Hört das Herz plötzlich auf zu schlagen, kann jede Sekunde über Leben und Tod entscheiden. Viele öffentliche Plätze wie U-Bahnstationen, Freibäder und Sportstadien sind aus diesem Grund mit sogenannten automatisierten externen Defibrillatoren (AEDs) ausgestattet, die ohne medizinisches Know-how von jedem bedient werden können. In der Praxis werden die lebensrettenden Geräte jedoch nur selten eingesetzt. Thomas Ulbrich, Leiter für Erste-Hilfe-Ausbildungen beim Arbeiter-Samariter-Bund in Hamburg, erklärt im Interview mit PolizeiDeinPartner, wie AEDs funktionieren und wie Laien problemlos mit einem solchen Gerät umgehen können.
Herr Ulbrich, was genau sind automatisierte externe Defibrillatoren (AEDs), und wie unterscheiden sie sich von Geräten, die nur von medizinischen Profis eingesetzt werden dürfen?
Bei AEDs handelt es sich um die einfachste Art von Defibrillatoren, die es auf dem Markt gibt. Sie wurden speziell für Personen ohne medizinischen Hintergrund entwickelt und werden deshalb auch „Laiendefibrillatoren“ genannt. Das bedeutet: Bei einem Herzkreislaufstillstand oder Herzrhythmusstörungen kann ein AED quasi von jedem zur Reanimation eingesetzt werden. Im Gegensatz zu den Laiengeräten dürfen professionelle Defibrillatoren hingegen ausschließlich von geschulten Personen mit medizinischer Ausbildung angewendet werden. Diese Geräte sind deutlich teurer, haben dafür aber auch mehr Funktionen wie zum Beispiel Blutdruckmessung oder Messung der Sauerstoffsättigung.
Wie kann ein Laie, der noch nie zuvor einen Defibrillator benutzt hat, im Notfall damit umgehen?
Die Bedienung ist bewusst kinderleicht und erklärt sich von selbst. Während der Wiederbelebung gibt das Gerät dem Anwender klare Schritt-für-Schritt-Anweisungen, das heißt, es kann mit dem Anwender über Sprache kommunizieren. Halbautomatische AEDs beginnen mit der Analyse des Herzrhythmus, sobald die Elektroden am Patienten kleben. Und erst dann, wenn das Gerät ein Herzkammerflimmern klar erkennt, lädt es automatisch die Energie zum schocken bzw. defibrillieren auf, die dann der Ersthelfer aktiv auslösen muss. Beim sogenannten Vollautomaten dagegen gibt das Gerät den Stromstoß selbstständig ab, nachdem es den Anwender vor einer folgenden Defibrillation warnt. Denn dieser darf den Patienten während der Defibrillation nicht berühren, um somit nicht auch einen Stromschlag vom AED zu bekommen. Die meisten AEDs sind aber halbautomatisch, so dass bei diesen Geräten immer der Ersthelfer aktiv den Schock auslösen muss. In jedem Fall gibt es keinen Grund, vor der Bedienung zurückzuschrecken. Studien haben gezeigt, dass ein Laie, der keine Ahnung hat, wie die Simulation abläuft, nur einen Tick langsamer ist, als ein Ersthelfer, der schon mal mit einem solchen Gerät geübt hat.
Was genau passiert beim Kammerflimmern?
Beim Kammerflimmern entstehen rasend schnelle, chaotische Kontraktionen des Herzmuskels, die innerhalb kürzester Zeit zur Bewusstlosigkeit und zum plötzlichen Herztod führen können. Die Herzmuskelzellen arbeiten nicht mehr geordnet bzw. synchron und dadurch ist das Herz ist nicht mehr in der Lage, Blut in den Kreislauf zu pumpen. Daher ist ein Kammerflimmern vom Ergebnis wie ein Herzstillstand gleichzusetzen, wobei beim Herzstillstand überhaupt keine Tätigkeit der Herzmuskelzellen vorliegt. Daher ist aus Sicht des Rettungsdienstes auch die Behandlung eines Herzstillstandes eine andere, da hier eher Medikamente (wie Adrenalin) das Mittel der Wahl sind. Ursachen für das Kammerflimmern können neben Komplikationen bei Herzinfarkten auch bekannte Herzrhythmusstörungen oder aber auch haushaltstypische Wechselstromunfälle sein.
Zu welchem Zeitpunkt sollte man einen Defibrillator im Rahmen einer Wiederbelebung anwenden?
Ab dem Moment, wo eine Person nicht ansprechbar, also bewusstlos ist und keine (normale) Atmung hat, sollte sofort ein Notruf abgesetzt werden und dann schnellstmöglich mit der Wiederbelebung begonnen werden. Während eine Person mit der Herzdruck-Massage beginnt, kann eine weitere Person den AED vorbereiten, sofern ein solches Gerät vor Ort vorhanden ist. Wird ein Defibrillator innerhalb der ersten Minute nach dem Auftreten eines Kammerflimmerns eingesetzt, liegt die Chance bei 90 Prozent, dieses erfolgreich mit der Defibrillation zu durchbrechen. Jede weitere Minute Verzögerung senkt die Erfolgschance einer Defibrillation um 10 Prozent.
Wo sind AEDs in der Öffentlichkeit zu finden – und wie erkennt man sie?
Es gibt sie quasi überall, etwa in Flughäfen, Bahnhöfen, Fußballstadien und anderen öffentlichen Gebäuden. Auch viele öffentliche Plätze sind mittlerweile mit den Geräten ausgestattet. Allein bei uns in Hamburg sind inzwischen mehr als 1.000 Standorte von Defibrillatoren registriert. Sie hängen in der Regel als kleiner Koffer an der Wand und sind gekennzeichnet durch ein grünes Schild mit einem weißen Herz, auf dem ein Blitz abgebildet ist. Mithilfe der App „ASB-Schockt“, die hier bei uns in Hamburg unter dem Namen „Hamburg schockt“ läuft, können Ersthelfer in kritischen Situationen per GPS schnell herausfinden, wo sich das nächste Gerät in ihrer Nähe befindet. Die App gibt es bereits für die Städte Berlin, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Kassel, Leipzig und Lüneburg sowie für die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Unser langfristiges Ziel ist es, das Netz von „ASB-schockt“ deutschlandweit auszubauen. Um uns dabei zu unterstützen, empfehlen wir allen Betreibern öffentlicher Einrichtungen, aber auch aufmerksamen Bürgerinnen und Bürgern, jeden AED, der noch nicht in unserer Datenbank aufgenommen ist, über die App zu melden.
Was raten Sie abschließend Bürgerinnen und Bürgern, die aus Angst, einen Fehler zu machen, vor der Anwendung eines AED zurückschrecken?
Niemand kann dabei etwas falsch machen. Wenn das Gerät eine Empfehlung zum Defibrillieren gibt, hat das auch seinen Grund. In diesem Moment sollte man nicht lange zögern und den Schock auslösen. Selbst wenn dieser nichts mehr bringt, kann man der Person damit keinen weiteren Schaden zufügen. Der größte Fehler ist immer, nichts zu tun. Darüber hinaus empfehle ich jedem, unbedingt regelmäßig seine Erste-Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen. Der Kurs, der für den Führerschein nötig war, reicht irgendwann Jahre später einfach nicht mehr aus.
KF (Stand 29.10.2021)