Der Handel mit Cannabis auf der Straße boomt
Der Handel mit Cannabis auf der Straße boomt

Viele Hürden und ein boomender Schwarzmarkt

Sechs Monate Cannabis-Freigabe in Deutschland

Besitz, Anbau und Konsum von Cannabis sind seit gut sechs Monaten unter bestimmten Bedingungen in Deutschland erlaubt. Im Vorfeld war die Freude bei den Konsumenten groß, aber die Sorgen bei den Ordnungsbehörden ebenso. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zieht nun ein erstes kritisches Fazit. Zu den größten Herausforderungen für die Polizei zählen eine hohe Einsatzbelastung und ein noch nicht kontrollierbarer Grenzwert im Straßenverkehr.

Mehraufwand für Polizei und Staatsanwaltschaft

Am 1. April 2024 ist das neue Cannabisgesetz (CanG) offiziell in Kraft getreten. Seitdem ist Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen und Anbau, Besitz sowie die Abgabe unter bestimmten Bedingungen legal. So dürfen beispielsweise Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit dabeihaben. Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm getrocknetem Cannabis sowie bis zu drei Cannabispflanzen pro Erwachsenem erlaubt. Außerdem darf man Cannabissamen für den Eigenanbau aus EU-Mitgliedsstaaten einführen oder online bestellen. Die neuen Regelungen gelten sowohl im privaten Rahmen als auch in Anbauvereinen, so genannten Cannabis Social Clubs (CSC). Vor allem in der ersten Zeit führte das Inkrafttreten des Gesetzes für die Staatsanwaltschaft zu einem deutlichen Mehraufwand: Sie musste die meisten Fälle des unerlaubten Besitzes von Cannabis neu aufrollen und prüfen, ob das jeweilige Delikt noch strafbar ist oder nicht. Auch aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die Legalisierung zu großen Teilen unbefriedigend gelaufen: „Das Cannabiskonsumgesetz ist ein Bundesgesetz. Fakt ist, an dieser Stelle wurden die Länder vom Bund alleingelassen, sowohl bei der Beschaffung als auch der Finanzierung“, kritisiert der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz. Die Warnungen der GdP im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bestätigen sich bereits jetzt deutlich im polizeilichen Alltag, so Poitz: Kolleginnen und Kollegen müssten verstärkt kontrollieren, ob die neuen Regeln eingehalten werden und würden dadurch zusätzlich belastet. Außerdem boome der Rauschgift-Schwarzmarkt weiterhin – und das, obwohl die Regierung genau diesen durch die Teil-Legalisierung eigentlich austrocknen wollte.

Clubs warten lange auf Lizenzen

Seit Juli 2024 können sich Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland einem Cannabis Social Club anschließen. Doch auch sechs Monate nach der Gesetzeseinführung fehlt vielen Vereinen die Genehmigung zum legalen Anbau: Erst acht deutsche Clubs haben seitdem eine gültige Lizenz von der jeweils zuständigen Bezirksregierung erhalten (Stand: Juli 2024). Denn ab der Einreichung des Antrags haben die Behörden mehrere Monate Zeit, die Unterlagen eines Vereins zu prüfen. Aufgrund enormer bürokratischer Hürden wissen viele Vereine nicht einmal, ob sie am Ende wirklich eine Anbaulizenz erhalten. Das Resultat: Da es derzeit erst sehr wenige Clubs gibt, die legal produzieren dürfen, wird der ohnehin schon florierende Schwarzmarkt zusätzlich befeuert. „Es ist sehr zweifelhaft, dass die vollmundige Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, den Schwarzmarkt wirksam bekämpfen zu können, in absehbarer Zeit eintritt“, betonte Alexander Poitz. Mit der zweiten Säule des Gesetzes soll im Rahmen von regional und zeitlich begrenzten Modellvorhaben neben den Social Clubs auch Unternehmen die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in einem lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, wann der Start erfolge und ob die Polizei sowie andere beteiligte Behörden „dieses Mal genug Zeit zur Vorbereitung eingeräumt“ bekämen, fragt Poitz.

Fehlende Schnelltests am Steuer

Für Autofahrerinnen und Autofahrer gelten seit dem 22. August 2024 neue Bestimmungen und Bußgelder für Cannabis im Straßenverkehr. Die wohl gravierendste Neuerung ist dabei der Grenzwert, der – ähnlich wie bei Alkohol am Steuer – entscheidet, ob ein Bußgeld fällig wird. Er liegt für den Wirkstoff THC bei 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut. Bei Verstößen drohen in der Regel 500 Euro Bußgeld und ein einmonatiges Fahrverbot. Das Problem dabei ist, dass sich dieser Grenzwert bei einer Verkehrskontrolle kein Ergebnis bringt, an dem sich die Polizei orientieren kann. Denn das Ergebnis des Speicheltests zeigt nur an, ob jemand Cannabis konsumiert hat oder nicht. Ob der Grenzwert überschritten wurde, lässt sich damit nicht bestimmen. Solange keine geeigneten Tests flächendeckend vorhanden seien, „bergen polizeiliche Verkehrskontrollmaßnahmen eine zusätzliche Bindung von Personal und Konfliktpotenzial“ im Umgang mit den kontrollierten Personen, meint Alexander Poitz (GdP). Diese müssten gegebenenfalls bei einem positiven Test auf Cannabis ohne eine exakte Bestimmung des THC-Wertes für einen aussagekräftigen Bluttest mit auf die Wache genommen werden. Für die Polizei bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand, der viel Personal bindet. Hinzu kommt, dass das Ergebnis des Bluttests erst nach drei bis vier Tagen vorliegt. Bis dahin können die Getesteten selbst entscheiden, ob sie sich wieder ans Steuer setzen oder nicht. Der ADAC hat im Juli 2024 aufgrund eines Selbstversuchs verschiedener Testpersonen folgende Faustregel herausgegeben: Wer gelegentlich Cannabis konsumiert, sollte mindestens 24 Stunden auf das Autofahren verzichten, um wieder sicher am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Denn bis zu 20 Stunden nach dem Cannabiskonsum waren die Reaktionen beim Autofahren als Folge des Kiffens noch unsicher.

Die Polizei benötigt spezielle Geräte für Schnelltests im Straßenverkehr

Die Polizei benötigt spezielle Geräte für Schnelltests im Straßenverkehr

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GdP fordert: Wer kifft, fährt nicht!

Die Gewerkschaft der Polizei sieht im neuen Grenzwert eine sogenannte Scheinrechtssicherheit. Durch die Erhöhung des zulässigen THC-Wertes von einem auf 3,5 Nanogramm könne der Eindruck erweckt werden, dass Autofahren unter Cannabis-Einfluss grundsätzlich legal ist. Dadurch würden die Gefahren verharmlost. Die Herangehensweise der Bundesregierung hält die GdP für falsch: Anstelle eines erhöhten THC-Grenzwertes hätte sie eine nachhaltige „Drogenfrei-am-Steuer“-Kampagne starten müssen. Alexander Poitz: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Legalisierung von Cannabis zu einem erhöhten Konsum führt. Wie bei anderen berauschenden Mitteln müssen wir klar davon ausgehen, dass Leistungseinbußen in der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und dem Reaktionsvermögen bestehen. Damit steigt das Unfallrisiko.“ Die GdP fordert deshalb, den Tatbestand des Fahrens unter Cannabiseinfluss in der Straßenverkehrsunfallstatistik zu ergänzen. Die dort gesammelten Daten seien eine notwendige Grundlage, um die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Straßenverkehrssicherheit im Auge zu behalten und gegebenenfalls zeitnah gesetzlich umsteuern zu können. Autofahrerinnen und Autofahrern rät die GdP dringend von individuellen Experimenten ab: Zu versuchen, sich an den Grenzwert „heranzukiffen“, gefährde die Verkehrssicherheit. Das klare Motto müsse deshalb lauten: Wer kifft, fährt nicht; wer fährt, kifft nicht.
KF (27.09.2024)

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