Der Tower of Power erfordert Konzentration und Zusammenarbeit
Der Tower of Power erfordert Konzentration und Zusammenarbeit

Gegen Gewalt und Mobbing

Beleidigungen, Schimpfwörter und Ausgrenzung: Das gehört in vielen Klassen leider zum Alltag. Das Familienzentrum Nordhausen bietet mit dem Projekt „Gegen Gewalt in der Schule“ Schulklassen in der Stadt Nordhausen und im Landkreis Nordhausen die Möglichkeit, sich einen Vormittag lang mit Mobbing und Gewalt auseinanderzusetzen. Durch reflektierende Gespräche, Kooperationsübungen und interaktive Spiele wie den „Tower of Power“ sollen die Schülerinnen und Schüler für ein faires Miteinander sensibilisiert werden.

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Ein offenes Ohr beim Familienzentrum Nordhausen

Die Teilnahme am Projekt „Gegen Gewalt in der Schule“ muss nicht zwangsläufig auf Anfrage eines Lehrers erfolgen. Sollte eine Schülerin oder ein Schüler in Nordthüringen Opfer von Mobbing oder Gewalt sein oder sich unglücklich mit dem Klima im Klassenverband fühlen, kann sie oder er sich jederzeit an die Mitarbeiter des Familienzentrums Nordhausen wenden.

Die Perspektive wechseln

Die Unterrichtseinheiten, die Marianne Gerber seit Juli 2017 im Rahmen ihrer Arbeit im Familienzentrum Nordhausen veranstaltet, sind vielseitig und individuell ausgerichtet. Anfragen von Schulen erreichen Gerber oftmals präventiv zu Beginn eines Schuljahres, wenn Lehrer zum Beispiel die Integration neuer Schüler in einen Klassenverbund fördern möchten. „Leider erreichen mich viele Anfragen aber auch zu spät, wenn das Klassenklima schon erheblich gestört ist oder es einen konkreten Fall von Mobbing gibt“, fügt sie bedauernd hinzu. Dann müsse man natürlich woanders ansetzen, um die Schülerinnen und Schüler erst mal überhaupt dazu zu bewegen, miteinander zu sprechen und aufeinander einzugehen. Der Expertin ist es wichtig, dass ein Mobbingopfer nicht in seine Rolle hineingedrängt wird. Daher möchte sie die Klasse immer zu Anfang der Veranstaltung für die Themen Mobbing und Gewalt sensibilisieren. Eine Übung dafür ist die „Skala der Gewalt“. Hier soll die Klasse anhand von konkreten Beispielsituationen selbst einschätzen lernen, was genau Mobbing und Gewalt eigentlich sind, und diese Situationen dann auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent einschätzen. Damit bekommen sie einerseits einen Zugang zu den Themen und gleichzeitig direkt die Chance, ihre Perspektive zu wechseln.

Der „Tower of Power“

Durch Kooperationsübungen möchte Marianne Gerber spielerisch den Zusammenhalt der Schülerinnen und Schüler fördern. Eins dieser Spiele ist der „Tower of Power“. Dabei hat die Klasse die Aufgabe, Holzsteine zu einem Turm zu stapeln. Klingt eigentlich ganz einfach, aber das Schwierige dabei ist: Die Holzsteine werden über Schnüre in der Luft gehalten und transportiert, wobei jeder Schüler durch das Ziehen an seiner eigenen Schnur Einfluss auf die Bewegung des Holzsteins hat. Alleine kann hier keiner die Steine zu einem Turm zusammenbauen. „Wenn die Absprache und die Koordination unter den Schülern nicht funktioniert und der Turm ständig wieder in sich zusammenfällt, dann brechen wir manchmal ab. Ich fordere die Schüler dann auf, gemeinsam Ursachen und Lösungswege zu finden. Beim zweiten Anlauf klappt es dann meistens durch Zurufe und Zusammenarbeit“, berichtet Gerber. Dabei merkt sie oft, dass ein gemeinsames Erfolgserlebnis schon ein erster Schritt in Richtung eines besseren Klassenklimas sein kann.

Logo des Familienzentrums Nordhausen

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Familienzentrum Nordhausen

Präventionsarbeit als Prozess

Um einen Grundstein für ein respektvolles Miteinander zu legen, sind klare Klassenregeln erforderlich. Mit dem Spiel „Das Blatt wenden“ möchte Gerber die gemeinsame Überarbeitung und Entwicklung neuer Klassenregeln fördern. Schülerinnen und Schüler sollen hier zunächst sammeln, was ihnen aktuell nicht in der Klasse gefällt und dies auf einem großen auf dem Boden liegenden Tuch notieren. Im zweiten Schritt soll die Klasse auf der Rückseite des Tuchs ihre Wünsche an die Mitschüler zusammentragen. Anschließend stellen sich alle auf die Seite mit den negativen Aspekten und sollen in Zusammenarbeit versuchen, das Tuch zu wenden, ohne dabei selbst den Boden zu berühren. Das soll auch ein symbolischer Akt sein: das Blatt zu einem positiveren Klassenklima wenden. „Man merkt zwar oft schon im Laufe eines Vormittags, wie die Schüler besser miteinander zusammenarbeiten und sich untereinander mehr ausreden lassen, aber ich sehe Prävention auch als Prozess und denke, dass man für ein langfristiges Ergebnis die gemeinsam aufgestellten Regeln und Ziele auch weiterverfolgen muss“, fasst Marianne Gerber zusammen. Daher bietet das Familienzentrum auch im Nachgang zu den Anti-Gewalt-Workshops seine Unterstützung für individuelle Info- und Folgeveranstaltungen für Schüler, Eltern und Lehrer an. Aufgrund der steigenden Nachfrage hat das Familienzentrum das Themenspektrum erweitert: Weitere Schul-Workshops führt Marianne Gerber inzwischen auch zu den Themen sexualisierte Gewalt, Gewalt in den sozialen Medien und Sucht durch.

KF/FL (27.06.2025)

Kontakt:

Familienzentrum Nordhausen
Jugendsozialwerk Nordhausen gGmbH
Marianne Gerber
Alexander-Puschkin-Straße 28
99734 Nordhausen
familienzentrum-ndh(at)jugendsozialwerk.de

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