Rund 75 Prozent der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten passiert im täglichen Einsatzdienst
Rund 75 Prozent der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten passiert im täglichen Einsatzdienst

„Nie war es so gefährlich, Polizist oder Polizistin zu sein“

Gewalt gegen Polizeikräfte

Gewalt ist ein ständiger Begleiter im Berufsalltag von Polizistinnen und Polizisten. Dabei werden sie auch immer häufiger selbst zum Opfer. Die Angriffe reichen von Beleidigungen über einfache und schwere Körperverletzungen bis zu Tötungsdelikten. Im Februar 2023 gingen vor einer Diskothek in Trier 40 Menschen mit Flaschen und Holzstöcken auf Polizisten los, fünf Beamte wurden bei dem Einsatz verletzt. Gleichermaßen betroffen sind andere Einsatzkräfte wie beispielsweise Rettungssanitäter oder auch Amtspersonen, etwa Angestellte in Jobcentern oder Ordnungsämtern. In der Silvesternacht 2022/23 sind in mehreren deutschen Städten Einsatz- und Rettungskräfte bei ihrer Arbeit mit Böllern und Raketen angegriffen worden. Besonders viele Attacken erlebten Polizei, Feuerwehr und Sanitäter in Berlin. Allein in der Hauptstadt gab es mehr als 30 verletzte Einsatzkräfte und mehr als hundert Festnahmen. Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), erklärt, welche Ursachen und Auswirkungen die zunehmende Respektlosigkeit hat und wo Betroffene Unterstützung finden.

Im Paragraph 114 „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ des Strafgesetzbuchs (StGB) werden tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte seit 2017 gesondert unter Strafe gestellt. Der Straftatbestand gilt unabhängig davon, ob der Angriff während einer Amtshandlung oder anlasslos geschieht. Das Gesetz sieht Haftstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Gewalt beginnt bei der Beleidigung

Respektlosigkeit und Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Das Bundeslagebild „Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten“ verzeichnet im Jahr 2021 insgesamt 39.649 bekannt gewordene Fälle. Was kaum jemand vermuten würde: Rund 75 Prozent der Gewalt und Respektlosigkeit gegen Polizistinnen und Polizisten passiert im täglichen Einsatzdienst von Streifenbeamten, etwa bei Verkehrskontrollen, Unfallaufnahmen, Identitätsfeststellungen oder der bloßen Aufklärung von Sachverhalten. Während zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte bereits seit Jahren ein Thema ist, habe man es immer mehr mit gruppendynamischen Prozessen und somit mit einem veränderten Gewaltbild zu tun. „Die Gewalt Einzelner überträgt sich zunehmend auf ganze Gruppen und eine Vielzahl an Tätern“, erklärt Jochen Kopelke. Diese Gewalt beginnt bereits bei aggressiven Äußerungen wie Pöbeleien und Beleidigungen. Sind die betroffenen Personen trotz Bemühungen der Einsatzkräfte uneinsichtig, steigert sich die Aggressivität nicht selten bis hin zu körperlichen Angriffen wie Faustschlägen ins Gesicht oder Tritten in die Magengegend. Im Extremfall führen die Übergriffe zu ernsthaften Verletzungen, die längere Krankschreibungen und Dienstausfälle zur Folge haben. Dazu zählen unter anderem gebrochene Nasenbeine oder gebrochene Rippen. Von solchen Gewalttaten sind alle betroffen – egal ob männliche oder weibliche Polizeibeamte. Sie alle erleben dieselbe Verrohung mit der gleichen Intensität und den gleichen Herausforderungen.

Die GdP-Präventionskampagne „100fuer100“ setzt sich für mehr Respekt im Umgang mit den polizeilichen Einsatzkräften aus. Sie fordert von der Politik, dass sich dieser Respekt nicht in Reden erschöpft, sondern von konkretem Handeln begleitet wird. Eine Öffentlichkeitskampagne stellt mit Großflächenplakaten und einer Kampagnenwebsite das hundertprozentige Engagement von Polizeibediensteten anhand persönlicher Beispiele heraus. Dazu gehören Polizistinnen und Polizisten in den verschiedensten Funktionen, aber auch Tarifangestellte im Polizeidienst. Mehr Infos.

Die Polizei als Feindbild

Doch weshalb werden Polizeikräfte und andere Ordnungshüter von der Bevölkerung nicht mehr so ernst genommen wie früher? „Die Hemmschwelle, auf Polizisten loszugehen, ist deutlich gesunken“, bestätigt Jochen Kopelke. Das liege zu einem großen Teil an der geänderten Sichtweise und Wut auf den Staat als Ganzes. Es gehe immer mehr um die Verwirklichung der eigenen Interessen – egal, ob sie den moralischen Sitten der Gesellschaft entsprechen oder nicht. Einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung hat auch das digitale Zeitalter bzw. die Anonymität in sozialen Netzwerken. Denn im Internet verwenden Bürgerinnen und Bürger eine deutlich radikalere Sprache, die auf den alltäglichen Umgang abfärbt. Auf diese Weise übertragen sich Hass und Hetze gegen Polizeibeamte und den Staat von Online-Plattformen auch auf die Offline-Welt. „Wir stellen fest, dass insbesondere Beleidigungen, abwertendes Verhalten und auch Respektlosigkeit im Internet beginnen, etwa über Begriffskürzel wie A.C.A.B („All Cops Are Bastards) oder A.C.A.T. („All Cops Are Targets“), und immer häufiger in die reale Welt hinüberschwappen“, so Jochen Kopelke. „An den Einsatzorten denken die Menschen dann – ähnlich wie im Internet – überhaupt nicht mehr nach, wem sie da gegenüberstehen, und wie sie sich eigentlich korrekt verhalten. Wir gehen außerdem stark davon aus, dass es nicht nur Uniformträgern so geht, sondern sich diese Entwicklung durch die gesamte Gesellschaft zieht.“

Mit Bodycams auf Streife

Weil sich die Situation derart verschärft hat, ist die Polizei gezwungen, robuster gegenüber der Bevölkerung aufzutreten. So tragen Polizeibeamtinnen und -beamte heute mehr Schutzausrüstung als früher. Auch Bodycams werden häufiger getestet und eingesetzt. Die Kameras, getragen an der Uniform, zeichnen Angriffe auf und dienen zur Abschreckung. Außerdem können die Aufnahmen später als Beweismittel bei Strafverfahren eingesetzt werden. Auch das Einsatztraining der Polizei hat sich verändert. Extremsituationen und körperliche Auseinandersetzungen werden intensiver geübt. Auch wenn angehende Einsatzkräfte nach wie vor eine gute Vorbereitung in der Ausbildung erfahren, sei hier noch viel Luft nach oben. „Die Polizei ist heute viel mehr als früher gefordert, in den richtigen Situationen das richtige Bild abzugeben und die richtigen Fähigkeiten vor Ort einzusetzen“, weiß Jochen Kopelke. „Das beste Beispiel sind Einsätze rund um Fußballspiele.“ Hier bilde die Polizei fast alle Fähigkeiten ab: von Kommunikationsteams über Ansprechpartner für Fangruppierungen bis hin zu moderner Körperschutzausrüstung. „Wer heutzutage bei der Polizei arbeitet, muss für sich selbst die richtige Balance zwischen Bürgernähe und Sicherheit finden. Schließlich wollen wir für die Bevölkerung nach wie vor in erster Linie ansprechbar sein – und nicht durch unsere Schutzkleidung abschrecken.“

Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

© GdP-Bundesvorstand

Schnelle psychologische Hilfe

Grundsätzlich nehmen auch psychische Belastungsstörungen von Polizeibeamtinnen und -beamten immer weiter zu. Denn durch die erhöhte Einsatzbelastung und den geringen Personalbestand haben sie immer seltener die Möglichkeit, sich nach Schichtende in einer Dienstgruppe zusammenzusetzen, das Erlebte loszuwerden und zu verarbeiten. „Gewalterfahrungen verändern Menschen“, so der GdP-Bundesvorsitzende. „Das schlägt sich auf Dauer auch auf die Psyche von meinen Kolleginnen und Kollegen nieder.“ In den letzten Jahren wurden vermehrt sozialpsychologische Dienste innerhalb der Polizei eingerichtet – ein Angebot, das immer stärker wahrgenommen wird. An diese Kontakte können sich Polizistinnen und Polizisten, die Gewalt erfahren haben, unter dem Schutz von Anonymität wenden. „Aber auch diese Angebote haben leider ihre Grenzen“, bedauert Jochen Kopelke. „Denn wer sich in psychologische Behandlung begeben möchte, braucht zunächst einmal die Hilfe dieser Dienststellen, um überhaupt in das „normale“ Hilfesystem zu kommen. Das ist ein Knackpunkt, der verbesserungswürdig ist.“ Denn gerade in Zeiten nach Corona sei es schwierig, überhaupt psychologische Unterstützung zu bekommen. „Uniformträger brauchen deswegen schnellere psychologische und seelsorgerische Betreuung ohne irgendwelche Umwege.“ Zusätzlich seien die Dienstherren in Bund und Land gefordert, wieder deutlich mehr ihren Fürsorgepflichten für Polizeibeschäftigte nachzukommen. Dazu gehörten unter anderem ausreichender Dienstsport, Kuren und Rehabilitationszeiten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat im Jahr 2020 eine Präventionskampagne unter dem Motto „Vergiss nie – hier arbeitet ein Mensch“ begonnen. Sie fordert Respekt für alle Menschen ein, die im öffentlichen Dienst arbeiten. Dazu gehören auch Polizistinnen und Polizisten. Wir stellen diese Kampagne in diesem Heft in einem eigenen Artikel vor. Eine aktuelle Broschüre mit dem Titel „Wider die Normalisierung“ kann im Downloadcenter der Website des DGB heruntergeladen werden.

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Die Gewerkschaft der Polizei hat erreicht, dass es seit 2017 den neuen Paragrafen 114 im Strafgesetzbuch (StGB) gibt, der tätliche Angriffe unter Strafe stellt, wenn sie gegen Polizisten, Rettungskräfte oder Notärzte gerichtet sind. Außerdem hat die GdP bereits vor zwölf Jahren die Kampagne „AUCH MENSCH – Polizei im Spannungsfeld“ initiiert. Sie will deutlich machen, dass eine Betrachtung von Polizistinnen und Polizisten als anonymisiertes Feindbild fatale Konsequenzen für die Ordnungshüter, ihre Familien und Freunde, aber auch für die ganze Gesellschaft hat. Darüber hinaus hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Kampagne ins Leben gerufen, die auf Gewalt gegen Beschäftigte bei der Polizei, bei Rettungsdiensten, bei der Bahn oder im öffentlichen Dienst aufmerksam machen will (siehe Infokasten). Um jedoch langfristig zu bewirken, dass die Bevölkerung wieder mehr Respekt vor Polizistinnen und Polizisten bzw. Amtspersonen hat, muss auch die Politik einen entscheidenden Beitrag leisten, sagt der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke: „Wenn Kriminelle eine bessere Ausstattung haben als Polizistinnen und Polizisten im Dienst, läuft etwas falsch. Deswegen benötigen wir die modernste Ausrüstung und die modernsten Fahrzeuge – egal, was sie kosten. Und um Tumultlagen auf Knopfdruck starke und fitte Polizistinnen und Polizisten entgegensetzen zu können, brauchen wir noch viel mehr Aus- und Fortbildung sowie Erholungsphasen, damit wir am nächsten Tag wieder fokussiert in den Dienst gehen können.“ Davon abgesehen sei die steigende Gewaltbereitschaft keine ausschließliche Debatte der Polizei, sondern vielmehr eine gesellschaftspolitische Diskussion. Deshalb fordert die Gewerkschaft der Polizei klar erkennbare gesellschaftliche Anstrengungen gegen Gewalttaten an Polizeibeamtinnen und -beamten. Dabei müssen alle gesellschaftlichen Kräfte gegen eine Misstrauenskultur und die Ablehnung staatlicher Aufgaben durch Teile der Bevölkerung aktiv werden. „Die Gesellschaft muss sich ganz klar hinter die Polizei stellen“, so Kopelke abschließend. KF (Stand 31.03.2023)

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