Tatort Sportverein
Missbrauch, Gewalt, Übergriffe
Eigentlich sollte der Sportverein ein sicherer Ort für alle sein
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Körperliche und seelische Gewalt, aber auch Missbrauch und sexualisierte Gewalt sind überall anzutreffen – auch im Sport. Jeder Vorfall kann, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, das ganze Leben beeinträchtigen. Die neue unabhängige Ansprechstelle „Safe Sport“ unterstützt seit Anfang des Jahres 2023 Betroffene von sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt sowohl im Breiten- als auch im Spitzensport.
Zwei Drittel erleben Gewalt und Grenzverletzungen
Spaß, Bewegung, Gesundheit – Sport hat auf der ganzen Welt ein überwiegend positives Image. Auch Kindern und Jugendlichen tut Sport gut. Denn die regelmäßige Bewegung hält sie körperlich fit, stärkt ihr Selbstvertrauen und gleicht Stress aus. In Deutschland sind mehr als sieben Millionen Kinder und Jugendliche im Sport aktiv: Die Hälfte aller Mädchen und 60 Prozent der Jungen sind Mitglied in einem Sportverein. Aber auch im Sport gibt es psychische, physische und sexuelle Gewalt, denn er bietet Tätern vielfältige Situationen und Gelegenheiten, ihre Strategien anzuwenden. Im Herbst 2022 hat die „Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ die bundesweit bislang größte deutsche Breitensport-Studie zu diesem Thema veröffentlicht. Umgesetzt wurde die Studie „SicherImSport“ vom Forschungsverbund der Deutschen Sporthochschule Köln, des Universitätsklinikums Ulm und der Bergischen Universität Wuppertal. Beteiligt haben sich 4.300 Vereinsmitglieder aus gut 300 Sportverbänden. Die Auswertungen zeigen: Gewalterfahrungen im Sport sind keine Einzelfälle. Psychische, physische und sexuelle Übergriffe gibt es nahezu in allen Bereichen des Sports und in allen Sportarten. Rund zwei Drittel der Betroffenen waren sexualisierter Gewalt nicht nur einmal, sondern regelmäßig und zum Teil über einen langen Zeitraum ausgesetzt. „Es sind schwerwiegende Übergriffe, die dort stattgefunden haben. Es geht um sexualisierte Gewalt in Form von Vergewaltigungen und meistens auch mehrfach oder über längere Zeiträume. Manchmal eben auch bis hin zu Jahren“, so Studienleiterin Bettina Rulofs von der Sporthochschule Köln. Die Opfer, überwiegend Frauen, waren zur Tatzeit im Durchschnitt elf Jahre alt. Viele schildern, dass sie keine Unterstützung bekommen haben, wenn sie sich jemandem anvertraut haben.
Taten bleiben häufig im Verborgenen
Ein Blick auf Einzelergebnisse der Studie zeigt, dass psychische Gewalt – in Form von Erniedrigungen, Bedrohungen oder Beschimpfungen – im Rahmen der Befragung am häufigsten von Mitgliedern in Sportvereinen angegeben wurde: Insgesamt 63 Prozent der Befragten dieser Gruppe berichten, Gewalt im Kontext des Vereinssports bereits mindestens einmal erlebt zu haben. Zudem bestätigte ein Viertel der Befragten sexualisierte Belästigungen oder Grenzverletzungen ohne Körperkontakt im Vereinssport. Ein Fünftel der befragten Vereinsmitglieder berichtete gar von sexualisierter Gewalt mit Körperkontakt – etwa in Form von unerwünschten sexuellen Berührungen oder sexuellen Übergriffen. In 83 Prozent der Fälle ging die sexualisierte Gewalt von einem Einzeltäter aus. Die überwiegende Mehrheit der Täter war männlich (94 Prozent). Meist waren es Trainerinnen und Trainer (81 Prozent) – in den wenigsten Fällen allerdings hauptamtliche Trainer, sondern meist Honorarkräfte oder Ehrenamtliche. Die Studie zeigt außerdem, dass Betroffene von Gewalt im Sport nur selten über ihre Erfahrungen berichten und kaum Unterstützung bei den Sportvereinen oder -verbänden suchen. Bettina Rulofs hält eigene Schutzkonzepte für alle Sportvereine für dringend erforderlich: „Klare Anlaufstellen für Betroffene im Sport sind wichtig. Der organisierte Vereins- und Verbandsport sollte dringend nach geeigneten Wegen suchen, wie er proaktiv und gut sichtbar auf diejenigen zugehen kann, die Rat und Unterstützung bei Gewalterfahrungen benötigen“, so die Studienleiterin.
Neue Ansprechstelle für Betroffene
Bei der Sportministerkonferenz (SMK) haben Bund und Länder Anfang November 2022 die unabhängige Ansprechstelle „Safe Sport“ für sicheren und gewaltfreien Sport gegründet. Sie soll nicht nur mehr Fälle ans Licht bringen, sondern Betroffenen sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Breiten- und Spitzensport vor allem möglichst rasch unabhängige Hilfe in Form einer Erstberatung, zum Beispiel psychologischer oder juristischer Art anbieten. Anfang 2023 hat die Ansprechstelle ihre Arbeit aufgenommen und soll als erster Baustein eines künftigen Zentrums für sicheren Sport dienen. Das Zentrum soll Aufgaben im Bereich von Prävention, Intervention und Aufarbeitung von Gewalt im Sport wahrnehmen. Bis zum Sommer 2023 sollen die genauen Aufgaben, die Finanzierung und die Organisation festgelegt werden.
KF (Stand 27.01.2023)
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