Alkohol wird im Alter schlechter vertragen
Alkohol wird im Alter schlechter vertragen

Trinken gegen die Einsamkeit

Alkohol im Alter

Alkohol ist in Deutschland nach wie vor die Volksdroge Nummer eins, auch wenn der Konsum seit vierzig Jahren langsam, aber stetig sinkt. Im Jahr 2023 betrug der Durchschnittswert pro Kopf aber immer noch 10,2 Liter reinen Alkohols. Damit liegt Deutschland laut Angaben der OECD unter den 27 EU-Ländern auf Platz 9. Etwa 12 Prozent der Frauen und 18 Prozent der Männer über 65 trinken Alkohol in riskanten Mengen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) berichtet, dass der Konsum bei älteren Menschen oft unbemerkt bleibt, da er häufig als „normal“ angesehen wird. Dabei gibt es regionale Unterschiede: In den Bundesländern Bayern und Sachsen-Anhalt ist der Konsum besonders hoch, während in Städten wie Hamburg und Bremen der Konsum tendenziell niedriger ist. Diese Unterschiede können auf kulturelle Faktoren und die Verfügbarkeit von Alkohol zurückgeführt werden.

Männer sind besonders gefährdet

Männer konsumieren die in der Regel mehr Alkohol als Frauen. Studien zeigen außerdem, dass Menschen mit niedrigem sozialem Status am häufigsten zu viel trinken. Allerdings gibt es auch immer mehr Frauen, die im Alter zunehmend Alkohol konsumieren. Laut einer Umfrage der DHS sind insbesondere alleinlebende Senioren gefährdet. Dafür gibt es mehrere Gründe. Viele Menschen erleben den Übergang zum Alter als besonders belastend. Dazu gehört der Einstieg in die Rente oder ein Arbeitsplatzverlust, der Verlust von Angehörigen und Freunden, die Einschränkungen in Mobilität und Unabhängigkeit, das vermehrte Auftreten von (chronischen) Erkrankungen oder schlicht Einsamkeit. Ein typisches Trinkerbiografie könnte so aussehen: Ein aktiver Berufstätiger hat nach dem Ruhestand Schwierigkeiten, seinen Alltag zu strukturieren. Er beginnt, Alkohol als Bewältigungsmechanismus zu nutzen. Laut einem Interview auf „Kenn dein Limit“ sagen viele Senioren: „Alkohol gibt mir das Gefühl, wieder lebendig zu sein.“

Alkohol-Stopp ab 65

Alkohol kann im Alter besonders schädlich sein. Der Wassergehalt im Körper sinkt und dadurch verträgt der Körper den Alkohol schlechter als früher. Ältere Menschen werden so anfälliger für Erkrankungen wie Demenz oder das Korsakow-Syndrom. Zudem können viele Medikamente, die Senioren einnehmen, gefährliche Wechselwirkungen mit Alkohol haben. Ein Beispiel hierfür ist die Kombination von Blutdruckmedikamenten mit Alkohol. Sie kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen. Laut dem Neurologen Dr. Richard Restak, dem ehemaligen Präsidenten der American Neuropsychiatric Association, beschleunigt selbst geringer Alkoholkonsum die Alterung der Nervenzellen und erhöht das Risiko für Alzheimer und andere Demenzerkrankungen. In seinem Buch „The Complete Guide to Memory: The Science of Strengthening Your Mind“betont er, dass Alkohol ein schädliches Nervengift ist. Deshalb empfiehlt er, ab dem 65. Lebensjahr vollständig und dauerhaft auf Alkohol zu verzichten. Denn in diesem Alter sei die Erhaltung der Nervenzellen besonders wichtig, um kognitive Fähigkeiten zu bewahren. Ab dem 65. Lebensjahr steige das Demenzrisiko um das Fünffache und würde sich in Fünf-Jahres-Etappen weiter steigern, so der Neurologe.

Einsamkeit fördert Alkoholismus

Einsamkeit fördert Alkoholismus

Bonsales / stock.adobe.com

Schwierige Selbstreflexion

Viele Senioren wollen nicht wahrhaben, dass ihr Alkoholkonsum problematisch ist. Oft wird der Konsum alkoholischer Getränke als Teil des Lebensstils oder als „Belohnung“ nach einem langen Tag betrachtet. Diese Selbsttäuschung kann durch gesellschaftliche Normen verstärkt werden, die Alkohol als akzeptable Form der Entspannung darstellen. Für Angehörige ist es eine echte Herausforderung, wenn sie mitbekommen, dass etwa ihre Eltern zu viel trinken. Georg Schomerus, der Leiter der Psychiatrie in der Uniklinik Leipzig, sagte in einem Interview mit dem MDR, dass die Alkoholkrankheit oft der Elefant im Raum sei: „Ich glaube, dass das Umfeld das sehr früh mitbekommt. Ich glaube aber, dass man es nicht anspricht, weil es so stigmatisiert ist. Man hat ja das Gefühl, wenn man jemanden darauf anspricht, dass man dem ins Gesicht schlägt.“ Gehandelt werde dann oft erst, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Beispielsweise, wenn das Korsakow-Syndrom eintritt. Diese Schädigung des Gehirns entsteht durch ein jahrelangen hohen Alkoholkonsum. Sie führt zu Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und Bewegungsstörungen.

Besonderer Pflegebedarf

Werden alkoholkranke Menschen pflegebedürftig, ist es besonders schwer, einen Pflegeplatz für sie zu finden. Die meisten Pflegeheime können den besonderen Pflegebedarf nicht abdecken. Zwar gibt es Einrichtungen, die sich auf alkohol- und suchtkranke Menschen spezialisiert haben, doch bislang übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich.

Es gibt verschiedene Ansätze, um problematischem Alkoholkonsum zu begegnen. Angehörige können eine wichtige Rolle spielen, indem sie wachsam sind und das Gespräch suchen. Selbsthilfegruppen speziell für Senioren bieten Unterstützung und Austausch. Zudem können Aktivitäten wie Sport oder das Finden neuer Hobbys dabei helfen, die Lebensqualität zu verbessern und den Alkoholkonsum zu reduzieren. Es ist wichtig, dass Senioren das Gefühl haben, dass sie nicht allein sind und Unterstützung erhalten können.

(TE, 30.05.2025)

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