Es ist ein strahlend blauer Frühlingssonntag. Die Fußgängerzone vor dem Hauptbahnhof in Gelsenkirchen ist ruhig und fast menschenleer. Einige Bundespolizistinnen und -polizisten blinzeln in voller Montur in die Sonne. Ihr Auftrag: Die Begleitung des harten Kerns der Schalker Fans zum Auswärtsspiel. Denn am Nachmittag steht das Bundesligaspiel Bayer Leverkusen gegen Schalke 04 an.Im Bahnhof von Gelsenkirchen stehen die Polizeibeamten wenig später verteilt an den Aufgängen zum Bahnsteig. Einige Beamte in Zivil schwirren aus. Sie schauen, wo sich die Fans wohl heute sammeln. Denn der Fanblock bildet eine starke Einheit. Sie gehen zusammen zum Bahnhof, sie fahren gemeinsam zum Auswärtsspiel, sie gehen als geschlossene Gruppe ins Stadion. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, sind rund 200 Schalke-Fans auf dem Bahnsteig. Nur junge Männer ungefähr im Alter zwischen 18 und 25. Ganz in den Farben ihres Vereins und mit Fahnen ausgestattet. Viele haben eine Bierflasche in der Hand. Die Beamten in Zivil geben die Information an die Einsatzleitung weiter, in welchem Bereich die Anführer der Fangruppe stehen.Auf dem Bahnsteig beginnt ein Katz-und Maus-Spiel mit den Einsatzkräften. Die nächste S-Bahn Richtung Düsseldorf wird zum Austesten genutzt. Zunächst scheint es, als ob die Fans einsteigen wollten. Daraufhin platzieren sich die Polizisten rechts und links an jeder Tür der S-Bahn. Die Fans treten bis an die Bahnsteigkante, einige gehen schon in den Zug. Dann kommt aus ihrer Mitte das Kommando: „Aussteigen!“ Alle gehorchen. Man wartet eine weitere Viertelstunde. Dann, beim Regionalexpress nach Essen, wird es ernst. Die Bundespolizisten stellen eine Eskorte an alle Türen, die Fans steigen ein. Die Einsatzleitung sagt dem Lokführer, wann er die Türen schließen und abfahren kann. Zum Glück ist es ein recht leerer Regionalexpress, in den die mehr als 200 Fans und die im Einsatz befindlichen Bundespolizisten drängen. So wird es zwar eng, viele Fans und alle Polizisten müssen stehen, aber es entsteht keine drangvolle Enge. Bei Fahrten zu Spielen am Freitagabend ist das anders, berichtet der Einsatzleiter der Bundespolizei. Da kommen die Fangruppen und die Polizei in schon gut gefüllte Züge. „Wir wünschten uns seitens der Bahn mehr Transportkapazitäten, das wäre für alle, besonders für die Fußballfans, wesentlich angenehmer.“
Umsteigen in Essen
In Essen geht der Adrenalinspiegel kurz etwas in die Höhe. Denn der Fanblock setzt sich als geschlossene Gruppe in Bewegung: Hin zu dem Gleis, von dem der nächste Regionalexpress nach Leverkusen abfährt. Mitten in der Fangruppe gestikuliert einer und treibt die übrigen an, zügig loszugehen. Dabei zeigt er ihnen an, wo es lang geht. Vorweg und auch am Schluss der Gruppe gehen Einsatzkräfte der Bundespolizei. Auf dem Abfahrbahnsteig angekommen erhält die Einsatzleitung der Bundespolizei die Information, wie viele problematische Fans unterwegs dazu gestoßen sind. Im Polizeijargon gibt es A-, B- und C-Fans. Die A-Fans sind die normalen Stadionbesucher, die C-Fans der harte Kern der als gewaltbereit eingestuften Fans.
Alkohol und defekte Toiletten
Bei Fans aller drei Kategorien gehört die Bierflasche in der Hand heute zum Grundoutfit. „Das Thema Alkohol und Glasflaschen spielt in der Fußballfanbegleitung leider eine immer bedeutungsvollere Rolle. Es ist nicht die Regel, aber es gibt einzelne Fangruppierungen, die schon beim Einsteigen sehr alkoholisiert sind. Was dann das Einwirken und das Zusprechen sehr schwierig gestaltet“, meint der Einsatzleiter. Doch heute ist das nicht der Fall.Funktionsuntüchtige Toiletten in Zügen sind für die Fanbegleitung ein Dauerärgernis. Sie verursachen Stress im Zug, weil sich Fans, die ihr Bier wieder loswerden wollen, auf der Suche nach einer funktionierenden Toilette durch den ganzen Zug bewegen.Auf dem Bahnsteig entsteht dann doch noch eine leicht konfrontative Situation: Zwei Schalke-Fans fühlen sich von einem Beamten beleidigt und wollen den Einsatzleiter sprechen. Der Einsatzleiter wird gerufen, spricht kurz mit ihnen und gibt ihnen dann seine Visitenkarte.
Solidarität in der Gruppe
Auf dem Bahnhof in Leverkusen hat EPHK Klaus Kapellner seitens der 13. Bereitschaftspolizeihundertschaft aus Bonn die Begleitung der Fans bis zum Stadion übernommen. In der Unterführung des Bahnhofs haben die Beamten eine Menschenkette gebildet. Die Schalker Fans stehen in einem Pulk vor der Unterführung, bereit zum Aufbruch Richtung Stadion. Aber sie warten. „Es geht um die beiden Fans, die noch auf dem Gleis bei der Bundespolizei stehen weil sie einem Beamten vorwerfen, sie beleidigt zu haben“, erklärt Klaus Kapellner: „Erst, wenn die wieder bei den anderen sind, werden die losgehen.“ Und genau so ist es. Schnellen Schrittes kommen die beiden Schalke-Fans wenig später die Treppe herunter und als sie wieder bei ihrer Gruppe sind, setzt sich der Tross der Fans in Bewegung.„Hier in Leverkusen haben wir eigentlich eine idealtypische Situation“, weiß Klaus Kapellner: „Es gibt einen 10-Minuten-Fußweg zum Stadion. Zuerst geht der an den Bahngleisen entlang. Da müssen wir nur die Seite zum Stadtpark absichern.“ Im Stadtpark begleitet berittene Polizei den Zug der Fans. „Anschließend geht es über das Flüsschen Dhünn und dann auf einem Fußweg zwischen abgezäunten Sportanlagen von Bayer Leverkusen und dem Fluss auf direktem Weg zum Stadion“, erläutert Klaus Kapellner.
Fangesänge auch beim Rückstand
Im Stadion werden die Fans strikt getrennt. Sie stehen sich diagonal gegenüber. Übrigens in den einzigen beiden Blöcken im Stadion, die von hohen Zäunen umgeben sind. Block „G“ für die Gäste und Block „C“ für die Fans der Heimmannschaft. Der sogenannte „Kapo“ sitzt auf dem Zaun, der den Gästeblock umschließt. Er schaut Richtung Fanblock und stimmt die Gesänge an. Von der Polizeiwache im Stadion im Bereich der Südtribüne haben die Polizisten einen optimalen Blick auf den Gästeblock. Nach dem 1:0 für Leverkusen werden die Fans ruhiger, sie machen ihre Choreographien aber weiter. Aber auch nach dem 2:0 für Leverkusen unterstützt der Schalker Fanblock die Stars auf dem Rasen unverdrossen weiter. Wie trügerisch die Ruhe sein kann, wird klar, als der Leiter des vom Verein gestellten Ordnungsdienstes vorbeischaut und sich kurz mit den Polizisten berät. Die szenekundigen Beamten im Leverkusener Fanblock wollen gehört haben, dass einige der Leverkusen-Fans in der Pause herüber zu den Schalker Fans gehen wollen, um die Konfrontation zu suchen. Sofort informiert Klaus Kapellner seine Mitarbeiter von der Bereitschaftspolizei. Sie sollen auf dem Weg hinter den Rängen aufpassen und gegebenenfalls eine Menschenkette bilden und die Leverkusener Fans zum Umkehren auffordern. Eine Schlägerei braucht nun wirklich niemand an diesem friedlichen Fußballnachmittag. Glücklicherweise bleibt es dann an diesem Tag doch ruhig.


