Die Mail wirbt schon in der Überschrift mit einer bekannten Fernsehsendung: „Höhle der Löwen“ macht Deutsche reich mit Öl! Nico Neidhart, so der sprechende Name des Absenders, beklagt in seiner Mail, dass die Folge der bekannten Fernsehsendung mit dem Anlagetipp nicht ausgestrahlt werden darf: „Der Sender ist wütend!“ Klickt man den Link in der Mail an, wird man auf eine Seite weitergeleitet, die einer Nachrichtenseite des ZDF nachempfunden ist. Nur die Webadresse „festdecoration.myshopify“ sollte neugierige Nutzer stutzig machen. Sie erfahren, wie man über eine neue Tradingplattform täglich tausende Euro verdienen könne, indem man von den Schwankungen des Ölpreises während der Corona-Pandemie profitiert. Als prominenter Zeuge wird im Artikel Carsten Maschmeyer genannt, der sich in einem Zitat begeistert über diese neue Anlegestrategie äußert. Im Artikel gibt es dann einen Link, der auf eine Webseite namens „oil profit“ führt. Sie ist ebenfalls sehr aufwändig gestaltet: So gibt es ein Video, angeblich vom amerikanischen Sender CNBC, in dem Börsenprofis den Ölmarkt erklären, darunter läuft ein Börsenticker. In einem PopUp-Fenster wird suggeriert, dass sich ständig neue Nutzer anmelden würden. Zahlreiche Logos von IT-Sicherheitsfirmen und die Statements von bekannten Börsenprofis wie Jim Rogers und Warren Buffett sollen die Seriosität der Seite unterstreichen. Nur ganz am Ende der Seite, steht ganz klein unter „Erträge und Haftungsausschluss“: „Alle Figuren, Informationen und Ereignisse auf dieser Website sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit zu aktuellen Ereignissen oder Personen, lebend oder tot, ist reiner Zufall.“ Ist das alles nur ein aufwändiger Scherz; ein gut gemachtes Storytelling? Das könnte man meinen, wäre da nicht das Anmeldeformular mit der Aufforderung „ÄNDERN SIE HEUTE IHR LEBEN!“.

Die Trading-Seiten überzeugen mit vermeintlichen Informationen
© Screenshot
Schneller Reichtum
Kriminalhauptkommissar Hans-Joachim Henschel von der Zentralstelle Prävention im Landeskriminalamt Niedersachsen kennt sich mit solchen betrügerischen Trading-Plattformen aus. Neben Öl und anderen Rohstoffen sind es häufig Kryptowährungen wie Bitcoin, die den Anlegern einen schnellen und sagenhaften Reichtum versprechen. „Die Vorgehensweise bei diesen betrügerischen Trading-Seiten ist immer sehr ähnlich“, erzählt Henschel. „Über Mails oder Werbeanzeigen im Internet werden die Nutzer und Nutzerinnen auf Fake-Webseiten weitergeleitet. Diese imitieren mit Logos und Layouts die Webauftritte von bekannten Fernsehsendern oder Medien wie beispielsweise „Bild“ oder „FAZ“. Die Seiten dienen als scheinbare Referenz für einen Enthüllungsartikel, der belegen soll, dass den normalen Bürgerinnen und Bürgern Informationen zu erfolgreichen Anlagestrategien vorenthalten würden.“ Häufig werden dann populäre Fernsehsendungen genannt, in denen über diese Strategien berichtet wurde, die nun aber nicht ausgestrahlt werden dürften, weil Banker oder Politiker diesen geheimen Anlagetipp für sich behalten möchten. Immer geht es darum, die Nutzer auf eine betrügerische Tradingplattform zu leiten, bei der sie sich registrieren sollen, um dann Geld zu investieren. Häufig werden bei der Einrichtung eines Accounts dann persönliche Daten wie Name, Anschrift, Mailkontakt und Bankverbindung abgefragt. Zusätzlich können auch sensible Dokumente wie Scans von Personalausweis oder Kreditkarte eingefordert werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Daten und Dokumente auch über die Plattform hinaus künftig von den Tätern missbräuchlich verwendet werden.
![]()
Hans-Joachim Henschel, LKA Niedersachsen
© LKA Niedersachsen
Anleger ködern
Nach der Anmeldung geht es dann professionell weiter, weiß Henschel zu berichten: „Wenn man in seinem persönlichen Account-Bereich Geld auf ein virtuelles Tradingkonto eingezahlt hat, wird einem schon nach kurzer Zeit etwa über gefälschte Kontoauszüge ein hoher Gewinn angezeigt.“ Das soll den Nutzer motivieren, größere Summen zu investieren. Der Kriminalhauptkommissar weiß zwar von einzelnen Fällen, bei denen die Anleger ihr geringes Anfangskapital, zum Beispiel 500 Euro, zurückerhalten haben. Allerdings erst nach mehrmaliger Aufforderung. Die Rückzahlung dient dazu, Vertrauen aufzubauen: „Das potentielle Opfer ist danach eher bereit, größere Summen zu investieren“, erklärt Henschel. Dabei ist es üblich, dass die Täter die Anleger sogar telefonisch kontaktieren, um Druck aufzubauen: Das Investitionsangebot bestehe nur noch kurze Zeit und nur noch wenige Anleger könnten es nutzen. Auch diese Kontaktaufnahme erfolgt sehr professionell: Die Anrufer überzeugen durch Eloquenz und vermeintliche Sachkenntnis. So schmücken sich die Betrüger auch schon mit akademischen Titeln, wenn beispielsweise das Opfer einen Doktor-Titel trägt, um eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen.
Webseite verschwunden
Ist das Geld erst einmal überwiesen, kann es sein, dass die Webseite mit dem Tradingkonto schon nach kurzer Zeit nicht mehr erreichbar ist. Auch die Telefonnummer oder die Mailadresse funktionieren nicht mehr. Hier gibt sogar Fälle, wo bereits der nächste Betrüger das Opfer kontaktiert und ihm mitteilt, dass er auf eine Betrugsmasche hereingefallen sei und man nun angeblich helfen wolle, den Schaden durch „richtige Investitionen“ zu beheben. Wie viele Geschädigte es bei dieser Betrugsmasche gibt, ist unklar, denn in der polizeilichen Kriminalstatistik wird sie nicht gesondert von den anderen Betrugsdelikten erfasst. Dazu kommen die Fälle von Geschädigten, die keine Anzeige erstatten wollen. Etwa, weil sie noch tief im Betrug stecken und diesen noch nicht erkannt haben oder weil sie sich schämen, dass sie so leichtgläubig waren. Kriminalhauptkommissar Henschel rät dennoch jedem Geschädigten zur Anzeigenerstattung bei der örtlichen Polizeidienststelle. Wenn noch möglich, sollte der Betrug durch Screenshots der betrügerischen Tradingseiten und des gefälschten Anlagedepots belegt werden. Auch andere Belege wie Rufnummern, Gesprächsnotizen oder Kontoauszüge, aus denen hervorgeht, wohin das Geld überwiesen wurde, können bei den Ermittlungen hilfreich sein. Die Polizei versucht dann, der Spur des Geldes zu folgen. Allerdings ist die Chance gering, dass die betrogenen Anleger ihr Geld zurückerhalten, vor allem, wenn die Konten der Betrüger im Ausland liegen. Präventionsexperte Henschel setzt deshalb auf Aufklärung und rät zur Vorsicht: „Mit der Höhe des Gewinnversprechen sollte auch das eigene gesunde Misstrauen gegenüber diesen vermeintlich geheimen Anlagetipps wachsen.“
TE (30.07.2021)
