vor Gericht sowie als Berater für Polizei und Staatsanwaltschaften tätig. Seitdem seine Expertise 2023 im Fall des Musikers Gil Ofarim zu einem entscheidenden Faktor für das Geständnis des Musikers wurde, der einen Hotelangestellten zu Unrecht des Antisemitismus beschuldigt hatte, nennen ihn Medien den „Star der digitalen Forensik“. Die in Mittweida trainierten KI-Programme helfen ihm, die Qualität seiner Analysen in Zukunft noch weiter zu verbessern. Labudde betont denn auch: „All das haben wir schon in der Praxis gemacht und auch in Gutachten niedergeschrieben und das eine oder andere sogar erfolgreich vor Gericht verteidigt.“
WL (25.10.2024)
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