Wer auf der Autobahn anhält, gefährdet sich und andere
Wer auf der Autobahn anhält, gefährdet sich und andere

Hochzeitsgesellschaften auf Autobahnen

Feiern unter Lebensgefahr

Einer Zivilstreife fallen auf einer Autobahn mehrere hochklassige Fahrzeuge auf, die alle Fahrstreifen blockieren und den nachfolgenden Verkehr lahmlegen. Sie vermuten einen Unfall und fahren heran. Plötzlich lässt ein Ford Mustang Cabrio auf der nun freien Fläche die Reifen qualmen und will augenscheinlich über die Fahrbahn driften. Ein im Fahrzeug stehender Beifahrer macht mit seinem Handy Bilder. Aus den anderen Luxusautos steigen Insassen, um zu filmen. Was wie der Beginn eines schlechten Films klingt, ist am 22. März auf der A3 in Höhe des Autobahnkreuzes Ratingen-Ost wirklich passiert. Bei den Verursachern handelte es sich um eine Hochzeitsgesellschaft, die Erinnerungsfotos machen wollte.

Immer mehr solcher Fälle

Der geschilderte Vorfall ist nicht der einzige dieser Art. Autokorsos, meist türkischer von Hochzeitsgesellschaften, sorgen seit Wochen für Aufsehen. Im April 2019 kam es beispielsweise auf der A2 bei Kamen, auf der A4 bei Düren und auf der A52 bei Marl zu ähnlichen Blockaden. Doch die Polizei muss auch regelmäßig zu innerstädtischen Einsätzen ausrücken: In Krefeld stoppte sie zum Beispiel einen Hochzeitskorso, nachdem während der Fahrt mit einer Schreckschusspistole in die Luft geschossen wurde. Zudem kommt es in Städten immer wieder zu Blockaden von Straßen und Kreuzungen. Doch nicht nur NRW ist betroffen. Auch in anderen Bundesländern gab es in der Vergangenheit ähnliche Fälle. Viele Länder wollen sich dem Problem jetzt annehmen und härter gegen Beteiligte vorgehen. Das NRW-Innenministerium plant sogar, ein Lagebild zu Hochzeitskorsos zu erstellen, die sich nicht an die Verkehrsregeln halten.

„Außerhalb jeder Toleranzgrenze“

Dass Hochzeitsgesellschaften Autokolonnen bilden und dabei etwa ausgiebig von der Hupe Gebrauch machen, ist nicht neu. Was jedoch neu ist, ist das Ausmaß solcher Aktionen. „Einen Vorfall wie diesen habe ich noch nicht erlebt“, erklärt Polizeihauptkommissar Freigang, Pressesprecher der Polizei Düsseldorf. Die Direktion Verkehr ermittelt im Fall der A3-Blockade. „Wir reden hier nicht von einer 30er-Zone oder einer innerstädtischen Straße, sondern von einer Hochgeschwindigkeitsstrecke“, führt er aus. „Das ist ein Verhalten, das außerhalb jeder Toleranzgrenze liegt. Das ist lebensgefährlich. Es ist fast ein Wunder, dass niemand zu Schaden kam.“ Die Verursacher waren sich hingegen keiner Schuld bewusst. Als zwei der Autos nach dem Vorfall von der Polizei angehalten wurden, stritten die Insassen ab, etwas falsch gemacht zu haben oder verwiesen auf ihre Anwälte. „Das sind typische Schutzbehauptungen“, weiß Freigang aus Erfahrung.

Ermittlungskommission „Donuts“

Die Düsseldorfer Polizei behandelte die Blockade hingegen bei weitem nicht als Kavaliersdelikt, sondern gründete die Ermittlungskommission „Donuts“. Der Name bezieht sich auf die kreisrunden Reifenspuren, die der Ford Mustang beim Driften über die Fahrbahn hinterlassen hatte. In Szenekreisen heißt dieses Manöver „Donut“, benannt nach dem Gebäck. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: Bei der Durchsuchung von sieben Wohnobjekten von Beteiligten fanden die Einsatzkräfte umfangreiches Beweismaterial. Sie stellten Speichermedien, Handys und Computer sicher. Zudem stießen sie auf Betäubungsmittel und mutmaßlich illegale Medikamente. „Wer meint, Autobahnen zu blockieren und dadurch andere in Lebensgefahr zu bringen, muss damit rechnen, dass wir als Polizei konsequent gegen ihn vorgehen werden. Wir werden mit allen rechtsstaatlichen Mitteln daran arbeiten, die Verantwortlichen buchstäblich aus dem Verkehr zu ziehen“, sagte der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler nach den Durchsuchungen.

Über Motive lässt sich nur spekulieren

Warum blockieren Menschen Autobahnen, nur um das vermeintlich perfekte Hochzeitsbild zu knipsen oder feuern Schreckschusspistolen ab, um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen? Für Freigang sind die Antworten darauf bisher nur Spekulationen. „Das können wir erst nach Abschluss der Ermittlungen sagen. Grundsätzlich kann man aber vermuten, dass sich die Verursacher nicht an gewisse Regeln halten wollen, nach dem Motto: Die gelten nur für andere! Das ist ein Verhalten, das man im Straßenverkehr immer wieder beobachten muss, sei es bei Geschwindigkeitsverstößen oder der Missachtung von Verkehrsschildern“, erklärt er. „Allerdings hat dieser Fall eine neue Qualität. Wir sprechen davon, dass erwachsene Fahrzeugführer sich und andere bewusst in Lebensgefahr bringen.“ Ein solch riskantes Verhalten wird daher strafrechtlich konsequent geahndet. Wer auf der Autobahn auf diese Weise anhält, muss beispielsweise mit einer Anzeige wegen eines „Gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr“ (§ 315b StGB) sowie Nötigung rechnen. Hinzu kommen Ordnungswidrigkeiten. „Und man muss sich die Frage stellen, ob diejenigen charakterlich überhaupt dazu geeignet sind, ein Fahrzeug zu führen“, meint Freigang. „Sollte ein Gericht dieser Ansicht folgen und die Anklagepunkte zulassen, wird wohl nicht nur der Führerschein entzogen, sondern es drohen auch empfindliche Geldstrafen oder sogar eine Freiheitsstrafe.“

Kolonnen dürfen niemanden gefährden

Wer im Rahmen von Hochzeitsfeierlichkeiten einen Autokorso organisiert, muss nicht automatisch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Zwar ist das Hupen als „Schallzeichen“ eigentlich dafür gedacht, andere Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu warnen und eine missbräuchliche Nutzung wird mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu zehn Euro geahndet. Beim Hochzeitskorso geht es aber auch immer um die Verhältnismäßigkeit. „In dem Zusammenhang ist das nichts Ungewöhnliches und die anderen Verkehrsteilnehmer kennen das. Die Polizei würde also nicht zwangsläufig einschreiten“, klärt Freigang auf. „Aber natürlich bewegen sich solche Freiheiten nur in einem gewissen Rahmen. Ich kann nicht sagen: Nur weil ich mich freue, müssen die anderen nachsichtig sein und damit rechnen, dass ich Regeln missachte. Dann ist die Toleranzgrenze überschritten.“ MW (28.06.2019)

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