Die Debatte um linke Gewalt ist nach den Krawallen beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg voll entbrannt. Im Mai 2023 wurden vier linksextremistische Gewalttäter um die Hauptangeklagte Lina E. als Teil einer kriminellen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die linksextremistische Szene reagierte bundesweit mit weiteren Straf- und Gewalttaten, darunter zwei versuchte Tötungsdelikte an Polizeibeamten in Leipzig. Weiterhin verübten gewaltbereite Linksextremisten auch 2023 erhebliche Angriffe auf tatsächliche oder als solche ausgemachte Rechtsextremisten im In- und Ausland. Mehrere der mutmaßlichen Täter haben sich dem polizeilichen Zugriff entzogen und sind untergetaucht. Auch der Verfassungsschutz warnt vor einer Zunahme linksextremistischer Gewalt. Doch weil Anhänger der Szene sich häufig auf ihren „antifaschistischen Kampf“ berufen, werden ihre Taten in der Öffentlichkeit häufig verharmlost.
Gewalttaten von links steigen an
Gemeinsam haben Linksextremisten mit Rechtsextremisten, dass beide den demokratischen Staat mit seinen verfassungsrechtlichen Strukturen ablehnen. In ihrer Weltanschauung idealisieren Linksextreme häufig eine totale Gleichheit der Menschen, die es anzustreben gilt – notfalls mit Gewalt. Ihr Ziel ist es, die bestehende freiheitliche demokratische Grundordnung durch eine – je nach ideologischer Ausrichtung – sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine „herrschaftsfreie“ anarchistische Gesellschaft zu ersetzen. Als größte Einzelorganisation im Linksextremismus gilt der seit Jahren wachsende Verein „Rote Hilfe“ mit inzwischen über 15.000 Mitgliedern. Die Organisation hilft Linksradikalen unabhängig von deren ideologischer Einstellung bei Konflikten mit der Justiz. Hinzu kommen Kleinparteien wie die DKP und die MLPD sowie mehrere extremistische Vereinigungen innerhalb der Partei DIE LINKE. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beziffert die Anzahl linksextremistischer Personen in Deutschland für das Jahr 2023 mit 37.000 (2022: 36.500), von denen wiederum 11.200 (10.800 im Jahr 2022) als gewaltorientiert eingeschätzt werden. Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten hat mit 4.248 Delikten im Jahr 2023 erneut einen Höchststand erreicht (2022: 3.847). Besonders deutlich nahmen die linksextremistischen Gewalttaten zu, und zwar um rund 20,8 Prozent auf nunmehr 727 Delikte (2022: 602). Drei versuchte Tötungsdelikte (2022: eins) und 317 Körperverletzungsdelikte (2022: 300) zeigen die hohe Gewaltbereitschaft im Linksextremismus. Hinzu kommt eine wieder deutlich gestiegene Zahl an Brandstiftungen (104 Delikte, +67,7 Prozent). Mit 2.301 Delikten (+16,9 Prozent) ist die Sachbeschädigung weiterhin die häufigste von Linksextremisten begangene Straftat. Die hierbei hervorgerufenen Sachschäden summieren sich jedes Jahr in mehrstelliger Millionenhöhe.
Spirale aus Gewalt und Gegengewalt
Das Bundeskriminalamt (BKA) geht davon aus, dass Gewaltdelikte im linken Spektrum insbesondere abhängig von stattfindenden Großereignissen sind. Demnach gibt es in der linken Szene immer wieder Momente von Gewalteruptionen, dann aber auch wieder Phasen von weniger Gewalt. Die Mehrheit linksextremer Straftaten ereignet sich im Umfeld von Demonstrationen. Darunter fallen auch Gewalttaten, die auf Gegenveranstaltungen zu Aufzügen und Kundgebungen des rechtsextremen Spektrums begangen werden. Dabei richtet sich die Gewalt von links entweder gegen Polizeibeamte oder gegen das als politischer Gegner empfundene rechtsextreme Lager. „Feststellbar ist eine deutliche Radikalisierung in Teilen der gewaltorientierten Szene“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. „Gewalttaten werden in ihren Auswirkungen zunehmend erheblicher sowie in der Ausführung gezielter, planvoller und persönlicher. Kleine, konspirativ agierende Gruppen besonders gewaltbereiter Linksextremisten schotten sich vom Rest der Szene ab und begehen eigene Tatserien.“ Im Fokus der Gewalt stünden vor allem die Polizei und „als solche ausgemachte Rechtsextremisten, aber auch Wirtschaftsunternehmen vor allem aus der Immobilienbranche“. Diese Entwicklungen zeigten sich insbesondere in den Schwerpunktregionen Leipzig, Berlin und Hamburg, wo linksextremistische Autonome wie die Antifa besonders aktiv sind. Im Fall der linksextremen Gewalttäterin Lina E. hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden die Hauptangeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Die drei männlichen Mitangeklagten erhielten Freiheitsstrafen zwischen 3 Jahren und 3 Monaten und 2 Jahren und 5 Monaten. In wechselnder Zusammensetzung mit noch weiteren gewalttätigen autonomen Linksextremisten fügten sie ihren Opfern bei mehreren Angriffen erhebliche Verletzungen zu, darunter Platzwunden am Kopf, eine mehrfache Gesichtsfraktur und einen Kniescheibenbruch.
Die überwiegende Mehrheit linksextremer Straftaten ereignet sich im Umfeld von Demonstrationen
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„Antifaschistischer Kampf“ als Relativierung
Ein Großteil linksextremistischer Gewalttaten richtet sich gegen Rechtsextremisten als den politischen Gegnern im „antifaschistischen Kampf“. In der Folge wird linke Gewalt in der Öffentlichkeit oft anders dargestellt und bewertet als Gewalttaten, die von Rechtsextremen begangen werden. Das führt dazu, dass die antidemokratische und gewaltaffine Dimension des Linksextremismus vielfach unbeachtet bleibt. Stattdessen werden Taten von Linksextremen in der öffentlichen Bewertung auf „Aktionen“ und „geballte Unvernunft“ reduziert. So rufen unter dem Motto „Antifa heißt Angriff" insbesondere autonome Linksextremisten regelmäßig zu von ihnen so bezeichneten „Gegenaktionen“ zum Nachteil ihrer Meinung nach „faschistischer“ Personen, Gruppen oder Institutionen auf. Gemeint ist damit letztlich nichts anderes als die Begehung von Straftaten wie Sachbeschädigungen, Brandstiftungen oder teils erheblicher Körperverletzungen, bei denen in Einzelfällen auch der Tod von Menschen in Kauf genommen wird. Ein solcher Angriff ereignete sich zum Beispiel am Morgen des 12. Januar 2023 in Erfurt (Thüringen). Zwei regional bekannte Rechtsextremisten wurden von mindestens sechs vermummten Tätern angegriffen, zu Boden gebracht und durch Schläge unter anderem mit einer Axt gegen den Kopf schwer verletzt. Eines der Opfer erlitt einen Schädelbruch.
Prävention und Ausstieg
Um die linksextremistische Szene besser zu bekämpfen und die Gewaltspirale militanter Gruppen zu durchbrechen, fordert die Politik insbesondere in den stark betroffenen Bundesländern derzeit mehr Grundlagenforschung. Einen schnellen Einstieg in das Thema Linksextremismus für Jugendliche, Eltern und Pädagogen bietet unter anderem der Flyer „Feinde der Demokratie. Linksextremisten“ des Brandenburgischen Verfassungsschutzes. Wer sich aus dem linksextremistischen Umfeld lösen will, kann sich an das „Aussteigerprogramm Linksextremismus“ beim Bundesamt für Verfassungsschutz wenden. Ein weiteres Aussteigerprogramm „left“ bietet das Ministerium des Innern in NRW an.
KF (Stand 31.01.2025)

