Laptops, Baumaterial, Werkzeuge, Haushaltsgeräte, Möbel oder Kleidung: In der Vergangenheit kam es immer häufiger zu Diebstählen, bei denen die Täter geladene Waren aus Lastkraftwagen entwendeten. Beliebt ist alles, was wertvoll, gut absetzbar oder leicht zu transportieren ist. Wie häufig es im Jahr zu Ladungsdiebstahl kommt, ist schwer einzuschätzen, denn diese Art von Straftat wird in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht gesondert erfasst. Für ganz Deutschland wird jedoch eine Fallzahl im höheren vierstelligen Bereich vermutet. Der dadurch verursachte Schaden wird vom deutschen Versicherungsgewerbe auf rund 300 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Zuzüglich entstehen Kosten durch Lieferverzögerungen und Produktionsausfälle.
Erst ausspähen, dann zugreifen
Die häufigste Vorgehensweise der Täter beim Lkw-Frachtdiebstahl ist das so genannte „Planenschlitzen“. Das ergibt eine Untersuchung des Bundesamts für Güterverkehr (BAG), die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) durchgeführt wurde. Dabei werden kleine Schlitze von 20 bis 30 Zentimetern in die Plane geschnitten, um die Fracht mithilfe eines Endoskops zu begutachten. „Laut dem Landeskriminalamt Niedersachsen sieht ein Drittel der Täter dann schon von einem Diebstahl ab, weil es sich für sie nicht lohnt“, erklärt Michael Gierke, Leiter des Referates „Marktbeobachtung“ beim BAG. Ist die Ware für die Täter interessant, werden die Schlitze auf ein bis zwei Meter erweitert. Durch die Öffnung wird die Ware entwendet und meist in dicht herangefahrene Kleintransporter verladen. In Einzelfällen versuchen sich die Täter auch an der „Truck Robbery“-Methode. Dabei nähern sie sich bei voller Fahrt dem Lkw von hinten. Einer der Täter klettert über das Schiebedach auf die Motorhaube und versucht, die Hecktüren zu öffnen, um an die Ladung zu kommen. Zum Teil bremsen weitere Komplizen in Pkw den Lkw ab oder platzieren sich so um das Fahrzeug, dass der Lkw-Fahrer an der Flucht gehindert wird. „Diese Art von Ladungsdiebstahl ist in Deutschland aber kein Massenphänomen und kommt nur in Einzelfällen vor“, stellt Gierke klar.
Die Täter verhalten sich unauffällig
Ein besonders beliebter Tatort für das „Planenschlitzen“ sind ungesicherte Park- und Rastplätze sowie Autohöfe, auf denen der Geräuschpegel hoch ist. Dadurch verringert sich das Entdeckungsrisiko. Hinzukommt, dass die Täter meist in der Nacht und in den dunkleren Monaten auch am Abend aktiv sind. Zudem werden die Ruhe- und Schlafzeiten der Lkw-Fahrer ausgenutzt, um unbemerkt vorgehen zu können. Raubüberfälle, also Diebstähle von Ladung unter Anwendung von Gewalt gegen den Fahrer, kommen nach Angaben des BKA und der Industrievereinigung Transported Asset Protection Association (TAPA) in Deutschland hingegen nur selten vor. Nach Einschätzung von Michael Gierke handelt es sich bei den Tätern zum einen um Amateure, die aus Geldnot handeln und die meist kleinen Warenmengen im Internet verhehlen. In vielen Fällen sind jedoch professionelle Banden am Werk, die gut organisiert, flexibel und technisch gut ausgestattet sind. „Hier kann es auch vorkommen, dass die Täter nach ganz bestimmten Waren Ausschau halten, die schon im Vorfeld größeren Abnehmer angeboten wurden“, erklärt der Experte.
Präventive Maßnahmen
Wie die Untersuchung des BAG zeigt, kommt es nicht selten zu einer bewussten oder unbewussten Weitergabe von relevanten Informationen durch die Lkw-Fahrer oder die Speditionsmitarbeiter an die Täter. Nach Einschätzungen des LKA Niedersachsen ist dies bei 60 bis 70 Prozent der Diebstähle der Fall. Die meisten Mitarbeiter handeln jedoch nicht in der Absicht, den Tätern zu helfen. Vielmehr werden sie ausspioniert oder belauscht, beispielsweise wenn sie sich an Raststätten oder über Soziale Netzwerke mit Kollegen über die Ladung oder das Reiseziel austauschen. Lkw-Fahrern und anderen Mitarbeitern von Transportunternehmen ist daher zu raten, vorsichtig mit der Weitergabe solcher Informationen umzugehen. Zudem können präventive Sicherungsmaßnahmen wie schnittfeste Gitterplanen oder Überwachungskameras im Frachtraum dabei helfen, die Täter von ihrem Vorgehen abzuhalten oder zu überführen. Eine andere Möglichkeit von der immer mehr Speditionen Gebrauch machen: Die Lastwagenplanen werden mit einer von außen unsichtbaren Alarmanlage ausgestattet. Sobald eine Plane aufgeschlitzt wird, ertönt ein lautes, schrillendes Warnsignal. Lkw-Fahrer sollten jedoch nie versuchen, die Täter eigenmächtig in die Flucht zu schlagen, sondern in der Kabine bleiben und sofort die Polizei rufen.Die Beratungsstellen der Polizei geben hilfreiche Tipps zu präventivem Verhalten und technischen Sicherungsmaßnahmen. Eine Liste aller Beratungsstellen in Deutschland findet sich in der entsprechenden Rubrik auf PolizeiDeinPartner. MW (21.07.2017)