Der Mord an der kleinen Mary-Jane aus Zella-Mehlis sorgte im Juni 2011 in ganz Deutschland wochenlang für Bestürzung. Viele Kinder, Jugendliche und Eltern aus dem südlichen Thüringen waren verunsichert und fürchteten um ihre eigene Sicherheit – vor allem diejenigen, die das Opfer persönlich kannten. Um der anhaltenden Besorgnis der Bevölkerung zu begegnen und das Selbstvertrauen von Kindern und Jugendlichen aus der Region zu fördern, entwickelte der Suhler Sportbund in Kooperation mit dem Jugendtreff „Auszeit“ der Volkssolidarität Südthüringen wenige Monate später ein eigenes Präventionskonzept gegen Gewalt – das Projekt „Starke Mädchen – coole Jungs“ war geboren. Die positive Resonanz und der anhaltende Erfolg sind auch sechs Jahre später noch spürbar.
Starke Kinder wehren sich
Zu „starken Mädchen“ und „coolen Jungs“ werden im Rahmen des Projekts vor allem Kinder und Jugendliche im Alter zwischen acht und 16 Jahren trainiert und geschult. „Wir wenden uns nicht nur an die örtlichen Schulen, sondern wollen grundsätzlich alle Kinder und Jugendliche aus Suhl und Umgebung ansprechen“, erklärt Projektleiter Gerd Stefanowsky, ehemals Sportkoordinator beim Suhler Sportbund. „Dazu gehören beispielsweise auch Kinder aus sämtlichen Jugend-, Bildungs- und Förderzentren der Region sowie geistig behinderte Kinder der Dombergschule in Suhl, aber auch junge Migrantinnen und Migranten.“ Durch unterschiedliche spielerische Methoden, Verhaltensübungen und soziales Kompetenztraining lernen die Mädchen und Jungen unter anderem, wie sie sich in alltäglichen und Extrem-Situationen gegen Übergriffe wehren können. „Wir wollen erreichen, dass die Kinder eine positivere Selbsteinschätzung entwickeln, ihre eigenen Stärken entdecken, Grenzverletzungen wahrnehmen und Handlungsalternativen kennenlernen“, so Stefanowsky. Dazu zählt auch die wichtige Einsicht, dass allein der Täter Schuld am Geschehen hat und grundsätzlich Erwachsene für den Schutz von Kindern verantwortlich sind. Doch die Gewalt- und Sexualprävention ist nur ein wichtiger Pfeiler des Projekts. Auch der Umgang mit neuen Medien und sozialen Netzwerken, Mobbing, Drogenprävention, das Jugendstrafrecht sowie Rechtsextremismus im Alltag und Sport können als zusätzliche Module in den Projektablauf integriert werden. „Dabei reagieren wir immer auf den aktuellen Bedarf und die Probleme der Kinder in der jeweiligen Schule oder Einrichtung“, meint Stefanowsky. „Besonders wichtig ist uns Langfristigkeit. Mädchen und Jungen, mit denen wir schon in der 3. Klasse zusammengearbeitet haben, haben in der 8. Klasse natürlich ganz andere Probleme, die wir dann erneut gemeinsam aufgreifen können.“
Stolz auf qualifiziertes Personal
Das Team von „Starke Mädchen – coole Jungs“ setzt sich im Kern aus geschulten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zusammen. „Da wir jedoch so viele unterschiedliche Module anbieten, sind wir auf externe Unterstützung angewiesen“, erklärt Susanne Hohmann, Bereichsleiterin Jugendhilfe der VS Südthüringen und Mitarbeiterin des Freizeittreffs „Auszeit“. Zu den Kooperationspartnern zählen unter anderem die Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Thüringen e. V., die Polizei in Suhl, der Suhler Kinder- und Jugendschutzdienst „Allerleirauh“, die Verbraucherzentrale Thüringen, der Kinder- und Jugendhilfeverein „Fähre“ sowie ausgebildete Instruktoren für Gewalt- und Gesundheitsprävention. „Da wir uns das Ziel gesetzt haben, mit qualifizierten Fachkräften zusammenzuarbeiten, haben wir das Projekt insgesamt auf ein sehr hohes Niveau gestellt. Darauf sind wir einerseits sehr stolz. Andererseits wollen gute Fachkräfte auch bezahlt werden.“

Neuerdings beschäftigt sich das Projekt unter anderem verstärkt mit dem Thema Jugendstrafrecht und Jugendkriminalität
© Suhler Sportbund/Volkssolidarität Regionalverband Südthüringen
Viel Zuspruch, wenig Planungssicherheit
Seit Projektbeginn im Jahr 2011 haben die Initiatoren bereits mehr als 600 Kinder und Jugendliche aus Suhl, Zella-Mehlis, Oberhof, Hildburghausen, Schleusingen und weiteren Städten in Südthüringen erreichen können. „Wir haben sicherlich nicht jedes Kind aus der Region erwischt, aber einen sehr großen Teil“, freut sich Stefanowsky. Allerdings können die beiden Finanzierungsquellen aus dem Fördertopf „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ und aus dem lokalen Aktionsplan der Stadt Suhl den nach wie vor großen Bedarf nicht decken. „Ob wir in Zukunft weiterhin von der Stadt gefördert werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher. Somit haben wir leider keine Planungssicherheit für die nächsten Jahre“, bedauert Susanne Hohmann. Gerd Stefanowsky ergänzt: „Wichtig ist, dass Projekte wie unseres dauerhaft am Leben erhalten werden und nicht nach kurzer Zeit wieder einschlafen. Wir können natürlich nicht davon ausgehen, dass unsere Maßnahmen durchweg effektiv und im Ernstfall erfolgreich sind. Aber wenn Mädchen zu uns kommen und wissen, wie sie sich gegen einen potenziellen Täter wehren können oder Jungs über die Auswirkungen von Drogen Bescheid wissen, haben wir doch vieles richtig gemacht.“
Kontakt
Suhler Sportbund
Reinhard Meusel
Finsterbergstraße 2
98528 Suhl
gst@~@suhler-sportbund.com
Volkssolidarität Regionalverband Südthüringen
Freizeittreff „Auszeit“
Susanne Hohmann/Gerd Stefanowsky
Julius-Fucik-Strasse 34
98527 Suhl
kaenguruh05@~@t-online.de
KF (08.12.2017)
