Kinder kommen immer früher mit digitalen Angeboten in Berührung
Kinder kommen immer früher mit digitalen Angeboten in Berührung

Wie altersgerecht ist die Video-App für Kinder?

YouTube Kids

Etwa die Hälfte der Sechs- bis 13-Jährigen ist mindestens einmal pro Woche im Internet unterwegs. Mehr als ein Drittel guckt sich in diesem Zeitraum zumindest einmal ein Online-Video an, vor allem auf YouTube. Das zeigt die aktuelle Studie »Kinder, Internet, Medien« des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs). Das Problem: Die Studie macht auch deutlich, dass der Konsum von YouTube-Videos häufig ohne elterliche Kontrolle geschieht. Die Gefahr, dass die Kinder auf Inhalte stoßen, die nicht altersgerecht sind, ist groß. Um dem entgegenzusteuern, hat der Video-Dienst eine Kinderversion gestartet. Seit September 2017 ist „YouTube Kids“ auch in Deutschland verfügbar. Doch was unterscheidet die Kinderversion von der regulären YouTube-App? Und kann man Kinder das neue Angebot wirklich ohne Bedenken nutzen lassen?

Diverse Kontrollmechanismen für Eltern

Shows, Musik, Lernen und Entdecken: In diese vier Themenbereiche ist YouTube Kids unterteilt. Zum deutschsprachigen Angebot gehören Videos vom Sandmännchen, Heidi oder der Biene Maja. Zudem stellt die App Lern- und Erklärvideos bereit. Um den Eltern eine Kontrolle zu ermöglichen, lassen sich einzelne Funktionen anpassen. So kann man das Alter des Kindes angeben. Dadurch werden nur noch Videos gezeigt, die der Altersgruppe entsprechen. Zudem lassen sich bestimmte Inhalte sperren beziehungsweise die Suchfunktion deaktivieren. Mithilfe eines Timers kann die maximale Nutzungsdauer festgelegt werden. „Features, die für Kinder riskant sein können, wie die Kommentarfunktionen, gibt es in der Kinderversion nicht“, erklärt Marlen Korn, Leiterin des Bereichs »Internet für Kinder« bei jugendschutz.net. Für sie ist die App ein Schritt in die richtige Richtung: „Die Kinderversion von YouTube bietet erstmals eine kindgeeignete Auswahl an Videos aus dem Gesamtangebot von YouTube. Wir bewerten es positiv, dass sich mit Google einer der großen Mediendienste den Bedürfnissen seiner jüngsten Zielgruppe stellt.“

Inhaltliche Vorab-Prüfung nur selektiv

YouTube Kids verspricht, dass die Inhalte altersgerecht sind. In Amerika, wo die App schon länger verfügbar ist, werden jedoch Vorwürfe laut, dass sie diesem Standard nicht entspricht. Denn seit einiger Zeit tauchen zwischen harmlosen Clips immer häufiger verstörende Inhalte auf. Meist handelt es sich um Videos, in denen bekannte Figuren aus Kinderserien zu sehen sind. Anders als im Original ist der Inhalt jedoch explizit gewaltverherrlichend oder sexualisiert. Die Charaktere tun Dinge, die Kinder schockieren oder verstören können. Den Machern der Videos geht es lediglich um hohe Klickzahlen. Doch wieso landen solche Videos überhaupt bei YouTube Kids? Der Grund ist, dass YouTube auf Algorithmen basiert. Abhängig von den Suchbegriffen und den zuvor angesehenen Clips schlagen diese den Nutzern Inhalte vor. Dadurch werden Kindern, die YouTube oder YouTube Kids nutzen, auch ungeeignete Inhalte mit ihren Lieblings-Seriencharakteren empfohlen. Bei YouTube Kids ist die Auswahl etwas restriktiver. So findet bei den für den Startbildschirm ausgewählten Inhalten eine manuelle Qualitätskontrolle statt. Die über die Suche verfügbaren und die empfohlenen Videos werden aber dennoch automatisch und ohne Kontrolle ausgewählt. Ein Mitarbeiter der Video-Plattform prüft nur dann ein solches Video, wenn es gemeldet wurde. Nach Angaben von YouTube liege es weiterhin an den Eltern, Suchbegriffe und Kanäle zu deaktivieren und ungeeignete und nicht-altersgerechte Inhalte zu sperren beziehungsweise zu melden.

Marlen Korn

Leiterin des Bereichs „Internet für Kinder“ bei jugendschutz.net, © jugendschutz.net

Negativer Einfluss durch werbliche Inhalte

Ein weiteres Problem sind Videos, die versteckte Formen von Werbung enthalten. „Die Kanäle sogenannter Influencer, die Kinderspielzeuge, Süßigkeiten oder Pflegeprodukte „testen“, enthalten oft Produktplatzierungen, die ohne Kennzeichnung in Kinderangeboten unzulässig sind“, erklärt Marlen Korn. Sie sieht in erster Linie die Anbieter der Videos, aber auch YouTube selbst in der Verantwortung. Zuletzt hat Google angekündigt, die Inhalte der Kinder-App ab sofort besser zu prüfen. Das Unternehmen will schneller reagieren, wenn Eltern mangelhafte Inhalte melden. Das ist jedoch keine Garantie, dass Kinder in Zukunft nicht mehr auf Clips zu stoßen, die sie besser nicht sehen sollten, wie Marlen Korn bestätigt. „Eltern sollten ihre Kinder daher bei der Nutzung von Medien generell begleiten.“ Dass sich einer der großen Mediendienste überhaupt der Herausforderung gestellt habe, ein Kinderangebot zu gestalten, sei jedoch positiv zu bewerten. „Bisher haben viele Kinder gezwungenermaßen die Angebote genutzt, die sich eigentlich an Erwachsene richten. Jetzt gibt es eine altersgerechte Alternative.“

Als Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet recherchiert jugendschutz.net nach Gefahren und Risiken, denen Kinder und Jugendliche beim Surfen ausgesetzt sein könnten. Sind Inhalte nicht altersgerecht, werden die Anbieter und Betreiber aufgefordert, ihre Angebote entsprechend anzupassen.

Alternativen zu YouTube Kids

Neben der Kinderversion von YouTube gibt es mittlerweile viele ähnliche Online-Angebote. Ausführliche Hinweise und Tipps zur verantwortungsvollen Video- und Mediennutzung findet man zum Beispiel auf der Webseite „fragFINN“. Zudem haben einige beliebte Kindersendungen, wie etwa die Sendung mit der Maus, inzwischen eigene App-Angebote entwickelt. Hier können die Kinder ausschließlich die Inhalte sehen, die in Verbindung mit der Sendung stehen, wie aktuelle Folgen, Spiele zur Sendung oder Lieder. Marlen Korn empfiehlt zudem den Online-Dienst „Seitenstark“, der bei der Auswahl geeigneter Apps unterstützt. „Hier finden Eltern eine Auswahl geprüfter und sicherer Kinderseiten und Kinder-Apps“, so die Expertin. MW (24.11.2017)

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